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Full text of "Unterredungen und mathematische demonstrationen über zwei neue wissenszweige, die mechanik und die fallgesetze betreffend"

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UNTEMEDÜNGEN 1 

und 

MATHEMATISCHE DEMONSTRATIONEN 

über 

zwei neue Wissenszweige, die Mechanik und 
die Fallgesetze betreffend, 

von 

GALILEO GALILEL 

Arcetri, 6. März 1638. 
Dritter und vierter Tag mit 90 Figuren im Text. 



Aus dem Italienisclien und Lateinisclien ül^ersetzt und herausgegeben 

von 

Arthur yon Oettingen. 



• ^. 



LEIPZIG 

VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 

189L 






ü'I-t^' 




Unterredungen a. mathematische Demonstrationen 
über zwei neue Wissenszweige, die Mechanil[ und 

die Fallgesetze betreffend, 



von 

Galileo Galilei. 



Dritter Tag. 
lieber die örtliche Bewegung. 

Ueber einen sehr alten Gegenstand bringen wir eine ganz 
neue Wissenschaft. Nichts ist älter in der Natur als die Be- 
wegung, und über dieselbe giebt es weder wenig noch geringe 
Schriften der Philosophen. Dennoch habe ich deren Eigen- 
thümlichkeiten in grosser Menge und darunter sehr wissens- 
werthe, bisher aber nicht erkannte und noch nicht bewiesene, 
in Erfahrung gebracht. Einige leichtere Sätze hört man 
nennen: wie zum Beispiel, dass die natürliche Bewegung fallen- 
der schwerer Körper eine stetig beschleunigte sei. In welchem 
Maasse aber diese Beschleunigung stattfinde, ist bisher nicht 
ausgesprochen worden; denn soviel ich weiss, hat Niemand 
bewiesen, dass die vom fallenden Körper in gleichen Zeiten 
zurückgelegten Strecken sich zu einander verhalten wie die un- 
geraden Zahlen. Man hat beobachtet, dass Wurfgeschosse eine 
gewisse Curve beschreiben ; dass letztere aber eine Parabel sei, 
hat Niemand gelehrt. Dass aber dieses sich so verhält und noch 
vieles andere, nicht minder Wissenswerthe , soll von mir be- 
wiesen werden, und was noch zu thun übrig bleibt, zu dem wird 
die Bahn geebnet, zur Errichtung einer sehr weiten, ausser- 
ordentlich wichtigen Wissenschaft, deren Anfangsgründe diese 

1* 



B Arbeit bringen soll, in deren tiefere Geheimnisse 
en Geistern vorbehalten bleibt, die mir überlegen 

In drei Theile zerfällt unsere Abhandlung. In dem ersten 
betrachten wir die gleichförmige Bewegung. In dem 
zweiten beschreiben wir die gleichförmig beaehieunigte 
Bewegung. In dem dritten handeln wir von der gewalt- 
samen Bewegung oder von den Wurfgeschossen, 



üeber die gleicliförmige Bewegung. 

Die gleichförmige Bewegung müssen wir allem zuvor be- 
schreiben, 

Definition. 

Ich nenne diejenige Bewegung gleichförmig, bei welcher die 
in irgend welchen gleichen Zeiten vom Körper zurückgelegten 
Strecken unter einander gleich sind. 



Erläute 



ing. 



Der althergebrachten Definition (welche einfach von gleichen 
Strecken in gleichen Zeiten sprach] haben wir das Wort »irgend 
welchenic hinzugefügt, d. h. zu jedweden gleichen Zeiten: denn 
es wäre mtlglich, dass in gewissen Zeiten gleiche Strecken , da- 
gegen in kleineren gleichen Theilen dieser selben Zeiten un- 
gleiche Strecken zurückgelegt werden. Die vorliegende Defini- 
tion enthält vier Axiome oder Grundwahrheiten : nämlich 

I. Axiom. 
Die bei ein und derselben Bewegung in längerer Zeit zurück- 
gelegte Strecke ist grösser als die in kürzerer Zeit vollendete. 



Bei gleichförmiger Bewegung entspricht dergröäS 
eine grössere Zeit. 



In gleichen Zeiten wird bei grösserer Geschwindigkeit eine 
grössere Strecke zurückgelegt als bei kleinerer Geschwindigkeit, 



X 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 

IV. Axiom. 

Die Geschwindigkeit, bei welcher in einer gewissen Zeit eine 
grössere Strecke zurückgeiegt wird, ist grösser, als die Ge- 
schwindigkeit, bei welcher in derselben Zeit eine kleinere Strecke 
vollendet wird. ^) 

Theorem i. Proposition I. 

»Wenn ein gleichförmig bewegter Körper mit gleicher Ge- 
schwindigkeit zwei Strecken zurücklegt, so verhalten sich die 
Zeiten wie die Strecken.« 

Es lege der Körper mit gleichen Geschwindigkeiten zwei 
Strecken AB, 5 C7 zurück (Fig. 40) und es werde die für AB 

J D E F K 

G ABC H 

Fig. 40. 

nöthige Zeit durch DE dargestellt; die Zeit für die Strecke B O 
sei EF, Ich behaupte, wie AB zu BC^ so wird die Zeit DE 
zvL EF sich verhalten. Verlängert man nach beiden Seiten die 
Strecken und die Zeiten gegen GH, JK, und theile man auf 
AG beliebig viel gleiche Strecken ab gleich AB, und eben so 
viel Zeiten gleich DE auf DJ; andererseits auf CH beliebig 
viele Theile gleich B C und eben so viele Zeiten in FK gleich 
E F. Alsdann wird die Strecke B G und die Zeit EJ dasselbe 
willkürlich gewählte Vielfache von BA und DE sein, und ähn- 
lich wird die Strecke HB und die Zeit KE dasselbe beliebige 
Vielfache der Strecke OB und der Zeit FE sein. Und weil 
DE die Zeit der Bewegung durch AB, so wird die Gesammt- 
zeit EJ sich auf die gesammte Strecke BG beziehen, und es 
wird in EJ eben so viel Zeittheile gleich DE geben, wie Theile 
BAmBGy und ähnlich findet man, dass KE die Bewegungs- 
zeit durch die Strecke HB sei. Wenn aber eine gleichförmige 
Bewegung angenommen wird, und GB gleich BH ist, so wird 
auch die Zeit JE gleich der Zeit EK sein, und wenn GB 
grösser als BH, so wird auch JE grösser als EK sein, und 
wenn weniger, dann weniger. Vier Grössen kommen in Betracht: 
1. AB, 2. BC, 3. DE, 4. EF, und die ersten und die dritten, 
nämlich die Strecken , die gleich A B gemacht sind, und die 



Galileo Galilei. 

jh DS, aìnd gleicti oft in beliebiger Anzalil ge- 
der Strecke GB und in der Zeit JE, und eä war 

»rden, daas diese letzteren entweder beide zugleich 
den Zeiten EK und der Strecke B H, oder beide 

(88er oder beide kleiner, daher haben aucb die zwei- 

irten Strecken gleiches Verhältniaa. Daher verhält 

te zur zweiten, d. h. Strecke AB zur Strecke BC. 

te zur vierten Grösse, n&mlich die Zeit i?£ zur Zeit 

1 beweisen war. 



Theorem II. Proposition II. 

ein Körper in gleichen Zeiten zwei Strecken zurück- 
lalten sieh diese Strecken wie die Geschwindigkeiten, 
umgekehrt die Strecken wie die Geschwindigkeiten 
en, so sind die Zeiten gleich. n 
slben Figur 40 seien AH, BC in gleichen Zeiten 
i, und zwar AB mit der Geschwindigkeit DE und 
BC mit der Geschwindigkeit EE. Ich behaupte, 
1 j4S und ÄC verhalten sich zu einander wie die 
ükeiten DE und EE; nimmt man nämlich, wie oben 
liderseits beliebige Vielfache der Stracken und der 
gkeiten, also GB nnd JE, jenes aus AB-, dieses 
recken, und ähnlich HB, KE, so wird in ganz 
eise wie vorhin geschlossen werden , dass die Yiel- 
, JE entweder zugleich eben so viel oder weniger 
letri^en werden als die Strecken BH, EK; daher 
: gelöst ist. 2j 

Theorem III. Proposition III. 

gleichen Geschwindigkeiten verhalten sich bei gleì- 

en die Geschwindigkeiten umgekehrt wie die Zeiten." 

^und B (Fig. 41) seien Ge- 

— ' ach windigkeiten, A die grössere, B 

— — . — — die kleinere, und beiden gemäss 
_ werde eine Strecke CD zurück- 

g 41 gelegt. Ich behaupte, die Zeit, in 

welcher mit der Geschwindigkeit 
ke CIJ vollendet wird, verhalte sich zu der Zeit für 
lg derselben Strecke CD mit der Geschwindigkeit 
Geschwindigkeit B znr Geschwindigkeit A. Deun 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 7 

wie A zu B, so verhalte sich CD zu CE] daher wird nach 
dem früheren Satze die Zeit» mit der die Geschwindigkeit A die 
Strecke CD überwindet, gleich sein der Zeit, in der CE mit B 
zurückgelegt wird ; aber die Zeiten, in welchen mit jB- Geschwin- 
digkeit CE und CD überwunden werden, verhalten sich wie 
CE zu CD ; folglich verhält sich die Zeit, mit welcher die Ge- 
schwindigkeit A die Strecke CD überwindet, zu der Zeit, mit 
welcher B dieselbe Strecke zurücklegt, wie CE zu CD, das 
beisst wie die Geschwindigkeiten B zu Aj was zu beweisen war. 

Theorem IV. Proposition IV, 

»Wenn zwei gleichförmig bewegte Körper ungleiche Ge- 
schwindigkeit haben, so verhalten sich die in ungleichen Zeiten 
zurückgelegten Strecken wie das zusammengesetzte Yerhältniss 
aus den Geschwindigkeiten und Zeiten.« 

Zwei Körper E, F (Fig. 42) seien gleichförmig bewegt und 
die Geschwindigkeiten seien A und B ; die Zeiten dagegen sollen 



A' . 

E G »- 

C- . 



B^ 



F J I • 

D, , 

Fig. 42. 

sich verhalten wie C zu i>. Ich behaupte, dass die von E mit 
Geschwindigkeit A in der Zeit C zurückgelegte Strecke zu der 
von F mit Geschwindigkeit B in der Zeit D zuiUckgelegten 
Strecke sich verhalte, wie das Verhältniss von A zu B, multi- 
plicirt mit dem Verhältniss von C zu D. Denn habe E mit der 
Geschwindigkeit A in der Zeit C die Strecke G überwunden, 
und sei G tm J wie A zu B; sei ferner / zu Z wie die Zeiten 
C zu D : so weiss man, dass / die Strecke ist, durch welche 
jPin derselben Zeit bewegt wird, wie E durch die Strecke G, 
da die Strecken 6r zu / wie die Geschwindigkeiten A zu B; 
und da /zu jL wie die Zeiten C zu D, wenn / die Strecke, die 
der Körper F in der Zeit C zurücklegt, so wird L die Strecke 
sein, die der Körper F mit ^-Geschwindigkeit in der Zeit D 
überwindet : aber das Verhältniss 6r zu Z ist zusammengesetzt 



S Galileo Galilei. 

aus den Verhältnissen G zu J und J zu L, oder aus den Ver- 
hältnissen der Geschwindigkeiten A zu B und der Zeiten (7 z«? 
D ; womit die Aufgabe gelöst ist. ^] 

Theorem V. Proposition V, 

»Wenn zwei Körper sich gleichförmig bewegen, mit un- 
gleichen Geschwindigkeiten, und wenn auch die Strecken un- 
gleich sind, so werden sich die Zeiten verhalten wie das Ver- 
hältniss der Strecken multiplicirt mit dem umgekehrten Verhält- 
niss der Geschwindigkeiten.« 

Es seien A, B (Fig. 43a) die beiden Körper, ihre Geschwin- 
digkeiten verhalten sich wie V zu T, die zurückgelegten 
Strecken wie S zu R. Ich behaupte, die Bewegungszeiten de^ 



A 



V 
T 



C 

E 



B Gi . 

R' • 

Fig. 43a. 

Körper A und B verhalten sich zu einander wie das Verhält- 
niss der Geschwindigkeiten T im V multiplicirt mit dem Ver- 
hältniss der Strecken aS* zu jR. Es gebrauche A die Zeit C ub4 
es sei C zvlE wie T zu V, Da C die Zeit ist, in welcher A mit 
der Geschwindigkeit F'die Strecke S überwindet, so wird, wenn 
C zu E wie die Geschwindigkeiten T zu V, auch E diejenige 
Zeit sein, in welcher der Körper B die Strecke /S zurücklegt. 
Sei drittens das Verhältniss der Zeiten E zu G wie die Strecken 
aS zu -R ; offenbar ist G die Zeit, in welcher B die Strecke B 
überwinden würde. Da nun C zu G gleich Czu Ej multiplicirt 
mit ^ zu G (denn C verhält sich zu E umgekehrt wie die Ge- 
schwindigkeiten der Körper A^ -B, d. h. wie Tzu V); aber E 
zu G wie die Strecken S zu B, so ist die Aufgabe gelöst. 

Theorem VI, Proposition VI. 

»Wenn zwei Körper sich gleichförmig bewegen, so ist das 
Verhältniss ihrer Geschwindigkeiten gleich dem Verhältniss der 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 9 

Strecken multiplicirt mit dem umgekehrten Verhältniss der 
Zeiten.« 

A, B (Fig. 43b) sollen sich mit gleichförmiger Geschwin- 
digkeit bewegen, die Strecken sollen sich wie Vzm T verhalten, 
die Zeiten aber wie S zm R. Ich behaupte, die Geschwindig- 
keiten von A und B verhalten sich wie l^zu T, multiplicirt 
mit R zu S. ' 

Es sei C die Geschwindigkeit, mit der A die Strecke V in 
der Zeit S tiberwindet, und es sei C zu E wie die Strecken V 



Y 



»- 



A C 

S • ■ 

E 



B 



R . . 

Fig. 43b. 



zu T; es wird alsdann E die Geschwindigkeit sein, mit welcher 
der Körper B die Strecke T in derselben Zeit S überwindet : 
wenn nun E zu G wie die Zeiten R zu S^ so wird O jene Ge- 
schwindigkeit sein, mit welcher der Körper B die Strecke T in 
der Zeit R zurücklegt. So haben wir also die Geschwindigkeit 
C, mit welcher der Körper A die Strecke V in der Zeit aS über- 
windet, und die Geschwindigkeit G, mit welcher der Körper B 
die Strecke T in der Zeit R zurücklegt, und es ist CzuG gleich 
C zu E mal JB zu G, aber C zu E^ wie die Strecken V zu T, 
und E zu G wie die Zeiten R zu S; folglich ist die Aufgabe 
gelöst. 

Sah, Soviel hat unser Autor über die gleichförmige Be- 
wegung geschrieben. Wir gehen nun über zu :einer feineren 
und durchaus neuen Betrachtung über die gleichförmig be- 
schleunigte Bewegung, wie eine solche die fallenden schweren 
Körper vollführen. Hier folgt der Titel und die Einleitung. 

Ueber die natürlich beschleunigte Bewegung. 

Bisher war die gleichförmige Bewegung behandelt worden, 
jetzt gehen wir zur beschleunigten Bewegung über. Zunächst 
muss eine der natürlichen Erscheinung genau entsprechende 
Definition gesucht und erläutert werden. Obgleich es durchaus 
gestattet ist, irgend eine Art der Bewegung beliebig zu ersinnen 



10 Galileo Galilei. 

und die damit zusammenliängenden Ereignisse zu betrachten 
(wie z. B. Jemand, der Schraubenlinien oder Conchoiden aus 
gewissen Bewegungen entstanden gedacht hat, die in der Natur 
gar nicht vorkommen mögen, doch aus seinen Voraussetzungen 
die Haupteigenschaften wird erschliessen können), so haben wir 
uns dennoch entschlossen, diejenigen Erscheinungen zu betrach- 
ten, die bei den frei fallenden Körpern in der Natur vorkommen, 
und lassen die Definition der beschleunigten Bewegung zu- 
sammenfallen mit dem Wesen einer natürlich beschleunigten 
Bewegung. Das glauben wir schliesslich nach langen Ueber- 
legungen als das Beste gefunden zu haben, vorzüglich darauf 
gestützt, dass das, was das Experiment den Sinnen vorführt, 
den erläuterten Erscheinungen durchaus entspreche. Endlich 
hat uns zur Untersuchung der natürlich beschleunigten Bewe- 
gung gleichsam mit der Hand geleitet die aufmerksame Beob- 
achtung des gewöhnlichen Geschehens und der Ordnung der 
Natur in allen ihren Verrichtungen, bei deren Ausübung sie die 
allerersten einfachsten und leichtesten Hülfsmittel zu verwenden 
pflegt; denn wie ich meine, wird Niemand glauben, dass das 
Schwimmen oder das Fliegen einfacher oder leichter zu Stande 
gebracht werden könne als durch diejenigen Mittel, die die 
Fische und die Vögel mit natürlichem Instinct gebrauchen. 
Wenn ich daher bemerke , dass ein aus der Ruheläge von be- 
deutender Höhe herabfallender Stein nach und nach neue Zu- 
wüchse an Geschwindigkeit erlangt, warum soll ich nicht glauben, 
dass solche Zuwüchse in allereinfachster, Jedermann plausibler 
Weise zu Stande kommen? Wenn wir genau aufmerken, werden 
wir keinen Zuwachs einfacher finden, als denjenigen, der in 
immer gleicher Weise hinzutritt. Das erkennen wir leicht, wenn 
wir an die Verwandtschaft der Begriffe der Zeit und der Bewe- 
gung denken: denn wie die Gleichförmigkeit der Bewegung 
durch die Gleichheit der Zeiten und Räume bestimmt und er- 
fasst wird (denn wir nannten diejenige Bewegung gleichförmig, 
bei der in gleichen Zeiten gleiche Strecken zurückgelegt wur- 
den), so können wir durch ebensolche Gleichheit der Zeittheile 
die Geschwindigkeitszunahmen als einfach zu Stande gekommen 
erfassen : mit dem Geiste erkennen wir diese Bewegung als ein- 
förmig und in gleichbleibender Weise stetig beschleunigt, da in 
irgend welchen gleichen Zeiten gleiche Geschwindigkeitszu- 
nahmen sich addiren. So dass, wenn man vom Anfangspunkte 
der Zeit an ganz gleiche Zeittheilchen nimmt von der Ruhelage 
aus, die Fallstrecke hindurch , die Geschwindigkeit des ersten 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 1 1 

Zeittheils mitsammt dem Zuwachs des zweiten^ auf den doppelten 
Werth hinansteigt: in drei Zeittheilchen ist der Werth der drei- 
fache, in vieren der vierfache vom ersten. Deutlicher zu reden, 
wenn der Körper seine Bewegung nach dem ersten Zeittheile in 
gleicher Weise mit der erlangten Geschwindigkeit fortsetzte, so 
würde er halb so langsam gehen, als wenn in zwei Zeittheilchen 
die Geschwindigkeit erzeugt worden wäre; und so werden wir 
nicht fehlgehen, wenn wir die Vermehrung der Geschwindigkeit 
(intentionem velocitatis) der Zeit entsprechen lassen; hieraus 
folgt die Definition der Bewegung, von welcher wir handeln 
wollen. Gleichförmig oder einförmig beschleunigte Bewegung 
nenne ich diejenige, die von Anfang an in gleichen Zeiten gleiche 
Geschwindigkeitszuwüchse ertheilt. 

Sagr, Ich würde mich durchaus gegen diese oder gegen 
jede andere Definition, die irgend ein Schriftsteller ersonnen 
hätte, sträuben, weil sie alle willkürlich sind; ich darf meinen 
Zweifel aufrecht erhalten, ohne Jemand zu nahe zu treten, und 
fragen, ob solch eine völlig abstract aufgestellte Definition auch 
zutreffe, und ob sie bei der natürlich beschleunigten Bewegung 
statthabe. Da es scheint, dass unser Autor uns versichert, dass 
das, was er definirt, als natürliche Bewegung der schweren 
Körper sich offenbare, so würde ich gern einige Bedenken ge- 
hoben sehen, die mich verwirren'; nachher könnte ich mich mit 
um so grösserer Aufmerksamkeit den Demonstrationen hin- 
geben. 

Sah. Wohlan, mögen Sie, mein Herr, und auch Herr Am- 
plido die Schwierigkeiten hervorheben ; ich glaube, es werden 
dieselben sein, deren ich mich selbst noch entsinne, als ich zum 
ersten Male diese Abhandlung sah, und die theils vom Autor 
selbst unterdrückt wurden, theils durch eigenes Nachdenken 
schwanden. 

Sagr, Denke ich mir einen schweren Körper aus völliger 
Kühe in die Bewegung eintreten, und zwar so, dass die Ge- 
schwindigkeit vom ersten Zeittheil an so wächst, wie die Zeit ; 
und habe der Körper in acht Pulsschlägen acht Geschwindig- 
keitsgrade erlangt, von welchen im vierten Pulsschlage er nur 
deren vier hatte, in dem zweiten zwei, im ersten einen, so würde, 
da die Zeit ohne Ende theilbar ist, daraus folgen, dass, wenn 
wir die vorangehenden Geschwindigkeiten in entsprechendem 
Verhältniss vermindert denken wollten, es keine noch so kleine 
Geschwindigkeit, oder besser keine noch so grosse Langsamkeit 
gäbe, in welcher der Körper sich nicht befunden haben müsste 



12 Galileo Galilei. 

nach seinem Abgange aus der Ruhe. Wenn er mit der in vier 
Pulsschlägen erlangten Geschwindigkeit, wenn sie sich gleich 
bliebe, in einer Stunde zwei Meilen, und mit der in zwei Puls- 
schlägen erlangten Geschwindigkeit er eine Meile in der Stunde 
zurückgelegt hätte, so muss man behaupten, dass in Zeittheil- 
chen, die sehr nahe seiner ersten En^egung liegen, die Bewegung 
so langsam gewesen sein muss, dass (wenn er diese Geschwin- 
digkeit beibehielte) er eine Meile weder in einer Stunde, noch 
in einem Tage, noch in einem, noch in tausend Jahren, und 
selbst in grösserer Zeit nicht einmal einen Fingerbreit zurück- 
gelegt hätte: eine Erscheinung, der wir schwer mit unserer 
Phantasie folgen können, da unsere Sinne uns lehren, dass ein 
schwerer Körper sofort grosse Geschwindigkeit erlangt. 

Sah, Ebendieselbe Schwierigkeit hat mir Anfangs zu denken 
gegeben, aber bald habe ich sie überwunden; und zwar gelang 
mir das durch denselben Versuch, den Ihr soeben vorbrachtet. 
Ihr sagtet, dass der Körper, alsobald .nachdem er die Ruhelage 
verlassen, eine sehr merkliche Geschwindigkeit habe ; ich sage 
nun, derselbe Versuch lehrt mich die ersten Anläufe eines noch 
so schweren Körpers als sehr langsam erkennen. Setzt einen 
schweren Körper auf eine Unterlage ; diese giebt nach, bis sie 
gedrückt wird mit dem vollen Gewicht ; nun ist es klar, dass, 
wenn wir den Körper eine Elle hoch heben oder zwei, und wenn 
wir ihn auf dieselbe Unterlage fallen lassen, beim Aufprallen 
ein neuer und stärkerer Druck hervorgerufen werden wird, als 
vorhin allein durch den Druck; und die Wirkung wird vom 
fallenden Körper verursacht sein, d. h. von seinem Gewichte im 
Verein mit der im Fall erlangten Geschwindigkeit, eine Wir- 
kung, die um so grösser sein wird, von je grösserer Höhe der 
Körper herabfällt, d. h. je grösser die Geschwindigkeit beim 
Aufprallen ist. Welches nun auch die Geschwindigkeit eines 
fallenden Körpers sei, wir können dieselbe mit Sicherheit er- 
schliessen aus der Art und Intensität des Stosses. Aber sagt 
mir, meine Herren, wenn ein Block auf einen Pfahl aufschlägt 
aus 4 Ellen Höhe herabfallend, und letzteren etwa vier Finger 
tief in die Erde treibt, so wird derselbe, von zwei Ellen Höhe 
fallend, ihn weniger antreiben, und noch weniger von einer Elle 
Höhe, desgleichen von einer Spanne Höhe ; und wenn endlich 
der Block nur einen Finger breit fällt, was wird er mehr thun, 
als wie wenn man ohne Stoss ihn niedergesetzt hätte? gewiss 
recht wenig und völlig unmerkbar wäre die Wirkung, wenn der 
Block um eines Blattes Dicke erhoben worden wäre. Wenn nun 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 1 3 

die Wirkung des Stosses von der erlangten Geschwindigkeit 
abhängt, wer wird alsdann zweifeln, dass die Bewegung sehr 
langsam und mehr als sehr klein die Geschwindigkeit sei, bei 
welcher die Wirkung unmerklich ist? Man erkennt hier die 
Macht der Wahrheit, da derselbe Versuch, der eine gewisse 
Ansicht beim ersten Anblick zu beweisen schien, bei genauerer 
Betrachtung uns das Gegentheil lehrt. Aber auch ohne Berufung 
auf solch einen Versuch (der wohl sehr überzeugend ist) seheint 
mir, kann man durch einfache Ueberlegung solch eine Wahrheit 
erkennen. Denken wir uns einen schweren Stein in der Luft in 
Ruhelage; man nimmt ihm die Stütze und versetzt ihn in Frei- 
heit; da er schwerer als Luft ist, fällt er hinab, und nicht mit 
gleichförmiger Bewegung, sondern anfänglich langsam, dann 
stetig beschleunigt; und da Geschwindigkeit ohne Grenze ver- 
mehrt und vermindert werden kann, was sollte mich zur An- 
nahme bringen, dass solch ein Körper, der mit unendlich grosser 
Langsamkeit beginnt (denn so ist die Ruhe beschaffen), weit 
eher ganz plötzlich zehn Geschwindigkeitsgrade erlange, als 
vier, oder eher diese als eine von zwei Graden, oder von einem, 
oder einem halben, oder einem hundertsten und überhaupt 
irgend einen der noch vorhandenen unendlich vielen kleineren 
Geschwindigkeitsgrade? Merket auf, ich bitte. Ich glaube nicht, 
dass Ihr mir widerstreben werdet zuzugeben, dass die Erlangung 
der Geschwindigkeit des fallenden Steines vom Zustand der 
Ruhe an in derselben Ordnung vor sich gehen könne, wie die 
Verminderung und der Verlust jener Geschwindigkeitsgrade, 
wenn er von einer antreibenden Kraft in die Höhe geschleudert 
worden wäre bis zu derselben Höhe; aber wenn dem so ist, so 
erscheint es mir unzweifelhaft, dass bei der Verminderung der 
Geschwindigkeit des aufsteigenden Steines, da sie schliesslich 
ganz vernichtet wird, derselbe nicht früher zur Ruhe kommen 
könne, als bis er alle Grade von Langsamkeit durchgemacht hat. 

SimpL Aber wenn die Grade immer grösserer und grösserer 
Langsamkeit unendlich an Zahl sind, dann werden sie niemals 
sämmtlich erschöpft sein ; daher solch ein aufsteigender schwerer 
Körper niemals zur Ruhe gelangen könnte, sondern sich unend- 
lich lange wird bewegen müssen, dabei immer langsamer wer- 
dend, was denn doch nicht in Wirklichkeit zutrifft. 

Salv. Es würde zutreffen, Herr Simplicio^ wenn der Körper 
einige Zeit hindurch sich in jedem Geschwindigkeitsgrade be- 
wegen würde; allein er geht über einen jeden Werth sofort 
hinaus, ohne mehr als einen Augenblick bei demselben zu 



14 Galileo Galilei. 

verweilen, und da in einem jeden anch noch so kleinen Zeit— 
theìlcben es nnendlich viele Augenblicke giebt, so sind diese 
letzteren recht wohl hinreichend, den nnendlich vielen Graden 
von verminderter Geschwindigkeit zn entsprechen. Dass zndem 
ein solch aufsteigender Körper keine endliche Zeit hindurch bei 
irgend einem Geschwindigkeitswerthe beharrt, kann auch folgen- 
dermaassen gezeigt werden : gesetzt es könnte eine endliche Zeit 
hierfdr angegeben werden , so würde sowohl in dem ersten 
Augenblicke einer solchen Zeit, als auch in dem letzten der 
fragliche Körper ein und denselben Geschwindigkeitswerth 
haben und von diesem zweiten Werthe ganz ebenso hinauf ge- 
schafft werden, wie vom ei*sten zum zweiten, und aus demselben 
Grunde würde er vom zweiten zum dritten Werthe gelangen, und 
endlich in gleichförmiger Bewegung bis ins Unendliche verharren. 

Sagr, Auf Grund dieser üeberlegung, scheint mir, könnte 
man eine recht zutreffende Lösung der von Philosophen erörter- 
ten Frage gewinnen, welches die Ursache der Beschleunigung 
bei der natürlichen Bewegung schwerer Körper sei. Denn 
ich finde, dass beim emporgeworfenen Körper die anfänglich 
mitgetheilte Kraft (virtù) stetig abnimmt, und den Körper fort-* 
während erhebt, bis sie gleich der entgegenwirkenden Schwer- 
kraft geworden ist, und nachdem beide ins Gleichgewicht ge- 
langt sind, der Körper aufhört zu steigen und in den Zustand 
der Ruhe gelangt, in welchem der mitgetheilte Schwung nicht 
anders vernichtet ist, als in dem Sinne, dass der Ueberschuss 
verzehrt ist, der Anfangs das Gewicht des Körpers übertraf und 
mittelst dessen der Aufstieg zu Stande kam. Indem nun die 
Verminderung dieses fremden Antriebes fortdauert, und indem 
späterhin das Uebergewicht zu Gunsten der Schwere des Kör- 
pers eintritt, beginnt das Niedersinken, aber sehr langsam im 
Gegensatz zum mitgetheilten Antriebe, der zum grossen Theile 
dem Körper noch verbleibt; da derselbe aber stetig vermindert 
wird, da in immer höherem Maasse die Schwere überwiegt, so 
entsteht hierdurch die stetige Beschleunigung der Bewegung. 

SimpL Der Gedanke ist scharfsinnig, aber eher fein gedacht 
als stichhaltig (saldo). Denn was da zutreffend erscheint, ent- 
spricht nur jener natürlichen Bewegung, der eine heftige Be- 
wegung voranging, und bei welcher noch ein bedeutender Theil 
des äusseren Antriebes beharrt ; wo aber kein solcher Rest vor- 
handen ist, der Körper vielmehr von einer länger bestehenden 
Ruhe aus sich bewegt, da hat alle jene Üeberlegung keine Gel- 
tung (cessa la forza). 



Unterredungen und mathematische'Denionstrationen etc. 15 

Sagr» Ich glaube, Ihr seid im Irrthum, und die von Euch 
beliebte Unterscheidung ist überflüssig, oder besser, sie ist 
nichtig. Denn sagt mir, ob nicht im aufgeworfenen Körper 
bald viel, bald wenig Antrieb vorhanden sein kann, so dass er 
100 Ellen aufsteigen kann, oder auch 20, 4 oder eine? 

SimpL Das ist gewiss. 

Sagr, Es wird also die mitgetheilte Kraft auch so wenig 
den Widerstand der Schwere überragen können, dass 4er Kör- 
per nur einen Finger breit aufsteigt ; und endlich kann der mit- 
getheilte Antrieb nur so gross sein, dass er genau gleich ist dem 
Widerstand der Schwere, so dass der Körper nun nicht mehr 
aufsteigt, sondern blos unterstützt bleibt. Wenn Ihr also einen 
Stein haltet, was thut Ihr anderes, als ihn so stark empor 
anzutreiben, als die Schwerkraft ihn hinabzieht? Und unter- 
haltet Ihr nicht immerfort dieselbe Auftriebskraft so lange, als 
Ihr den Körper in der Hand haltet? Nimmt sie vielleicht in 
dieser langen Zeit ab? Diese Unterstützung aber, die den Stein 
am Fallen hindert , was macht es aus, ob Eure Hand dieselbe 
leistet, oder ein Tisch, oder ein Seil, an dem er angehängt ist? 
Doch gewiss gar nichts. Also folgert daraus , Herr Simplicio ^ 
dass die Frage, ob eine kurze oder lange Ruhezeit dem Falle 
vorangeht, oder eine nur augenblickliche, gar keinen Unter- 
schied bedingt, denn der Stein bleibt in Ruhe, so lange der An- 
trieb seiner Schwere entgegen wirkt, in dem Betrage, wie er 
zum Hervorbringen der Ruhe nöthig war. 

Sah, Es scheint mir nicht günstig, jetzt zu untersuchen, 
welches die Ursache der Beschleunigung der natürlichen Be- 
wegung sei, worüber von verschiedenen Philosophen verschie- 
dene Meinungen vorgeführt worden sind : einige führen sie auf 
die Annäherung an das Oentrum zurück, andere darauf, dass 
immer weniger Theile des Körpers auseinander gehen wollen ; 
wieder andere auf eine gewisse Vertreibung *des umgebenden 
Mittels, welches hinter dem fallenden Körper sich wieder 
schliesst und den Körper antreibt und von Stelle zu Stelle ver- 
jagt; alle diese Vorstellungen und noch andere müssen geprüft 
werden und man wird wenig Gewinn haben. Für jetzt verlangt 
unser Autor nicht mehr, als dass wir einsehen, wie er uns einige 
Eigenschaften der beschleunigten Bewegung untersucht und er- 
läutert (ohne Rücksicht auf die Ursache der letzteren), so dass 
die Momente seiner Geschwindigkeit vom Anfangszustande der 
Ruhe aus stets anwachsen jenem einfachsten Gesetze gemäss, 
der Proportionalität mit der Zeit, d. h. so, dass in gleichen Zeiten 



16 Galileo Galilei. 

gleiche Geschwindigkeitsan wüchse statt haben. Spllte sich 
zeigen^ dass die später zu besprechenden Erscheinungen mit der 
Bewegung der beschleunigt fallenden Körper übereinstimmen, 
80 werden wir annehmen dürfen, dass unsere Definition den 
Fall der schweren Körper umfasst und dass es wahr sei, dass 
ihre Beschleunigung proportional der Zeit sei, so lange die Be- 
wegung andauert. 

Sagr. So viel ich gegenwärtig verstehe, hätte man viel- 
leicht deutlicher ohne den Grundgedanken zu ändern so de- 
finiren können: Einförmig beschleunigte Bewegung ist eine 
solche, bei welcher die Geschwindigkeit wächst proportional der 
zurückgelegten Strecke; so dass z. B. nach einer Fallstrecke 
von vier Ellen die Geschwindigkeit doppelt so gross sei, als wenn 
er durch zwei Ellen gesunken wäre, und diese das doppelte von 
der bei einer Elle Fallstrecke erlangten Geschwindigkeit. Denn 
ohne Zweifel wird ein von sechs Ellen herabfallender Körper 
den doppelten Antrieb durch Stoss hervorrufen im Vergleich zu 
dem von drei Ellen Höhe her abkommenden, und den dreifachen 
Antrieb im Vergleiche zur Fallhöhe von zwei Ellen, den sechs- 
fachen zu der von einer Elle Höhe. 

Salv. Es ist mir recht tröstlich, in diesem Irrthum einen 
solchen Genossen gehabt zu haben; überdies muss ich Euch 
sagen, dass Eure Ueberlegung so wahrscheinlich zu sein scheint, 
dass selbst unser Autor eine Zeitlang, wie er mir selbst gesagt 
hat, in demselben Irrthum befangen war. Was mir aber am 
meisten Staunen erregt hat, war die Thatsache, dass zwei sehr 
wahrscheinlich klingende Behauptungen, die mir von Vielen, 
denen ich sie vorlegte, ohne weiteres zugestanden waren, — mit 
nur vier ganz schlichten Worten als ganz falsch und ganz un- 
möglich erwiesen wurden. 

SimpL Wahrlich, auch ich würde jenen Annahmen bei- 
pflichten; der fallende Körper erlangt im Falle seine Kräfte, 
indem die Geschwindigkeit proportional der Fallstrecke an- 
wächst, und das Moment des Stosses ist doppelt so gross, wenn 
die Fallhöhe die doppelte : diesen Sätzen kann man ohne Wider- 
streben beipflichten. 

Sah, Und dennoch sind sie dermaassen falsch und unmög- 
lich, wie wenn jede Bewegung instantan wäre. Folgendes ist 
die allerdeutlichste Erläuterung. Wenn die Geschwindigkeiten 
proportional den Fallstrecken wären, die zurückgelegt worden 
sind oder zurückgelegt werden sollen, so werden solche Strecken 
in gleichen Zeiten zurückgelegt; wenn also die Geschwindigkeit, 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 1 7 

mit welcher der Körper vier Ellen überwand, das doppelte der 
Geschwindigkeit sein solle, mit welcher die zwei ersten Ellen 
zurückgelegt wurden, so müssten die zu diesen Vorgängen nöthi- 
gen Zeiten einander ganz gleich sein ; aber eine Ueberwindung 
von vier Ellen in derselben Zeit wie eine von zwei Ellen kann 
nur zu Stande kommen, wenn es eine instantane Bewegung giebt; 
wir sehen dagegen, dass der Körper Zeit zum Fallen gebraucht, 
und zwar weniger für zwei als für vier Ellen Fallstrecke ; also 
ist es falsch, dass die Geschwindigkeiten proportional der Fall- 
strecke wachsen. Auch die andere Behauptung kann ebenso 
deutlich als irrig erwiesen werden. Der stossende Körper ist 
in beiden Fällen derselbe; die Differenz des Stossmomentes 
kann daher nur auf den Unterschied der Geschwindigkeit be- 
zogen werden. Wenn der von doppelter Höhe fallende Körper 
einen Stoss von doppeltem Moment erzeugt, so müsste er mit 
doppelter Geschwindigkeit aufprallen; aber die doppelte Ge- 
schwindigkeit überwindet die doppelte Strecke in derselben Zeit, 
während wir die Fallzeit mit der Höhe zunehmen sehen. 

Sagr. Mit zu viel Evidenz und Gewandtheit erklärt Ihr uns 
die verborgensten Dinge ; diese Fertigkeit macht, dass wir die 
Erkenntniss weniger schätzen, als wir damals zu thun glaubten, 
als wir noch der Wahrscheinlichkeit des Gegentheils huldigten. 
Die mit wenig Mühe errungenen allgemeinen Kenntnisse würdigt 
man wenig im Vergleich zu denen, die mit langen unerklärbaren 
Vorstellungen umgeben sind. 

Sah. Es wäre sehr traurig, wenn denjenigen, welche kurz 
und deutlich die Irrthümer allgemein für wahr gehaltener Sätze 
aufdecken, statt Beifall nur Missachtung gezollt würde; aber 
eine bittere und lästige Empfindung wird bei denjenigen erweckt, 
die auf demselben Studiengebiet sich jedem Anderen gewachsen 
glauben und dann erkennen, dass sie das als richtige Schluss- 
folgerung zugelassen haben, was später von einem Anderen 
mit kurzer leichter Ueberlegung aufgedeckt und als irrig gekenn- 
zeichnet wurde. Ich möchte solch eine Empfindung nicht Neid 
nennen, der gewöhnlich in Hass und Zorn gegen den Aufdecker 
der Irrthümer ausartet , viel eher wird es eine Sucht und ein 
Verlangen sein , altgewordene Irrthümer lieber aufrecht zu er- 
halten, als zuzugestehen dass neuentdeckte Wahrheiten vor- 
liegen, und dieses Verlangen verführt die Leute oft, gegen voll- 
kommen von ihnen selbst erkannte Wahrheiten zu schreiben, 
blos um die Meinung der grossen und wenig intelligenten Menge 
gegen das Ansehen des Anderen aufzustacheln. Von solchen 

Ostwald's Klassiker. 24. 9 



1 8 Galileo Galilei. 

falschen Lehren und leichtfertigen Widerlegungen habe ich oft 
unseren Academiker reden gehört ^ und ich habe sie mir wohl 
gemerkt. 

Sagr. Sie sollten uns dieselben nicht vorenthalten, sondern 
gelegentlich mittheilen, selbst wenn wir in diesem Interesse eine 
besondere Zusammenkunft vereinbaren müssten. 

Unser Gespräch wieder aufnehmend, will mir scheinen, dass 
wir bis jetzt die Definition der gleichförmig beschleunigten Be- 
wegung festgestellt haben, auf welche die folgenden Unter- 
suchungen sich beziehen, nämlich : 

Die gleichförmig oder einförmig beschleunigte Bewegung 
ist eine solche, bei welcher in gleichen Zeiten gleiche Geschwin- 
digkeitsmomente hinzukommen. 

Sah. Nach Feststellung dieser Definition stellt unser Autor 
eine Voraussetzung als wahr auf, nämlich : 

Die Geschwindigkeitswerthe , welche ein und derselbe Kör- 
per bei verschiedenen Neigungen einer Ebene erlangt, sind ein- 
ander gleich, wenn die Höhen dieser Ebenen einander gleich sind. 

Der Autor nennt »Höhe einer geneigten Ebene« das Loth, 
welches vom höchsten Punkte der Ebene auf ein und dieselbe 

horizontale Ebene gefällt werden kann, welche 
durch die untersten Punkte der Ebene gelegt 
wird. Wenn also BA parallel dem Horizont 
(Fig. 44), über welchem die geneigten Ebenen 
CA^ Ol) sich erheben, so wird das Loth CJ5, 
senkrecht zur Horizontalen BA, die Höhe 
beider Ebenen CA, CD genannt. Er nimmt 
an, dass der längs CAy OD sich bewegende Körper, wenn er 
in A und D anlangt, gleiche Geschwindigkeit habe, weil sie 
gleiche Höhe OB haben. Und zwar ist die Geschwindigkeit 
dieselbe, wie der Körper sie bei freiem Falle von aus in B 
erlangt hätte. 

Sagr. Wahrlich, diese Annahme scheint mir dermaassen 
wahrscheinlich, dass sie ohne Controverse zugestanden werden 
müsste, vorausgesetzt immer, dass alle zufälligen und äusseren 
Störungen fortgeräumt seien, und dass die Ebenen durchaus fest 
und glatt seien, und der Körper von vollkommenster Rundung 
sei, kurz Körper und Ebene frei von jeder Rauhigkeit seien. 
Wenn alle Hindernisse fortgeräumt sind, sagt mir mein natür- 
licher Verstand, dass ein schwerer, vollkommen runder Stab 
längs den Linien OA, OD^ OB mit gleichen Geschwindig- 
keiten m Aj Dj B ankommen würde. 




Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 19 




Sah, Ihr findet das sehr wahrscheinlich; allein über die 
Wahrscheinlichkeit hinans will ich Euch so sehr die Argumente 
vermehren, dass Ihr es fast für einen zwingenden Beweis aner- 
kennen sollt. Es stelle dieses Blatt eine auf der Horizontalebene 
errichtete Wand dar, und an einem in derselben befestigten 
Nagel hänge eine Kugel aus 
Blei von 1 oder 2 Unzen Ge- 
wicht, befestigt an einem dün- 
nen Faden AB (Fig. 45) von 
2 oder 3 Ellen Länge ; auf der 
Wand verzeichne man eine 
horizontale Linie DC, senk- ^ 
recht zum Faden AB^ welcher 
ungefähr 2 Finger breit von der 
Wand abstehen mag. Bringt - 
man den Faden AB mit der 
Kugel nach AC^ und lässt man 

die Kugel los, so wird dieselbe fallend den Bogen CB D be- 
schreiben, indem sie so schnell den Punkt B durcheilt, dass sie 
um den Bogen BD ansteigt fast bis zur Horizontalen CD, in- 
dem sie um ein sehr kleines Stück zurückbleibt, da in Folge des 
Widerstandes der Luft und des Fadens sie an der präcisen 
Wiederkehr gehindert wird. Hieraus können wir sicher schlies- 
sen, dass die im Punkte B erlangte Geschwindigkeit der Kugel 
beim Hinabfallen durch den Bogen CB genüge, um den Anstieg 
um einen gleich grossen Bogen BD zu bewirken zu gleicher 
Höhe; nach häufiger Anstellung dieses Versuches wollen wir 
in der Wand bei E einen Nagel anbringen oder in F. 5 oder 6 
Finger breit nach vorne, damit der Faden A (7, wenn er mit 
der Kugel nochmals nach CB gelangt und den Punkt B erreicht 
hat, beim Nagel E festgehalten, und die Kugel gezwungen 
wird, den Bogen BG zu beschreiben um den Mittelpunkt E 
herum, wobei wir erkennen werden, was ebendieselbe Geschwin- 
digkeit leistet, die vorhin denselben Körper durch den Bogen 
BD hinauf bis zum Horizonte CD förderte. Nun, meine Her- 
ren, werden Sie mit Wohlgefallen bemerken, dass die Kugel im 
Punkte G wiederum den Horizont erreicht, und ebendasselbe ge- 
schieht, wenn das Hemmniss sich tiefer befände, wie inl^, wobei die 
Kugel den Bogen £/ beschreibt, den Aufstieg stets im Horizonte 
CD beendend, und wenn der hemmende Nagel so tief stünde, 
dass der Rest des Fadens nicht mehr den Horizont CD erreichen 
könnte (was offenbar einti^äte, wenn er näher zu B als zum 

2* 



20 Galileo Galilei. 

Durchschnitt von A B mit CD läge) , so würde der Faden den 
Nagel umschlingen. Dieser Versuch lässt keinen Zweifel auf- 
kommen hinsichtlich der Wahrheit des aufgestellten Satzes. 
Denn, da die Bögen CB^ DB einander gleich sind und sym- 
metrisch (similmente) liegen, so wird das beim Sinken durch 
den Bogen CB erlangte Moment ebenso gross sein, wie die Wir- 
kung durch den Bogen DB\ aber das in B erlangte, durch CB 
hindurch erzeugte Moment vermag denselben Körper durch den 
Bogen B DzxL heben ; folglich wird auch das beim Fallen durch 
DB hervorgerufene Moment gleich sein demjenigen, welches 
denselben Körper vorher von B bis D zu fördern vermochte, 
sodass allgemein jedes beim Fallen erzeugte Moment gleich dem- 
jenigen ist, welches den Körper durch denselben Bogen zu er- 
heben im Stande ist: aber alle Momente, die den Körper durch 
die Bögen BDj BG, BJ zu heben vermochten, sind einander 
gleich, da sie stets durch das Fallen durch CB entstanden 
waren, wie der Versuch es lehrt: folglich sind auch alle Mo- 
mente, die durch die Senkung durch die Bögen DB^ GB, JB 
hervorgerufen werden, einander gleich. 

Sagr. Diese Erläuterung erscheint so folgerichtig und der 
Versuch ist so sehr geeignet, die Behauptung zu bewähren, dass 
die letztere so gut wie bewiesen erscheinen muss. 

Sah, Ich denke, Herr Sagredo, wir werden uns darüber 
keine Sorge machen, dass wir unseren Satz anwenden wollen 
auf die Bewegung längs ebenen Flächen, und nicht längs ge- 
krümmten, auf welchen die Beschleunigung in ganz anderen Be- 
trägen zunimmt, als wie wir sie auf ebenen Flächen annehmen. 
Wenn also auch das Experiment uns lehrt, dass der Fall durch 
den Bogen CB dem Körper solch einen Impuls ertheilt, dass 
derselbe auf dieselbe Höhe gehoben werden kann durch irgend 
einen Bogen BD^ BG, BJ, so können wir nicht mit gleicher 
Evidenz zeigen, dass ebendasselbe geschehe, wenn eine durch- 
aus vollkommene Kugel längs ebener Flächen hinabfiele, die 
geneigt sind wie die Sehnen eben dieser Bögen ; im Gegentheil 
ist es wahrscheinlich, dass, da diese ebenen Flächen Winkel 
bilden im Endpunkte B, die Kugel nach dem Fall längs der 
Sehne CB einen Widerstand erleidet an der ansteigenden Ebene 
längs den Sehnen BD, BG, BJ, daher ein Theil des Impulses 
beim Anprall verloren gehen müsste, sodass der Anstieg nicht 
mehr bis zum Horizonte CD erfolgen könnte. Schafft man das 
Hinderniss fort, welches den Versuch beeinträchtigt, so scheint 
es mir wohl verständlich, dass der Impuls (der in sich den Effekt 



Unterredungen nnd mathematische Demonstrationen etc. 21 

der gesammten Fallkraft birgt), hinreichen müsste, den Körper 
auf dieselbe Höhe zu erheben. Wollen wir nunmehr dieses gel- 
ten lassen als Postulat; die absolute Eichtigkeit wird uns später 
einleuchten, wenn wir die Folgerungen aus solcher Hypothese 
eintreffen und genau mit dem Versuch übereinstimmen sehen. 
Nachdem der Autor dieses eine Princip vorausgesetzt, geht er 
zu strengen Schlussfolgerungen über, deren erste hier folge. 

Theorem I, Propos. I, 

»Die Zeit, in welcher irgend eine Strecke von einem Körper 
von der Ruhelage aus mittelst einer gleichförmig beschleunigten 
Bewegung zurückgelegt wird, ist gleich der Zeit, in welcher die- 
selbe Strecke von demselben Körper zurückgelegt würde mittelst 
einer gleichförmigen Bewegung, deren Geschwin- 
digkeit gleich wäre dem halben Betrage des hoch- c 

sten und letzten Geschwindigkeitswerthes bei jener g, ,a 

ersten gleichförmig beschleunigten Bewegung.«^) 

Es stelle AB (Fig. 46) die Zeit dar, in wel- 
cher der Körper aus der Ruhelage O bei gleich- 
förmig beschleunigter Bewegung die Strecke CD 
zurücklegt; man verzeichne die während der Zeit 
^jB in einzelnen Zeittheilchen allmählich ver- 
mehrten Geschwindigkeitsbeträge , zuletzt BB 
(senkrecht auf AB) : man ziehe AB sowie meh- 
rere zu EB parallele äquidistante Linien, so wer- 
den diese die wachsenden Geschwindigkeitswerthe 
darstellen. Man halbire EB in F^ ziehe die Parai- pj~ 45 
lelen i^G zu 5^ und G^ zu i^Ä. Das Pai-al- 
lelogramm AGFB wird dem Dreieck ^£5 gleich sein, da 
die Seite GF die Linie A E halbirt im Punkte J: denn wenn 
die Parallelen im Dreieck A EB bis nach GJF verlängert wer- 
den, so wird die Summe aller Parallelen, die im Viereck ent- 
halten sind, gleich denen im Dreieck AEB sein; denn was in 
/jBi^' liegt, ist gleich dem in GJA Enthaltenen; während das 
Trapez AJFB beiden gemeinsam ist. Da ferner einem jeden 
Zeittheilchen innerhalb AB eine Linie entspricht, und alle 
Punkte von AB^ von denen aus m AEB Parallelen gezogen 
wurden, die wachsenden Geschwindigkeitswerthe darstellen, 
während dieselben Parallelen innerhalb des Parallelogramms 
ebensoviel Werthe gleichförmiger Geschwindigkeit abbilden: 
so ist es klar, dass die sämmtlichen Geschwindigkeitsmomente 



G 


— /- 

T 











B 
J) 



r 



22 



Galileo Galilei. 



bei der beschlennigten Bewegung dargestellt sind in den wach- 
senden Parallellinien von AEB, und bei der gleichförmigen 
Bewegung in denjenigen des Parallelogramms GB: denn was 
an Bewegungsmomenten in der ersten Zeit der Bewegung fehlt 
(d. h. die Werthe von AGJ], wird ersetzt durch die Parallelen 
in JEF, Folglich werden zwei Körper gleiche Strecken in ein 
und derselben Zeit zurücklegen, wenn der eine aus der Ruhe 
gleichförmig beschleunigt sich bewegt, der andere mit gleich- 
förmiger Geschwindigkeit gleich dem halben Betrage des bei 
beschleunigter Bewegung erreichten Maximalwerthes, w. z. b. w. 



p 4e 



H 
L 



N 



Theorem II. Propos, II. 

»Wenn ein Körper von der Ruhelage aus gleichförmig be- 
schleunigt fällt, so verhalten sich die in gewissen Zeiten zurück- 
gelegten Strecken wie die Quadrate der Zeiten.«^) 

Man stelle den Verlauf der Zeit von einem 
Augenblick A an dar durch die Linie AB (Fig. 47), 
in welcher zwei Theilchen AD, A E gedacht wer- 
den mögen; sei ferner HJ die Strecke, die der 
Körper aus der Ruhelage AT zurücklegt mit gleich- 
förmiger Beschleunigung ; sei ferner HL zurück- 
gelegt im ersten Zelttheilchen A Z>, dagegen HM 
in der Zeit AE. Ich behaupte, iff^ verhalte sich 
zur Strecke HL, wie die Quadrate der Zeiten E A 
und A D. Man verzeichne A C unter irgend einem 
Winkel geneigt gegen AB\ aus den Punkten 2>, 
E ziehe man Parallelen D O, EP, und sei D O 
die Endgeschwindigkeit (maximus gradus veloci- 
tatis) im Augenblick D\ desgleichen PE die 
Endgeschwindigkeit im Augenblicke E am Ende 
der Zeit AE. Da oben bewiesen worden ist, dass 
die zurückgelegten Strecken bei gleichförmig be- 
schleunigter Bewegung und bei gleichförmiger Be- 
wegung mit halber Endgeschwindigkeit gleich sind, so ist es klar, 
dass die Strecken MH, LH ebenso gross sind, wie sie bei 
gleichförmiger Bewegung mit Geschwindigkeiten \PE und 
\01)m Zeiten EA, DA zurückgelegt worden wären. Wenn 
man nun zeigen könnte, dass diese Strecken MH, LH sich 
verhalten wie die Quadrate von EA, DA, so ist der Satz be- 
wiesen. Aber im vierten Satze des ersten Buches ward gezeigt, 
dass bei gleichförmiger Bewegung die Strecken ein zusammen- 



Fig. 47 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 23 

gesetztes Verhältniss haben aus dem Verhältniss der Geschwin- 
digkeiten und dem Verhältniss der Zeiten : hier aber verhalten 
sich die Geschwindigkeiten wie die Zeiten (denn wie \PE zu 
^OD, oder wie PE zu OD, so verhält sich AE zu AD], 
folglich verhalten sich die Strecken wie die Quadrate der Zeiten, 
w. z. b. w. 

Hieraus erhellt, dass die Strecken sich verhalten, wie die 
Quadrate der Endgeschwindigkeiten: d. h. von PE und OD, 
da PE zu OD wie E A zu DA. 



Zusatz I. 

»Aus dem Vorhergehenden folgt, dass, wenn vom Anfangs- 
punkte der Bewegung an gleiche Zeitgrössen genommen werden, 
wie AD, DE, EF, FG, in denen die Fallstrecken HL, LM, 
MN, iVV zurückgelegt werden, die letzteren sich wie die Reihe 
der ungeraden Zahlen, also wie 1, 3, 5, 7 verhalten. Denn so 
gross ist das Verhältniss der Excesse der Quadrate von Linien, 
die gleichviel von einander differiren, und deren Zuwüchse gleich 
sind der kleinsten aller Linien : mit anderen Worten, der Unter- 
schied der Quadrate aller Zahlen von 1 an. Während also die 
Geschwindigkeit wie die einfache Zahlenreihe in gleichen Zeiten 
anwächst, werden die in diesen einzelnen Zeiten zurückgelegten 
Strecken wie die Reihe der ungeraden Zahlen sich verhalten.« 

Sagr, Bitte, unterbrechet ein wenig die 
Lektüre, weil ich einen wunderlichen Einfall 
habe, den ich mit einer Zeichnung erläutern 
möchte. Mit der Linie AJ (Fig. 48) be- 
zeichne ich die Zeit vom Augenblicke A an. 
Unter einem beliebigen Winkel trage ich die 
Gerade ^i^ bei A an, vereinige die End- 
punkte J, F, halbire AJ m C und ziehe 
CB parallel JF. Nun betrachte ich CB 
als Maximum der Geschwindigkeit, die von 
A an gleichförmig gewachsen ist bis BC, 
sodass das Dreieck ABC entsteht (demge- 
mäss die Geschwindigkeit anwächst wie die 
Zeit) ; ich nehme auf Grund unserer Erläuterungen ohne Weite- 
res an, dass die bei beschleunigter Bewegung zurückgelegte 
Strecke gleich sei der bei gleichbleibender Geschwindigkeit, 
deren Betrag jE/C gleich ^5(7 wäre. Nachdem nun ferner der 
Körper in C die Geschwindigkeit B C erlangt hat, so würde er, 




Fig. 48. 



24 Galileo Galilei. 

wenn er diese letztere behielte ohne neue Beschleunigung, in 
dem folgenden Zeittheile CJ den doppelten Weg zurücklegen 
im Vergleich zu dem, den er in der ebenso grossen Zeit .A C 
beschrieb mit der Geschwindigkeit EC gleich \BC, Da aber 
der Körper in allen gleichen Zeiten gleiche Beschleunigungen 
erfährt, wird er vom Werthe C 5 an in dem folgenden Zeittheil 
CJ dieselben Geschwindigkeitszuwüchse erfahren entsprechend 
den Parallelen des Dreieckes BFG, gleich Dreieck ABC. 
Fügt man zum Werthe GJ die Hälfte von FG^ dem in der be- 
schleunigten Bewegung erreichten Maximum, so erhalten wir 
den Werth /iV, mit welchem gleichförmig der Körper während 
der Zeit CJ sich bewegt hätte; dieser Werth JNi^i das Drei- 
fache von ^Cund entspricht der Strecke, die in dem zweiten 
Zeittheil C/ zurückgelegt wird, und ist zugleich dem Dreifachen 
der im ersten Zeittheil zurückgelegten Strecke gleich. Und las- 
sen wir auf ^/ einen neuen Zeittheil JO folgen, und das Drei- 
eck bis APO anwachsen, so wird bei fortgesetzter Bewegung^ 
durch die Zeit JO mit einem Geschwindigkeitswerthe JFj der 
bei beschleunigter Bewegung in der Zeit AJ erlangt ist, da 
JF das Vierfache von EC^ die in der Zeit JO zurückgelegte 
Strecke das Vierfache betragen von dem Wege in der ersten 
Zeit AC\ bei fortgesetzter Vergrösserung des Dreieckes bis 
FPQ^ welches ähnlich ABC sein wird, muss, auf gleichförmige 
Bewegung bezogen, ein Werth gleich EC hinzukommen, und 
wenn wir den Zuwachs QR gleich EC hinzufügen, so haben 
wir für die ganze gleichförmige Bewegung in der Zeit JO das 
Fünffache der gleichförmigen Bewegung im ersten Zeittheil A Cy 
mithin wird der Weg das Fünffache des im ersten Zeittheil A C 
zurückgelegten sein. Man sieht also auch in dieser einfachen 
Ueberlegung, dass bei gleichförmiger Beschleunigung die in 
gleichen Zeiten durchlaufenen Wege sich wie die ungeraden 
Zahlen 1, 3, 5 verhalten, und fasst man die Gesammtstrecken 
zusammen, so wird in doppelter Zeit der vierfache Weg, in drei- 
facher Zeit der neunfache Weg zurückgelegt, und allgemein 
werden die Wege wie die Quadrate der Zeiten sich verhalten. 

SimpL Ich habe wirklich mehr Geschmack gefunden an der 
einfachen und klaren Ueberlegung des Herrn Sagredo als an 
der mir etwas dunklen Beweisführung unseres Autors : so dass 
ich recht fest davon überzeugt bin, dass der Vorgang ein solcher 
sein müsse, vorausgesetzt nur, die Definition der gleichförmig 
beschleunigten Bewegung sei zugelassen. Ob aber die Be- 
schleunigung, deren die Natur sich bedient, beim Fall der Körper 



ünterredimgen und mathematische Demonstrationen etc. 25 

eine solche sei, das bezweifele ich noch, und deshalb würden 
ich und Andere, die mir ähnlich denken, es für sehr erwünscht 
halten, jetzt einen Versuch herbeizuziehen, deren es so viele 
geben soll, und die sich mit den Beweisen decken sollen. 

Sah, Ihr stellt in der That, als Mann der Wissenschaft, 
eine berechtigte Forderung auf, und so muss es geschehen in 
den Wissensgebieten , in welchen auf natürliche Gonsequenzen 
mathematische Beweise angewandt werden ; so sieht man es bei 
Allen, die Perspective, Astronomie, Mechanik, Musik und An- 
deres betreiben ; diese alle erhärten ihre Principien durch Ex- 
perimente, und diese bilden das Fundament des ganzen späteren 
Aufbaues : lasst uns es nicht für überflüssig halten , wenn wir 
mit grosser Ausführlichkeit diesen ersten und fundamentalen 
Gegenstand behandelt haben , auf welchem das immense Gebiet 
zahlloser Schlussfolgerungen ruht, von denen ein kleiner Theil 
von unserem Autor im vorliegenden Buche behandelt wird; 
genug , dass er den Eingang und die bisher den spekulativen 
Geistern verschlossene Pforte geöffnet hat. Der Autor hat es 
nicht unterlassen. Versuche anzustellen^ und um mich davon zu 
überzeugen , ^ass die gleichförmig beschleunigte Bewegung in 
oben geschildertem Verhältniss vor sich gehe, bin ich wiederholt 
in Gemeinschaft mit unserem Autor in folgender Weise vor- 
gegangen: 

Auf einem Lineale , oder sagen wir auf einem Holzbrette 
von 12 Ellen Länge, bei einer halben Elle Breite und drei Zoll 
Dicke, war auf dieser letzten schmalen Seite eine Rinne von 
etwas mehr als einem Zoll Breite eingegraben. Dieselbe war 
sehr gerade gezogen , und um die Fläche recht glatt zu haben, 
war inwendig ein sehr glattes und reines Pergament aufgeklebt ; 
in dieser Rinne Hess man eine sehr harte, völlig runde und 
glattpolirte Messingkngel laufen. Nach Aufstellung des Brettes 
wurde dasselbe einerseits gehoben , bald eine , bald zwei Ellen 
hoch; dann liess man die Kugel durch den Kanal fallen und 
verzeichnete in sogleich zu beschreibender Weise die Fallzeit 
für die ganze Strecke: häufig wiederholten wir den einzelnen 
Versuch , zur genaueren Ermittelung der Zeit, und fanden gar 
keine Unterschiede , auch nicht einmal von einem Zehntheil 
eines Pulsschlages. Darauf Hessen wir die Kugel nur durch ein 
Viertel der Strecke laufen, und fanden stets genau die halbe 
Fallzeit gegen früher. Dann wählten wir andere Strecken , und 
verglichen die gemessene Fallzeit mit der zuletzt erhaltenen und 
mit denen von f oder \ oder irgend anderen Bruchtheilen ; bei 



26 



Galileo Galilei. 



wohl hundertfacher Wiederholung fanden wir stets, dass die 
Strecken sich verhielten wie die Quadrate der Zeiten : und dieses 
zwar fär jedwede Neigung der Ebene , d. h. des Kanales, in dem 
die Kugel lief. Hierbei fanden wir ausserdem, dass auch die 
bei verschiedenen Neigungen beobachteten Fallzeiten sich genau 
so zu einander verhielten, wie weiter unten unser Autor dasselbe 
andeutet und beweist. Zur Ausmessung der Zeit stellten wir 
einen Eimer voll Wasser auf, iu dessen Boden ein enger Kanal 
angebracht war, durch den ein feiner Wasserstrahl sich ergoss, 
der mit einem kleinen Becher aufgefangen wurde, während einer 
jeden beobachteten Fallzeit: das dieser Art aufgesammelte 
Wasser wurde auf einer sehr genauen Waage gewogen ; aus den 
Differenzen der Wägungen erhielten wir die Verhältnisse der 
Gewichte und die Verhältnisse der Zeiten, und zwar mit solcher 
Genauigkeit, dass die zahlreichen Beobachtungen niemals merk- 
lieh (di un notabile momento) von einander abwichen. 

Simph Wie gern hätte ich diesen Versuchen beigewohnt ; 
aber da ich von Eurer Sorgfalt und Eurer wahrheitsgetreuen 
Wiedergabe überzeugt bin , beruhige ich mich und nehme die- 
selben als völlig sicher und wahr an. 

Sah. Nun, so können wir unsere Lektüre wieder aufneh- 
men und weiter gehen. 



Zusatz II. 

»Es folgt zweitens, dass, wenn vom Anfangspunkte der 
Bewegung an irgend zwei Strecken genommen werden, 
die in irgend zwei Zeiten zurückgelegt sind, diese Zeiten 
sich zu einander verhalten werden, wie die eine Strecke 
zur mittleren Proportionale aus beiden Strecken. Denn 
nimmt man vom Anfangspunkt /S (Fig. 49) zwei Strecken 
ST^ SY\ construire ferner deren mittlere Proportio- 
nale /SX; alsdann wird die Fallzeit durch ST sich 
zur Fallzeit durch S Y verhalten , wie ST zn SX; 
mit anderen Worten die Fallzeit durch SY zur Fall- 
zeit durch STj wie SY zu SX, Denn da bewiesen 
ist, dass die Strecken sich verhalten wie die Quadrate 
Fig. 49. der Zeiten, das Verhältniss aber der Strecken YS und 
ST gleich dem Quadrate des Verhältnisses YS zu 

aS'X, so ist es klar, dass die Fallzeiten durch SYy ST sich 

verhalten wie die Strecken YS, SX^). 



T 



X- 



Vi 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 27 



Scholium. 

Das was für senkrechten Fall bewiesen ist, gilt auch für den 
in beliebig geneigten Ebenen ; in solchen wird die Geschwindig- 
keit nach demselben Gesetz vermehrt, nämlich dem Wachsthum 
der Zeit gemäss, d. h. wie die Reihe ganzer Zahlen ') . 

Sah, Hier, Herr Sagredo, möchte ich, dass Sie mir, selbst 
auf die Gefahr hin , Herrn Simplicio zu langweilen , gestatten, 
die Lection ein wenig zu unterbrechen, um erklären zu können, 
wie viel auf Grund des bisher Bewiesenen, und auf Grund einiger 
Bemerkungen und Schlussfolgerungen unseres Akademikers, ich 
aus dem Gedächtniss hinzufügen kann zu weiterer Bekräftigung 
des oben durch Ueberlegung und Experimente dargestellten Ver- 
haltens ; denn es ist für die geometrische Beweisführung wichtig, 
einen elementaren Hülfssatz aus der Lehre von den Impulsen zu 
beweisen. 

Sagr, Wenn die Errungenschaft eine solche ist, wie Sie es 
in Aussicht stellen , so ist mir keine Zeit zu lang , um sie nicht 
gern der Vertiefung unserer Erkenntniss zu widmen in der Be- 
wegungslehre : und ich für mein Theü kann Euch nicht nur 
beipflichten, sondern bitte Euch dringend, meine erregte Wiss- 
begierde baldmöglichst zu befriedigen ; auch glaube ich , dass 
Herr Simplicio eben so denkt. 

Simpl, Ich stimme dem völlig bei. 

Sah, Mit Eurer Erlaubniss 
denn lasst uns die sehr bekannte 
Thatsache betrachten, dass die Mo- 
mente oder Geschwindigkeiten ein 
und desselben Körpers bei ver- 
schiedenen Neigungen der Ebene 
verschieden sind, und dass sie den 
höchsten Werth hat bei senkrechter 
Richtung gegen den Horizont, dass 
aber bei geneigter Ebene die Ge- 
schwindigkeit um so geringer ist, je 
mehr die Ebene vom Loth abweicht, 
daher der Impuls (l'impeto), die Fähigkeit (il talento), die Energie 
(Fenergia), oder sagen wir die Tendenz zum Fall (il momento del 
descendere) imKörper vermindert wird von der Ebene, aufweiche 
er sich stützt, und hinabgleitet. Zu besserem Verständniss sei 
AB (Fig. 50) eine senkrecht zum Horizonte A C errichtete Linie, 
darauf bringe man dieselbe in verschiedene Neigungen gegen 



Hö 




28 Galileo Galilei. 

den Horizont, wie in ^2>, AE, AFetG.] alsdann wird der 
Körper längs der Senkrechten B A den Maximalimpuls beim 
Fallen erhalten, einen geringeren längs DA, noch geringer 
längs EAy u. s. f. noch geringer längs FA, um schliesslich 
ganz zu verlöschen läugs einer Horizontalen CA, in welcher 
der Körper sowohl bei Bewegung wie in der Ruhe sich indiffe- 
rent verhält und von sich aus keine Tendenz zur Bewegung 
nach irgend einer Seite hat, wie er auch keinen Widerstand 
einer Bewegung entgegensetzt ; denn da es unmöglich ist , dass 
ein Körper sich von selbst nach oben bewegt und sich vom all- 
gemeinen Schwerpunkt (centro commune) entfernt, nach wel- 
chem alle schweren Körper hinstreben, so ist es auch unmöglich, 
dass er von selbst sich bewege, wenn bei solcher Bewegung 
sein eigener Schwerpunkt sich nicht dem allgemeinen Schwer- 
punkt nähert : daher auf der Horizontalen, die hier eine Fläche 
bedeutet, die überall gleich weit vom allgemeinen Schwerpunkt 
absteht und deshalb thatsächlich frei von jeglicher Neigung ist, 
der Körper keinen Impuls erfährt. 

In Hinsicht auf diese Aenderungen der Impulse will ich hier 
das anführen, was in einer alten Abhandlung über Mechanik, 
die unser Akademiker schon in Padua nur zum Gebrauch für 
seine Schüler abgefasst hat, ausführlich und gründlich bewiesen 
ist. Dort geschah es bei Erläuterung des Zusammenhanges und 
der Natur des wunderbaren Schraubeninstrumentes, nämlich, 
in welchem Verhältniss der Wechsel der Impulse zu Stande 
komme, bei verschiedenen Neigungen der Ebenen, wie z. B. von 
AF, wobei das eine Ende um -FC erhoben worden. Längs der 
letzteren wäre die Tendenz zum Falle im Maximum , man sucht 
nun, in welchem Verhältniss diese Tendenz steht zu derjenigen 
längs der Ebene FA, Ich behaupte , diese Tendenzen ständen 
im umgekehrten Verhältniss zu den erwähnten Längen, und das 
ist der Satz , den ich dem später zu beweisenden Theorem vor- 
anstellen will. Es ist klar, dass die Tendenz eines Körpers zum 
Fall so gross ist , wie der Widerstand oder wie die geringste 
Kraft, die hinreicht, den Fall zu verhindern und den Körper in 
Ruhe zu erhalten. Diese Kraft, diesen Widerstand zu messen, 
bediene ich mich des Gewichtes eines anderen Körpers. Auf 
der Ebene FA ruht der Körper G mit einem Faden versehen, 
der über F geschlungen ein Gewicht H trage, üeberlegen wir 
ferner, dass die senkrechte Fallstrecke des letzteren stets gleich 
sei der ganzen Fortbewegung des anderen Körpes G längs der 
Geneigten AF, nicht aber gleich der Senkung von G in senk- 



UnterreduDgen und mathematische Demonstrationen etc. 29 

rechter Richtung, in welcher der Körper O (wie jeder andere 
Körper) seinen Druck ausübt ; denn betrachten wir im Dreieck 
A FC die Bewegung von Cr, in der Richtung von A nach F 
hinauf, so ist diese zusammengesetzt aus einer horizontalen AC 
und einer perpendiculären CFy und da der ersteren kein 
Widerstand entgegenwirkt, so ist der der Bewegung entgegen- 
stehende Widerstand nur längs der Senkrechten CF zu über- 
winden ; (denn bei der horizontalen Bewegung findet gar kein 
Verlust statt , auch ändert sich nicht die Entfernung vom ge- 
meinsamen Schwerpunkt aller Körper, da diese im Horizonte 
unverändert bleibt). Wenn also der Körper G bei der Bewegung 
von A nach F nur den senkrechten Widerstand CF über- 
windet, und weil der andere Körper H durchaus senkrecht 
eine eben so lange Strecke wie auf FA fällt , und weil dieses 
Verhalten beim Auf- oder Absteigen immer dasselbe bleibt, ob 
die Körper viel oder wenig Bewegung ausführen (da sie mit 
einander verbunden sind), so können wir zuversichtlich be- 
haupten, dass, wenn das Gleichgewicht bestehen und die Körper 
in Ruhe bleiben sollen, die Momente, die Geschwindigkeiten 
oder ihre Tendenzen (propensioni) zur Bewegung, d. h. die 
Strecken, die sie in gleicher Zeit zurücklegen würden, sich um- 
gekehrt wie ihre Gewichte (le loro gravità) verhalten müssen, 
was für alle mechanische Bewegung bewiesen ist , so dass es 
den Fall von G zu hindern hinreicht, wenn H so viel mal we- 
niger als G wiegt, wie das Verhältniss von CF zu FA beträgt. 
Macht man also G zu iT, wie FA zu FC, so wird das Gleich- 
gewicht eintreten , denn Hy G werden gleiche Momente haben 
und in Ruhe verharren. Da wir nun einverstanden sind , dass 
eines Körpers Impuls, Energie, Moment, oder Bewegungstendenz 
eben so gross ist wie die Kraft oder wie der geringste Wider- 
stand, der hinreicht zum Gleichgewicht, und wenn es ferner er- 
wiesen ist, dass der Körper H die Bewegung von G zu hindern 
vermag, so wird das kleinere Gewicht Ä, welches in der senk- 
rechten Richtung sein totales Moment wirken lässt , das genaue 
Maass sein desjenigen Partialmomentes, das das grössere Ge- 
wicht G längs der geneigten Ebene FA ausübt; aber das totale 
Moment desselben Körpers G ist G selbst (denn um den senk- 
rechten Fall zu hindern, muss die Gegenkraft eben so gross 
sein, wie wenn der Körper völlig frei wäre) ; folglich wird der 
Impuls oder das Partialmoment von G längs FA sich zum 
Maximal- oder Totalimpuls von G längs i^C sich verhalten, 
wie das Gewicht H zum Gewicht G, d. h. nach der Con- 



30 Galileo Galilei. 

structìon wie die Erhebung der geneigten Ebene FC zur Ebene 
FA selbst, was unsere Behauptung war, und welcher Satz von 
unserem Akademiker, wie wir sehen werden, vorausgesetzt wird 
im zweiten Theile der sechsten Aufgabe in dieser Ahandlung ^) . 
Sagr, Aus dem, was Sie bis jetzt gebracht haben, kann, 
wie mir scheint, leicht geschlossen werden , wenn man mehrere 
umgekehrte Proportionen betrachtet, dass die Momente ein und 
desselben Körpers längs Ebenen verschiedener Neigung wie 
FA , FJ bei gleicher Höhe, sich umgekehrt verhalten wie die 
Längen dieser Ebenen ®) . 

Salv, Vollkommen richtig. Dieses festgestellt, will ich nun 
folgendes Theorem beweisen : 

Die Geschwindigkeiten eines mit natürlicher Bewegung von 
gleichen Höhen über verschieden geneigte Ebenen herabfallen- 
den Körpers sind bei der Ankunft am Horizonte stets gleich 
gross, wenn man die Widerstände entfernt hat. 

Hier muss zunächst bemerkt werden, dass, wenn es feststeht, 
dass bei jedweder Neigung der Körper von dei' Ruhelage mit 
wachsender Geschwindigkeit sich bewegt oder dass die Impulse 
proportional der Zeit wachsen (der Definition gemäss, die der 
Autor von der natürlich beschleunigten Bewegung gegeben hat), 
dass dann auch , wie in dem vorigen Satze bewiesen ward , die 
Strecken sich wie die Quadrate der Zeiten, mithin auch wie die 
Quadrate der Geschwindigkeiten verhalten, — dass ebenso wie 
die Impulse bei senkrechter Bewegung, so auch die im anderen 
Falle erlangten Geschwindigkeitswerthe sich gestalten werden, 
weil in jedem Falle die Geschwindigkeiten in gleichen Zeiten 
in gleichen Verhältnissen anwachsen. 

Sei nun AB (Fig. 51] eine geneigte 
Ebene, deren senkrechte Erhebung über 
den Horizont A C und CB der Horizont 
sei; und da wir kürzlich sahen, dass der 
Impuls eines Körpers in der Senkrechten 
AC sich zu dem längs AB verhält, wie 
AB 2M AC^ so nehme man in der geneig- 
Fig. 51. ten Ebene AB die Strecke AD als dritte 

Proportionale zu AB, AC] der Impuls in 
der Bichtung ^ (7 verhält sich zu dem längs AB oder längs AD 
wie ACznADj folglich wird der Körper in der Zeit, die er ge- 
brauchen würde, die Senkrechte AC zu durchlaufen, längs der 
geneigten Ebene bis A D gelangen (da die Momente wie diese 
Strecken sich verhalten) , und die Geschwindigkeiten in C und 




Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 31 

D werden sich verhalten wie AC zu AD\ aber die Ge- 
schwindigkeit in B verhält sieh zu der in 7>, wie die Fallzeit 
durch AB zu der durch A 2>, der Definition der beschleunigten 
Bewegung gemäss, und die Fallzeit für AB verhält sich zu der 
für AD y^ie AC, die mittlere Proportionale zwischen BA, 
AD zu AD (dem letzten CoroUar zum zweiten Lehrsatz ge- 
naäss), folglich verhalten sich die Geschwindigkeiten in J5 u n d 
in Czu der in Z>, wie AC zu AD, und mithin sind sie ein- 
ander gleich; und das war das zu beweisende Theorem. ^^) 

Jetzt können wir leichter das folgende dritte Theorem des 
Autors beweisen, in welchem er sich auf den Satz sttltzt, dass 
die Fallzeit längs der geneigten Ebene zu der in senkrechter 
Richtung sich wie die Länge derselben Ebene zur Höhe verhält. 
Denn wenn BA die Fallzeit für die Strecke AB ist, so wird 
die Fallzeit für AD das Mittel aus diesen beiden Grössen, mit- 
hin gleich AC sein, nach dem zweiten CoroUar des zweiten 
Satzes; während aber ^Cdie Fallzeit für AD ist, wird das- 
selbe auch die Fallzeit für A C selbst sein, sodass AD, AC iu 
gleichen Zeiten durchlaufen werden, und wenn BA die Fallzeit 
für AB ist, wird A C die Fallzeit für ^O sein; wie mithin AB 
zu A Cj so verhält sich die Zeit längs AB zur Zeit längs AC.^^) 

Ebenso wird bewiesen, dass die Zeit längs A C zur Fallzeit 
längs einer anders geneigten Strecke A E sich verhält, wie AC 
zu AE\ folglich »ex acquali« die Fallzeit längs AB zu der 
längs AEj wie ^ß zu ^^ etc. 

Man könnte durch ähnliche Schlussfolgerung, wie Herr Sa- 
gredo sogleich einsehen wird, unmittelbar den sechsten Satz des 
Autors beweisen ; doch lassen wir jetzt die Abschweifung, die 
Ihnen vielleicht gar zu lang erschien, obwohl sie denn doch 
nützlich war in der vorliegenden Frage. 

Sagr, Im Gegentheil, sie hat meinen vollen Beifall und dient 
durchaus zur vertieften Erkenntniss des Sachverhaltes. 

Sah, So lasst uns denn die Lektüre unseres Textes wieder 
aufnehmen. 

Theorem III. Propos. III. 

»Wenn längs einer geneigten Ebene, sowie längs der Senk- 
rechten gleicher Höhe ein und derselbe Körper aus der Ruhe- 
lage sich bewegt, so verhalten sich die beiden Fallzeiten zu ein- 
ander wie die Länge der geneigten Ebene zur Länge der Senk- 
rechten« (oder wie die Weglängen). 



l 



32 



Galileo Galilei. 



Es sei ^ C die geneigte Ebene, und AB (Fig. 52) die Senk- 
rechte, beide in gleicher Höhe über dem Horizonte CB^ nämlich 
AB\ Ich behaupte, die Fallzeit längs -4 C verhalte sich zu der 
längs der Senkrechten A 5, wie ^ C zu AB, Ziehen wir näm- 
lich mehrere zum Horizont parallele Linien Z> 6r, EJ^ FL, so 
ist schon bewiesen, dass die in den Punkten G, D erlangten 
Geschwindigkeiten einander gleich seien, da die Annäherung an 

den Horizont gleich gross ist ; ebenso sind 
die Geschwindigkeiten in J, E einander 
gleich ; sowie in L und in JP. Erfasst man 
nicht blos diese Parallelen, sondern nur 
irgend denkbare zwischen AB und A C, 
so werden immer an Endpunkten irgend 
welcher Parallelen die Geschwindigkeiten 
dieselben sein. Es werden mithin zwei 
Strecken AC^ AB mit denselben Ge- 
schwindigkeitswerthen durchlaufen. Allein 
es ist bewiesen, dass, wenn zwei Strecken 
mit denselben Geschwindigkeitswerthen 
durchmessen werden, diese Strecken sich 
wie die Zeiten verhalten, folglich verhält sich die Fallzeit längs 
AC zvi der längs AB, wie die Länge AG zur Höhe AB, ^. 
e. dJ2) 

Sagr. Mir scheint, man hätte ebendasselbe klar und kurz 
erschliessen können auf Grund des Satzes, dass die bei be- 
schleunigter Bewegung längs AC, AB zurückgelegten Strecken 
gleich den mit gleichförmiger Geschwindigkeit durchlaufenen 
Wegen seien, deren Betrag dem halben Maximalwerth CB 
gleichkommt; da nun AC, AB mit ein und derselben gleich- 
förmigen Geschwindigkeit durchmessen werden, so folgt schon 
ans dem ersten Satze, dass die Fallzeiten sich wie die Fall- 
strecken verhalten werden. 




CoroUar. 

Hieraus folgt, dass die Fallzeiten längs verschieden geneig- 
ten Ebenen bei gleichen Höhen sich wie die Längen dieser 
Ebenen verhalten. Denn wenn eine beliebige Ebene AM von 
demselben Anfangspunkte A anhebt und in demselben Horizonte 
GB endigt, so wird ähnlich bewiesen, dass die Fallzeiten längs 
AMunö. AB sich verhalten, wie die Strecken AMzvl AB, Wie 
aber die Zeiten längs A B und A C, so verhalten sich die Linien 




Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 33 

AB und AC] folglich »ex acquali« wie AM zu ACy so die 
Fallzeiten längs ^Jf und ACA'^) 

Theorem IV, Pilopos. IV. 

»Die Fallzeiten längs gleich langen, ungleich geneigter 
Ebenen verhalten sich umgekehrt wie die Quadratwurzeln aus 
den Höhen.« 

Es seien von demselben Anfangs- 
punkte B an (Fig. 53) zwei gleich 
lange, ungleich geneigte Ebenen 
BA, BC\ deren Horizonte AE^ 
CD (bis zur Senkrechten BD). 
Die Höhe von BA sei BE^ die von 
B C sei BD^ und die mittlere Pro- 
portionale beider sei BJ\ alsdann 
ist bekanntlich das Verhältniss DB 
zu D/ gleich der Wurzel aus dem 
Verhältniss DB zu BE. Nun be- 
haupte ich, dass die Fallzeiten längs 
BA und 5 (7 sich zu einander um- Fig. 53. 

gekehrt verhalten wie BE zuBJ: 

da nämlich zur Fallzeit BA die Höhe BD der anderen Ebene 
B C gehört, zur Fallzeit ^(7 hingegen die Höhe BJ. Es muss 
also bewiesen werden, dass die Fallzeiten durch BA und BC 
sich verhalten wie DB zu BJ, Man ziehe JS parallel CD\ 
alsdann ist bereits erwiesen, dass die Fallzeiten für BA und 
BE sich verhalten wie die Strecken BA,BE] allein die Zeiten 
für BE una BD verhalten sich wie BE zu BJ^ und die Zeiten 
für BD und BC, wie BD zu 5 (7 oder wie BJ zu BS; folg- 
lich »ex acquali« die Zeiten längs BA und BC, wie BA zu 
BS oder wie CB zu BS, denn CB verhält sich zu BS, wie 
DB zu BJ] woraus der Lehrsatz erhellt. i^) 

Theorem V. Propos. V. 

Das Verhältniss der Fallzeiten längs Ebenen verschiedener 
Neigung, verschiedener Länge und verschiedener Höhe setzt 
sich zusammen aus dem Verhältniss der Längen und dem um- 
gekehrten Verhältniss der Wurzeln aus den Höhen. 

Es seien AB, AC (Fig. 54) verschieden geneigte Ebenen, 
deren Längen und Höhen ungleich. Ich behaupte, das Verhält- 

Ostwald*s Klassiker. 24. 3 



34 



Galileo Galilei. 



iiiss der Fallzeiten für AC und AB sei zusammengesetzt ans 
dem Verhältniss der Strecken AC und AB^ und der Wurzel 
aus dem umgekehrten Verhältniss ihrer Höhen. Man ziehe die 
Senkrechte AD, welche von den Horizontalen BG, C D ge- 
troffen wird, und es sei AL die mittlere Proportionale zu A G, 
A D ; eine durch L gezogene Parallele treffe die Ebene AC in 
F, alsdann wird auch AF die mittlere Proportionale sein 
zwischen CA und jB^. Und da die Fallzeiten für ^Cund 
AF sich verhalten wie die Strecken FA und AF, die Fall- 
Zeiten für A Fund A B aber, wie eben diese Strecken AF, AB: 
so folgt, dass die Fallzeiten für AC, AB sich verhalten wie 
AFzuAB, Mithin erübrigt zu beweisen, dass das Verhältniss 
A F zw. AB zusammengesetzt sei aus dem Verhältniss CA zu 
AB und aus GAzvl AL, welches letztere gleich der Wurzel 





Fig. 54. 



Fig. 55. 



aus dem umgekehrten Verhältniss der Höhen DA, A G. Dieses 
aber ist leicht einzusehen, denn nimmt man zur Betrachtung des 
Verhältnisses FA zu AB das Glied AC hinzu, so ist FA zu 
A C wie LA zu AD, oder wie G A zu AL, welches die Wur- 
zel aus dem Verhältniss der Höhen GA, AD ist, und das Ver- 
hältniss von CA und AB ist eben dasjenige der Längen, wo- 
raus das Theorem folgt, i^) 



Theorem VI. Propos. VI. 

»Wenn von dem höchsten Punkte oder von dem Gipfel eines 
Kreises nach dem Horizonte hin geneigte Ebenen bis zur Kreis- 



Unterredungen nnd mathematische Demonstrationen etc. 35 



Peripherie errichtet werden, so sind die Fallzeiten längs der- 
selben einander gleich.« 

Auf dem Horizonte GH (Fig. 55) erhebe sich ein Kreis, 
auf dessen Berührungspunkte i^mit dem Horizonte der Darch- 
messer ^i^ senkrecht errichtet sei; vom Gipfel seien nach irgend 
welchen Punkten der Peripherie geneigte Ebenen gezogen A B, 
A (7. Ich behaupte, die entsprechenden Fallzeiten seien einan- 
der gleich. Man ziehe BD, CE senkrecht zum Durchmesser, 
und die mittlere Proportionale zu den Höhen £JA, AD sei AJ, 
Da die Rechtecke FAy A E und FA^ AD gleich sind den 
Quadraten von AC, AB und da mithin die Rechtecke FA, A E, 
FA, AD sich zu einander verhalten wie E A zu AD, so ver- 
halten sich die Quadrate von CA und AB wie die Linien EA, 
AD, Wie aber E A zu. DA, &o verhält sich das Quadrat von 
JA zum Quadrat von AD; folglich verhalten sich die Quadrate 
von CAj AB wie die Quadrate der Linien JA, A D, und mit- 
hin die Linien CA, AB wie die Linien JA, AD. Aber vor- 
hin ward bewiesen, dass die Fallzeiten durch ^C, AB sich zu- 
sammensetzen aus den Verhältnissen CA zu AB und DA zu 
AJ, welch letzteres gleich BA zu J[(7 ist; also wird das Ver- 
hältniss der Fallzeiten längs AB und A C zusammengesetzt aus 
CA zu AB und AB zu AC, folglich geht das Verhältniss jener 
Fallzeiten in Gleichheit über, woraus das Theorem folgt. ^^) 

Dasselbe findet man nach 
Grundsätzen der Mechanik, 
denen gemäss der Körper, in 
gleichen Zeiten die Strecken 
CA, DA (Fig. 56) zurück- 
legt. Denn es sei BA = DA, 
und seien BE, DF Senk- 
rechte ^ so ist aus den Ele- 
menten der Mechanik bekannt, 
dass das Moment des Gewich- 
tes auf der Ebene ABC sich 
zu seinem totalen Momente 
verhält, wie B E zu BA, und 
das Moment desselben Ge- 
wichtes auf der Ebene AD zum totalen Momente, wie DF zu 
DA oder wie DF zu BA: folglich verhalten sich die Momente 
ein und desselben Körpers längs DA und längs CBA, wie die 
Linie D F zu BE. Daher werden die in gleichen Zeiten längs 
den Ebenen CA, DA zurückgelegten Strecken sich verhalten 

3* 



\ 


H 


B// 


l\ 


jX Z 


j-« Y \jt 


yjr/^ 




A 


L EF 



Fig. 56. 



36 Galileo Galilei. 

wie BEy DF^ gemäss der II. Propos. des ersten Buches. Aber 
wie BJS zu DFj so verhält sich, wie bewiesen werden wird, 
AC zvL DA] folglich durchläuft der Körper die Strecken CAy 
DA in gleichen Zeiten. 

Dass aber BE zu DF sich verhält, wie CA zu DA, folgt 
auf folgende Weise: 

Man verbinde C mit D, und durch D und B ziehe man 
Parallelen zu AF, nämlich DGL, welche CA in J trifft und 
BH: alsdann wird der Winkel ^Z)/ gleich sein dem Winkel 
D CA, da dieselben gleiche Bögen LA, AD umfassen, da fer- 
ner der Winkel Z>-4 (7 gemeinsam ist, so werden in den gleich- 
winkligen Dreiecken CAD, DAJ die Seiten, die gleichen 
Winkeln anliegen, einander proportional sein, wie mithin CA 
zu AD, so verhält sich AD zu AJ, oder auch BA zu AJ, 
also auch HA zu AG, d. h. wie BÈ zu DF, w. z. b. w. 
Expediter ist folgender Beweis : 

lieber dem Horizonte AB (Fig. 57) 
sei ein Kreis errichtet, dessen Durch- 
messer CD senkrecht stehe. Vom Gipfel 
D werde irgend eine geneigte Ebene DF 
errichtet bis zur Peripherie. Ich behaupte, 
die Fallzeit längs Z)Fsei gleich der Zeit 
des freien Falles längs D C. Man ziehe 
FG parallel zum Horizonte AB, mithin 
senkrecht zum Durchmesser DC, und 
Y\^ w\ ziehe FC\ da die Fallzeiten für DC. 

D G sich verhalten wie die mittlere Pro- 
portionale von CD und DG zu DG selbst (denn die mittlere 
Proportionale von CD und DG ist DF, da der Winkel DFG 
im Kreise ein Rechter ist, und FG senkrecht steht auf D C) : 
so werden sich die Fallzeiten längs D C und D G verhalten wie 
die Linien FD und D G ; mithin werden die Fallzeiten für DF 
und DC zur Fallzeit für DG das gleiche Verhältniss haben, 
folglich sind sie einander gleich. ^^) 

Aehnlich lässt sich beweisen, dass, wenn vom untersten 
Punkte des Kreises eine Sehne CF und eine Parallele FH zum 
Horizonte gezogen und auch F mit D verbunden wird, die Fall- 
zeit für i:C gleich der für DCaeu 

I. Corollar. 

Hieraus folgt, dass die Fallzeiten längs allen durch C oder 
D gezogenen Sehnen einander gleicn seien. 




Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 37 

II. CoroUar. 

Auch folgt, dass, wenn von einem Punkte eine senkrechte 
und eine geneigte Ebene sich hinab erstrecken, längs welcher 
die Fallzeiten gleich gross seien, alle solche Strecken in einem 
Halbkreis liegen, dessen Durchmesser die lothr echte Fallstrecke 
selbst ist. 

III. Corollar. 

Ferner folgt , dass die Fallzeiten längs geneigten Ebenen 
dann einander gleich seien, wenn die Höhen gleicher Strecken 
auf diesen Ebenen sich verhalten, wie die Fallstrecken auf eben 
diesen Ebenen: denn es wurde gezeigt, dass in der vorletz- 
ten Figur 56 die Fallzeiten für CA^ DA einander gleich seien, 
wenn die Höhe von AB, welches gleich AD war, nämlich die 
Linie BE. sich zur Höhe i>i^ verhält, wie CA zu DA, 

Sagr, Unterbrechet, bitte, ein wenig den Vortrag, bis ich 
einen Gedanken geklärt habe, der mir soeben beikam und der 
entweder einen Irrthum birgt oder ein anmuthiges Spiel (scherzo 
grazioso), wie wir solchem so oft in der Natur oder in dem Ge- 
biete der Nothwendigkeit begegnen. 

Es ist klar, dass, wenn man von einem Punkte einer Hori- 
zontalen unendlich viele gerade Linien nach allen Richtungea 
hinzieht, auf denen allen ein Punkt mit gleicher Geschwindigkeit 
sich bewege, dass, im Falle alle in ein und demselben Augen- 
blicke sich zu bewegen beginnen in dem genannten Punkte mit 
gleichen Geschwindigkeiten« alle diese Punkte stets immer 
wachsende Kreisperipherien bilden werden, die sämmtlich con- 
centrisch um den Anfangspunkt herumliegen, ganz so, wie man 
Wellen im stehenden Wasser von einem Punkte aus sich aus- 
breiten sieht, nachdem aus der Höhe ein Steinchen hineinge- 
fallen war, dessen Stoss den Antrieb zur Bewegung nach allen 
Richtungen abgiebt, und dieser Punkt bleibt der Mittelpunkt 
aller Kreise, welche die kleinen Wellen in immer wachsendem 
Umfange bilden. Wenn wir aber eine Ebene senkrecht zum 
Horizont errichten, und in dieser irgend einen Punkt als höch- 
sten annehmen, von welchem aus nach allen möglichen Rich- 
tungen geneigte Linien ausgehen, längs welchen Körper mit 
natürlich beschleunigter Bewegung mit dem einer jeden Neigung 
zukommenden Geschwindigkeitsbetrage fallen, in welcher Ge- 
stalt wären diese Körper geordnet, vorausgesetzt, dass sie stets 
sichtbar blieben? Das erregt mein Erstaunen, dass, den vorigen 




3S Galileo Galilei. 

Erörterungen gemäss, alle Punkte auf immer wachsenden Kreis- 
peripherien angeordnet bleiben werden, die sämmtlich immer 
mehr vom Anfangspunkte der Bewegung sich entfernen ; zur 
deutlicheren Erklärung sei A (Fig. 58) der höchste Punkt, von 

welchem aus die Körper nach beliebi- 
gen Richtungen AF, AH sich be- 
wegen, und auch längs der Vertikalen 
AB, in welcher die Mittelpunkte C, Z) 
der beiden durch A gezogenen Kreise 
beliebig angenommen wurden, Kreise, 
welche die geneigten Linien in FHB, 
i76r/ schneiden. Es ist nach den vorigen 
Sätzen klar, dass, wenn gleichzeitig von 
A aus Körper in jenen Richtungen sich 
Fig. 58. bewegen, sie auch gleichzeitig der eine 

in E^ der zweite in 6r, der dritte in J 
sein werden, und weiter fallend werden sie gleichzeitig in jP, H, 
B eintreffen u. s. f. würden unendlich viel Körper auf immer 
grösser werdenden Peripherien gleichzeitig ankommen bis in die 
Unendlichkeit. Die beiden Arten von Bewegung also, deren die 
Natur sich bedient, erzeugen mit einer wunderbar correspondiren- 
den Verschiedenheit unendlich viel Kreise. Dort sehen wir den 
Sitz und Ursprung im Mittelpunkt unendlich vieler concentrischer 
Kreise, hier findet am höchsten Punkt ein Contakt unendlich 
vieler excentrischer Kreise statt. Jene entstehen aus gleichför- 
miger und gleicher Bewegung ; diese aus lauter ungleichen Be- 
wegungen, in jeder Richtung von der anderen verschieden. 
Ferner aber, wenn wir von den beiden genannten Punkten aus 
vier Linien ziehen, nicht blos in einer vertikalen und horizon- 
talen Ebene, sondern nach allen Richtungen des Raumes hin, 
so werden wir gerade so, wie vorhin von einem Punkte aus 
Kreise erzeugt wurden, jetzt unendlich viele Kugeln entstehen 
sehen, oder besser eine Kugel, die bis ins Unendliche anwächst. 
Und das zwar auf zweierlei Art, nämlich mit dem Anfangspunkt 
der Bewegung im Centrum oder in der Peripherie aller Kugeln. 
Sah. Das ist fürwahr ein sehr schöner Gedanke, der dem 
Scharfsinn des Hen-n Sagredo entspricht. 

Simpl. Ich habe völlig den Gedanken erfasst in Betreff der 
beiden Arten, wie die Kreise oder Kugeln erzeugt werden, ent- 
sprechend den beiden Arten natürlicher Bewegung, obwohl ich 
die Entstehung der Kreise bei der beschleunigten Bewegung 
nicht ganz verstanden habe; immerhin will mir der Umstand, 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 39 

dass sowohl das Centrum wie der Gipfel Ausgangspunkt der 
Bewegung sein könne, die Vennuthung erwecken, dass ein 
grosses Mysterium in diesen wahren und wunderbaren Sätzen 
verborgen sei; ich meine ein Mysterium hinsichtlich der Er- 
schaffung der Welt, — welch letztere man für eine Kugel hält, 
und hinsichtlich der ersten Ursache. 

Sah. Ich stehe nicht an, ebendasselbe zu vermuthen, allein 
ähnliche tiefe Betrachtungen knüpfen sich an viele und an höhere 
Lehren an , als die unserigen es sind. Uns muss es genügen, 
dass wir jene weniger erhabenen Werkleute sind, die aus dem 
Schachte den Marmor hervorsuchen und herbeischaffen, aus 
welchem später die genialen Bildhauer Wunderwerke erzeugen, 
die unter rauher ungeformter Hülle verborgen lagen. Setzen 
wir nun, wenns beliebt, den Vortrag fort. 

Theorem VII, Propos, VII, 

»Wenn die Höhen zweier geneigten Ebenen sich verhalten 
wie die Quadrate der Längen, so werden letztere in gleichen 
Zeiten zurückgelegt.« 

Es seien AE^ AB (Fig. 59) zwei ungleich lange, ungleich 
geneigte Ebenen, deren Höhen ÌFA^ DA sich verhalten wie die 
Quadrate von A E zu AB, Ich behaupte, die Fallzeiten längs 
AE^ AB von der Ruhe aus seien einander 
gleich. Man ziehe die Parallelen EF, BD ho- 
rizontal, wobei A E in 6r geschnitten wird. Da 
FA zw. AD gleich dem Quadrate von E A zu 
AB, und da FA zu AD^ wie E A zu A G, so 
verhält sich E A zu AG wie das Quadrat von 
E A zu AB\ folglich ist AB die mittlere Pro- 
portionale zu EA^ A G, und da die Fallzeiten 
längs AB, AG sich verhalten, wie AB zm AG, 
die Fallzeit längs A G aber zu der längs A E Fig. 59. 

sich verhält, wie ^G zur mittleren Proportionale 
aus AG, AE, nämlich zu AB, so wird die Fallzeit längs AB 
zu der längs A E sich verhalten, wie AB zu AB; folglich sind 
die Zeiten einander gleich; q. e. d.^^j 

Theorem VIII, Propos. VIII. 

»Auf Ebenen , die von Peripheriepunkten eines und des- 
selben Kreises nach dem Horizonte hin sich neigen , sind die 





40 Galileo Galilei. 

Fallzeiten in denjenigen Ebenen, die nach dem untersten oder 
obersten Punkte des Kreises gerichtet sind, einander gleich und 
gleich der Fallzeit längs des senkrechten Durchmessers : auf 
Ebenen dagegen, welche den Durchmesser nicht schneiden, sind 
die Fallzeiten kürzer, dagegen länger auf solchen, die den 
Durchmesser schneiden.« 

Der senkrechte Durchmesser des auf dem Horizonte er- 
richteten Kreises sei AB (Fig. 60). 
Es ward schon bewiesen, dass die Fall- 
zeiten längs Ebenen, die in A oder JB 
endigen, einander gleich seien. Längs 
DF, welches den Durchmesser nicht 
erreicht, soll die Fallzeit kürzer sein. 
Dass die Fallzeit längs DF kürzer 
sei, als längs DB, wird leicht erkannt, 
da letzteres länger und dabei weniger 
geneigt ist , mithin ist "auch die Fall- 
zeit kürzer als längs AB, Längs CO 
dagegen, welches den Durchmesser 
schneidet, muss die Fallzeit aus dem- 
selben Grunde länger sein, da es länger und stärker geneigt ist> 
als OB ; woraus das Theorem folgt. 

Theorem JX. Propos. IX. 

»Wenn aus einem Punkte einer horizontalen Linie zwei 
Ebenen beliebig geneigt angenommen werden, und diese Ebenen 
von einer Linie geschnitten werden, welche mit den Ebenen 
Winkel bildet, die wechselweise den Neigungen der Ebenen 
gegen den Horizont gleich sind , so werden die Fallzeiten vom 
Anfangspunkte bis zu den Schnittpunkten mit der schneidenden 
Linie einander gleich sein.« 

Aus dem Punkte C (Fig. 61) der horizontalen Linie X wer- 
den zwei beliebig geneigte Ebenen CD, CE construirt, und 
von einem beliebigen Punkte der Linie CD ein Winkel CDFy 
gleich X CFy angetragen : DF schneidet die Ebene CE in jF, 
so dass die Winkel CDF, CFD den Winkeln XCE, LCD 
wechselweise gleich sind. Ich behaupte, die Fallzeiten für CDj 
CF seien einander gleich. Da nämlich CDF gleich XCE 
gemacht ist, so muss auch der Winkel CFD gleich dem Winkel 
D CL sein. Denn nach Fortnahme des gemeinsamen Winkels 
DCF, einmal aus den drei Winkeln des Dreieckes CDF, die 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 41 

gleich zwei Rechten sind, dann von der Summe der Winkel, die 
bei C unterhalb X zusammenliegen , bleiben vom Dreiecke die 
Winkel CDF^ CFD nsLch, die mithin gleich sind den beiden 
XC£, LCD: da nun CD J' gleich XCE gemacht ist, so 
muss der Best CFD gleich dem Reste DCL sein. Man mache 
nun CE gleich CD und errichte in den Punkten 2>, E Senk- 
rechte D A , EB zum Horizonte X L , aus C aber ziehe man 
CG senkrecht zu DF, Da nun der Winkel CDG gleich dem 



'A C 














■~- 


t 


>ìL 




^k. 




y^^^^.^ — " — ^ 


■"^ 






E 




D 




G 












Fig. 61. 

Winkel ECB, und DGC, CBß rechte Winkel sind, so sind 
die Dreiecke CD G, CBE gleichwinklig, mithin DCzuCG, 
wie CE zu EBy DC aber ist gleich CE, folglich muss auch 
CG gleich BE sein. Da ferner in den Dreiecken DACy 
CGF die Winkel D CA, CAD den Winkeln GFC, CGF 
gleich sind, so verhält sich FC zu CG wie CD zn DA und 
umgekehrt auch wie DC zn CFso DA zu CG, welch letztes 
gleich B E, Die Höhen der Ebenen D C, CE verhalten sich 
also wie die Längen DC, CE: folglich sind, dem ersten 
CoroUar der sechsten Proposition gemäss, die Fallzeiten einan- 
der gleich, q. e. d.^Q) 

Auf anderem Wege : man ziehe FS (Fig. 62) senkrecht 
zum Horizonte AS, Da das Dreieck CaS'J' ähnlich dem DGC, 
so verhält sich aS'jF zu FC, wie G^C zu CD, Da ferner das 
Dreieck CFG ähnlich dem DCA, so verhält sich FC zu CG, 
wie CD zu DA. folglich auch SF zu CG, wie CGzn DA. 
Daher ist CG die mittlere Proportionale zu SF^ DA, und wie 
DA zu SF, so verhält sich das Quadrat von DA zum Quadrat 






42 



Galileo Galilei. 



von CG. Da andererseits das Dreieck ACD dem Cö-P ähn- 
lich ist, so verhält sich DA zu D Cj wie GC zu GF, also 
auch durch Tausch der Glieder DA zu CGj wie D C zu CF, 

und wie das Quadrat 
^ ^ CS ,. von DA zum Quadrat 

von C6r, so verhalten 
sich die Quadrate von 
DG, GF. Aber es 
ist bewiesen, dass die 
Quadrate* von DA, 
GG sich verhalten, 
wie die Linien DA, 
FS\ folglich wie die 
Quadrate von DG, 
GF, so verhalten sich 
die Linien DA, FS; mithin folgt gemäss der siebenten Pro- 
position, dass, weil die Höhen der Ebenen GD, GF, nämlich 
D A , FS sich verhalten , wie die Quadrate der Längen , die 
Fallzeiten längs den letzteren einander gleich seien. 




Fig. 62. 



Theorem X, Propos. X. 

»Die Fallzeiten längs Ebenen verschiedener Neigung, aber 
gleicher Höhe , verhalten sich wie die Längen dieser Ebenen, 
einerlei ob die Bewegung v^p der Ruhelage an beginnt, oder 
ob eine Bewegung aus gleichen Höhen voraufging.« 

Es mögen die Bewegungen längs 
F ABG (Fig. 63) und längs ABD bis 
an den Horizont DG vor sich gehen, 
so dass die Bewegung durch AB den 
weiteren BD, BG voraufgeht. Ich 
behaupte , die Fallzeiten längs B D 
und BG verhalten sich wie die 
Strecken D B und B G. Man ziehe 
AF dem Horizonte parallel, ver- 
längere DB bis zum Schnittpunkte F, 
ferner sei die mittlere Proportionale 
zu DF, FB gleich FE', zieht man 
E parallel D G, so wird A die mittlere Proportionale zu 
GA, AB sein. Sei nun die Fallzeit durch AB gleich AB, so 
ist die Fallzeit durch FB gleich FB. Die Fallzeit längs A G 
wird alsdann durch AO, diejenige längs FD durch FE ge- 




Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 43 

messen. Daher ist die Fallzeit für den Rest B C gleich BO, und 
für den Rest BD gleich BE, Wie aber Ä jK zu B 0, so verhält 
sich BD zviBC\ folglich verhalten sich die Fallzeiten für BD, 
B C nach dem Falle durch A B. FB, oder, was dasselbe ist, 
durch die gemeinsame Strecke AB, wie die Längen BD, B C. 
Aber das Verhältniss der Fallzeiten durch BD und BC, von 
der Ruhe aus, ist gleich dem der Längen BD, B C, wie oben 
bewiesen ward. Mithin verhalten sich die Fallzeiten längs ge- 
neigten Ebenen gleicher Höhe, wie die Längen der Ebenen, 
einerlei ob die Bewegung mit der Ruhe anhebt , oder ob eine 
andere Bewegung aus gleicher Höhe voraufgeht, q. e. d. ^®) 



Theorem XI. Propos. XI. 

»Wenn eine Ebene, in welcher von der Ruhelage an eine Be- 
wegung geschieht, irgend wie getheilt wird , so verhält sich die 
Fallzeit in den beiden getrennten Strecken, wie die erste Strecke 
zum Ueberschuss des geometrischen Mittels aus der ersten und 
ganzen Strecke über der ersten.« ^i) 

Es geschehe die Bewegung längs AB (Fig. 64) von A alls, 
und sie werde irgendwo in C getheilt; das geometrische Mittel 
aus B A und dem ersten 
Theile sei AF: alsdann A 
ist CF der Ueberschuss 
des Mittels FA über den 
Theil AC: Ich behaupte, tc 
die Fallzeiten durch AC 
und CB verhalten sich fr 
wie ^C zu CF. Es ver- 
halten sich nämlich die 
Fallzeiten durch -4 C und 
AB, wie AC zu AF] 
folglich durch Verthei- Fig. 64. Fig. 65. 

lung die Fallzeit durch 

AC zu der durch den Rest CB, wie AC zu CF. Wenn 
nun A C die Fallzeit für A C ist, so wird die Fallzeit für CB 
gleich CjFsein, w. z. b. w. 

Wenn aber die Bewegung nicht in einer geraden Linie ACB 
(Fig. 65), sondern längs einer gebrochenen A CD vor sich geht 
bis an den Horizont B D, welch letzterem parallel FE gezogen 
sei vom Punkte F aus, so lässt sich ebenso zeigen, dass die Fall- 
zeit längs AC zu der längs CD sich verhält, wie AC zu CE. 




44 



Galileo Galilei. 



Denn die Fallzeiten für A C, CB verhalten sich wie AC zw. 
CF, die Fallzeiten für GB^ nach Zurücklegung von A C, zu 
der für CD, gleichfalls nach zurückgelegten AC^ wie CB zu 
CD oder wie CF zu CE ; folglich die Fallzeiten für A C und 
CDj wie die Linien AC, CE, 



Theorem XII, Propos, XII, 

»Wenn eine senkrechte und eine beliebig geneigte Ebene von 
zwei Horizontalen geschnitten werden^ und wenn man die mitt- 
leren Proportionalen bildet zwischen ihnen und ihren Stücken 
von ihrem Durchschnittspunkte an bis zu den Schnittpunkten 
mit der oberen Horizontalen , so verhält sich die Fallzeit längs 
der Senkrechten zu der längs einer Linie , die aus dem oberen 
Theile der Senkrechten und dem unteren Theile der geneigten 
Ebene zusammengesetzt ist, wie die gesammte Länge der Senk- 
rechten zu der Summe zweier Strecken , deren eine die mittlere 
Proportionale in der Senkrechten, deren andere gleich dem 
Ueberschuss der ganzen geneigten Ebene über der mittleren 
Proportionale in derselben.« 

Die obere Horizontale sei -4 JF (Fig. 66), die untere CD, 
zwischen welchen die Senkrechte A C und die Geneigte D F 

sich in B schneiden; die 
AN F mittlere Proportionale zwi- 

schen CA und AB sei -4i?, 
dagegen zwischen DF und 
BF^ei sie FS, Ich behaupte, 
die Fallzeit für AC verhalte 
sich zu der für AB sammt 
B D , wie A C zur mittleren 
Proportionale im Lothe, 
nämlich AB sammt SD, 
welches der Ueberschuss der 
Geneigten DF über der 
Mittleren SF ist. Man verbinde B mit S, dem Horizonte 
parallel. Da die Fallzeiten durch AC, AB sich verhalten wie 
die Linien AC, AR, so wird, wenn AC als Maass der 
Fallzeit für A C genommen wird, AR die Fallzeit AB sein, 
also RC diejenige für den Rest BC, Wenn aber AC die 
Fallzeit für ^C ist, so wird auch FD die Fallzeit für FD 
und mithin DS die Fallzeit für BD, nach Zurücklegung von 
FB oder A B , sein. Folglich ist die Fallzeit für A C gleich 




Fig. 66. 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 45 

All sammt RC\ längs der Gebrochenen ABD dagegen gleich 
All sammt SD\ q. e. d. 22) 

Aehnliches Verhalten findet man, wenn statt der Senkrechten 
irgend eine andere Ebene, wie iVO, angenommen wird; der 
Beweis bleibt derselbe. 

Prohl I, Propos. XIIL 

»Wenn eine Senkrechte gegeben ist, so soll eine Ebene in 
solcher Neigung constrnirt werden, dass bei gleicher Höhe nach 
dem Fall in der Senkrechten , die Bewegung in derselben Zeit 
geschehe, wie in der Senkrechten vom Ruhezustände an.« 

Die Senkrechte AB (Fig. 67) sei gegeben, und es werde 
derselben ein gleich grosses Stück B C hinzugefügt, dann ziehe 




man die Horizontalen OjE, AG. Es soll von B aus eine ge- 
neigte Ebene so gelegt werden, dass in derselben nach dem 
Fall durch AB die Bewegung längs der Ebene, deren Höhe 
auch gleich AB ist, in derselben Zeit geschehe, wie in der 
Strecke AB von der Ruhe in A an. Man mache CD gleich 
CB, verbinde B mit D und bringe BU an gleich der Summe 
von BD und DO, Ich behaupte, BE sei die geforderte Ebene. 
Man verlängere BB bis zur oberen Horizontalen AG in G\ 
die Mittlere zu EG, GS sei GF. Es wird sich EF zvlFB 
verhalten, wie EG zu GF, und die Quadrate von EF und 
FB, wie die Quadrate von EG, GF, mithin wie die Linien 
EG, GB] aber^G ist das Doppelte von GB; folglich ist 
das Quadrat von EF das Doppelte vom Quadrate von FB: 
aber auch das Quadrat von DB ist das Doppelte des Quadrates 
von B 0\ folglich verhält sich die Linie EFzu FB, wi^ DB 



46 



Galileo Galilei. 



zu BC und wenn man verbindet und verwechselt, so verhält 
sich EB zur Summe der Beiden DB und BC ^ wie BF zm 
BC\ aber BE ist gleich der Summe von DB und BC\ folg- 
lich ist jB-F gleich B C, gleich BA. Wenn also AB als Maass 
der Fallzeit für AB angenommen wird, so ist G^B die Fallzeit 
für GB, und GF die für die ganze Strecke GE\ folglich ist 
BFàÌQ Fallzeit für den Rest BE, nach dem Fall von G oder 
A aus ; ^3) q. e. d. 



Probi II. Propos. XIV. 

»Eine Senkrechte und eine geneigte Ebene seien gegeben, 
es soll im oberen Theile der Senkrechten das Stück bestimmt 
werden, welches vom Ruhezustand aus in derselben Zeit zurück- 
gelegt wird, wie dasjenige längs der geneigten Ebene nach 
einer Bewegung längs der gesuchten Strecke.« 

Die Senkrechte DB (Fig. 68) sei gegeben, sowie die ge- 
neigte Ebene A C. Man soll in dem Lothe A D ein Stück be- 
stimmen , welches von der Ruhe aus in derselben Zeit zurück- 
gelegt wird, wie das Stück A C längs der Geneigten, nach dem 
Falle in der gesuchten senkrechten Strecke. Man ziehe die 
Horizontale CB, und wie BA sammt 2 AC sich zu AO ver- 
hält, so ^&i AC zu AE und wie B A zu AC, so verhalte sich 

E A zu AR. Von R aus ziehe 
man die Horizontale jKX gegen 
DB hin ; so wird X der gesuchte 
Punkt sein. Denn wie BA sammt 
lAC zu AC, so verhält sich CA 
zu AE] mithin wie BA sammt 
AC zu AC, %o CE zu EA, und 
weil BA zu AC sich verhält, wie 
E A zu AR, so wird BA sammt -4(7 
zu -4(7 sich verhalten, wie ER zu 
RA. Aber wie BA sammt AC 
zu AC, so verhält sich CE zu EA\ folglich wie CE zu EA, so 
ER zu RA, also auch wie die Summe der Vorderglieder zur 
Summe der Hinterglieder, d. h. wie CR zu RE. Folglich ist 
ER die mittlere Proportionale zu C R und AR. Weil femer 
B A zu AC, wie E A zu AR, und wegen Aehnlichkeit der 
Dreiecke BA zu AC, wie XA zu AR, so ist E A zu AR 
wie X^zu AR\ folglich sind EA, XA einander gleich. 
Wenn nun die Fallzeit für jR^ mit -R-4 bemessen wird, so ist 




Fig. 68. 



UnterreduDgen und mathematische Demonstrationen etc. 47 

die Fallzeit für Ä (7 gleich RE, der Mittleren zu CR, RA: 
folglich ist A E die Fallzeit für Ä C nach RA oder nach XA\ 
aber die Fallzeit für X^ ist XA, weil RA die Fallzeit für 
ü^ ist. Folglich sind, da X-4 gleich A E ist, die Fallzeiten 
einander gleich, q. e. d.^^) 



Probi II L Propos. XV, 

»Eine Senkrechte und eine geneigte Ebene seien gegeben ; 
es soll in der unteren Strecke der Senkrechten [vom Schnitt- 
punkte mit der geneigten Ebene an] ein Stück bestimmt werden, 
welches in derselben Zeit durchlaufen wird , wie das gegebene 
Stück längs der Geneigten nach dem Fall durch die gegebene 
Senkrechte. « 

Die Senkrechte AB (Fig. 69) sei 
gegeben und die geneigte Ebene BC. 
Im unteren Theile des Lothes AB 
soll ein Stück gefunden werden, wel- 
ches beim Falle von A aus in der- 
selben Zeit durchlaufen wird, wie 
B C, gleichfalls von A aus. Man 
ziehe die Horizontale A D, der die 
verlängerte geneigte Ebene CB m 
D begegne. Die mittlere Propor- 
tionale zu CD, DB sei DE, als- 
dann mache man BF gleich BE, 
endlich construire man AG als dritte Fig. 69. 

Proportionale zu BA, AF, 

{BA:AF=AF: AG). 

Ich behaupte, B G sei die Strecke, die nach dem Fall durch 
AB in derselben Zeit durchlaufen wird , wie die Strecke B C 
unter derselben Bedingung. Denn sei die Fallzeit durch A B 
durch AB bemessen, so ist die Fallzeit durch DB gleich DB, 
und à2i DE die mittlere Proportionale ist zu BD, D C, so ist 
DE die Fallzeit für die ganze Strecke DC, und BE diejenige 
für den Rest BC, wenn der Fall in D beginnt oder durch AB 
erfolgt war; ähnlich findet man BF &h Fallzeit durch BG, 
unter denselben Vorbedingungen; aber BF i^t gleich BE, wo- 
durch die Behauptung erwiesen ist. 




48 Galileo Galilei. 

Theorem XIIL Propos, XVL 

»Wenn Stücke einer geneigten Ebene nnd der Senkrechten, 
deren Fallzeiten von der Ruhelage an gleich sind, von einem 
Punkte ausgehen, so wird ein aus irgend welcher Höhe fallen- 
der Körper das Stück längs der geneigten Ebene schneller 
durcheilen, als das Stück längs der Senkrechten.« 

Es sei JEB (Fig. 70) die Senkrechte, und am Punkte E 
schliesse sich die geneigte Ebene CE anij zugleich seien die 
Fallzeiten von der Ruhe in E einander gleich. In der Senk- 
rechten werde ein beliebiger höher gelegener Punkt A ange- 
nommen, von welchem aus die Körper fallen mögen. Ich be- 
haupte, die Strecke EC werde in kürzerer 
Zeit durchlaufen, als die Senkrechte J&J?, nach 
dem Fall durch AE. Man verbinde C mit By 
construire eine Horizontale AD^ verlängere 
CE bis zum Schnittpunkte D] die mittlere 
Proportionale zu (7Z>, DE sei DF und die 
zn BA, AE ^ei AG; man verbinde i^und 
D mit G. Da die Fallzeiten durch EC, EB. 
von E aus , einander gleich sind , so ist der 
Winkel bei C ein Rechter, gemäss dem 
zweiten CoroUar der sechsten Proposition; 
Fig. 70. auch A ist ein rechter Winkel und die 
Scheitelwinkel bei E sind einander gleich; 
folglich sind die Dreiecke A ED, CEB gleichwinkelig, und 
die gleiche Winkel umschliessenden Seiten einander propor- 
tional: folglich verhält sich .!>£ zu E A, wie B E zu E C. 
Das Rechteck BE, E A ist mithin gleich dem Rechteck CE, 
ED: (BE X E A = CEX ED). Da das Rechteck CD, 
DE grösser ist als das Rechteck CE, ED um das Quadrat 
von DEj dagegen das Rechteck BA, AE das Rechteck^ JE/, 
E A um das Quadrat von E A übertrifft, so ist der üeber- 
schuss des Rechteckes CD, DE über dem Rechtecke BA, 
AE, oder was dasselbe ist, der Uebcrschuss des Quadrates 
von FD über das Quadrat von AG gleich dem Ueberschuss 
des Quadrates von DE über dem Quadrat von AE, welcher 
Ueberschuss gleich ist dem Quadrat von AD-, folglich ist das 
Quadrat von FD gleich der Summe der beiden Quadrate über 
GA, AD, und auch gleich dem Quadrat von GD: mithin sind 
die Linien DF, DG einander gleich und der Winkel l>6ri^^ 
ist gleich dem Winkel DFG, und Winkel j& 6r jP kleiner als 




Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 49 

EFG, und die gegenüberliegende Seite EF kleiner als EG. 
Wenn nun die Fallzeit durch A E mit A E bemessen wird, so 
ist die für DE gleich DE, und àsi AG die mittlere Proportio- 
nale zu BA^ -4 JE ist, wird AG die Fallzeit für die ganze 
Strecke A B sein , und der Rest E G wird die Fallzeit sein für 
den Rest EB^ wenn der Körper von A aus fällt; ähnlich findet 
man EF als Fallzeit für E C nach einem Fall durch DE oder 
AE'. da aber gezeigt ist, dass EF kleiner als EG ist, so ist 
das Theorem bewiesen. « 25) 

Corollar. 

Aus vorigem und früheren Sätzen ist bekannt, dass die- 
jenige Strecke, welche nach dem Fall aus dem höchsten Punkte 
in derselben Zeit durchlaufen wird , wie diejenige längs der 
geneigten Ebene, kleiner sei als der in gleicher Zeit wie auf der 
Geneigten, ohne vorhergehenden Fall, durchlaufene Weg, grösser 
dagegen als die geneigte Strecke selbst: denn da soeben be- 
wiesen ist, dass, nach dem Fall aus dem höchsten Punkte A^ 
die Fallzeit für EC kürzer sei als die für EB^ so ist die 
Strecke, die in der Fallzeit längs EB (gleich der Fallzeit für 
EC) durchlaufen wird, kleiner als die ganze Strecke EB. 
Dass aber diese senkrechte Strecke grösser sei, als EC, wird 
klar, wenn man die Figur der vorhergehenden Proposition 
nimmt, für welche bewiesen ward, dass die senkrechte Strecke 
BG (Fig. 71) in derselben Zeit durchlaufen 
wird, wie BC nach dem Fall durch AB: dass 
aber BG grösser als BC sei, wird folgen- 
dermaassen gezeigt. Dsl BE und FB ein- 
ander gleich sind, BA aber kleiner als BD 
ist, so ist FB zu BA grösser als EB zu 
BD, mithin auch FA zu AB grösser als 
ED zu DB; aber es ist FA zu AB, wie Fig. 71. 

6ri^ zu FB (denn AFytsìv die mittlere Pro- 
portionale zu BA, AG)] und ähnlich wie ED zu BD^ so ver- 
hält sich CE zu EB] mithin auch GB zu BF oder zuBE 
grösser als (7 JB zu 5 JE; folglich ist GB grösser als B (7. 

Probi, IV. Propos. XVII. 

»Eine Senkrechte und eine sioh anschliessende geneigte 
Ebene seien gegeben. In letzterer soll der Weg bestimmt werden, 

Ostwald's Klassiker. 24. 4 




50 



Galileo Galilei. 




der nach dem Fall durch das senkrechte Stück, in derselben 
Zeit durchlaufen wird, wie in der Senkrechten.« 

Es sei AB (Fig. 72) 
die Senkrechte, und BÉ 
die geneigte Ebene : es soll 
BE so lang gemacht wer- 
den , dass nach dem Fall 
durch AB die Fallzeit 
gleich der für AB^ von 
der Buhelage an, sei. 

Es sei A D die Hori- 
zontale, der in D die ge- 
neigte Ebene begegnet ; 
man mache FB gleich 
BA und mache DE zu 
FD wie FD zu BD, Ich behaupte, die Fallzeit für 
BE^ nach dem Fall durch AB sei gleich der Fallzeit durch 
AB von A aus. Wenn AB die Fallzeit für AB ist, so ist DB 
diejenige für DB. Da ferner BD zu DFwie FD zu DEj so 
ist DF die Fallzeit für die ganze Strecke DE, und BF die- 
jenige für den Theil BE, von D aus; aber die Fallzeit für BE 
nach DB ist dieselbe wie die für BÉ nach AB; folglich ist die 
Zeit für BEj nach ABj gleich BF, mithin gleich der Zeit AB, 
von A aus; q. e. d. 26) 




Fig. 72. 



Fig. 73. 



ProbL^ V. Propos. XVIII. 

»Wenn in einer Senkrechten von der Ruhelage aus eine 
Fallstrecke bezeichnet ist, die in gegebener Zeit durchlaufen 
wird, so soll derjenige Weg bestimmt werden, der [an Länge 
jener Strecke gleich] in einer gegebenen kürzeren Zeit zurück- 
gelegt wird. « 

Es sei AD (Fig. 73) die Senkrechte und AB die Strecke, 
deren entsprechende Fallzeit, von A aus, gleich AB sei, 
CBE sei horizontal, und die gegebene kürzere Zeit, gleich B C, 
sei im Horizonte aufgetragen : es soll in der Senkrechten eine 
Strecke gleich AB gefunden werden, die in der Zeit B C durch- 
laufen wird. Man ziehe AC. Dsl BC kleiner als BA, so ist 
der Winkel BAC kleiner als der Winkel BCA, Man trage 
CAE gleich ECA an, di« Linie AE trifft den Horizont in E. 
In E erreicht man senkrecht ED, so dass das Loth in D 



ünterrednngen und mathematische Demonstrationen etc. 51 

getroffen wird und trage DjF gleich BA ab. Ich behaupte, FD 
sei diejenige Strecke der Senkrechten, in welcher die Bewegung 
in der gegebenen Zeit B C geschieht , vorausgesetzt die Bewe- 
gung beginne in A, Da nämlich im rechtwinkligen Dreiecke 
AED vom rechten Winkel E aus eine zur gegenüberliegenden 
Seite AD gehende Gerade EB senkrecht steht, so wird A E 
die mittlere Proportionale sein zu Z>-4, AB\ nun ist BE die 
mittlere Proportionale zu DB, BA oder zu FA, AB (denn 
FA ist gleich DB), Wenn nun AB die Fallzeit durch AB 
bemisst, so ist A E oder EC die Zeit für AD, und EB die 
Zeit für AF; folglich ist der Rest BC die Fallzeit für den 
Rest FD, was behauptet wurde. 27) 



Probi VI. Propos, XIX. 

»In einer Senkrechten sei vom Anfangspunkte der Bewegung 
eine Fallstrecke mit der entsprechenden Fallzeit gegeben: es 
soll die Zeit gefunden werden , in welcher eine ebenso grosse 
beliebig in der Senkrechten liegende Strecke gleicher Grösse 
durchlaufen wird.cc 

In der Senkrechten AB (Fig. 74) sei eine beliebige Strecke 
A C gegeben , der Anfangspunkt der Bewegung in A ; es sei 
-4(7 gleich in irgend einer Stelle DB angenommen, die Fallzeit 
für ACbqì AC. Es soll die Fallzeit für DB bestimmt werden 
nach dem Falle von A aus. Ueber 
AB als Durchmesser beschreibe man 
den Kreis AEB, und errichte von 
C aus die Gerade CE senkrecht zu 
AB, ziehe AE, welches grösser als 
EC sein wird. Man schneide EF 
gleich ^C ab; ich behaupte, der Rest 
FA sei die Fallzeit für DB. Es ist 
nämlich AE die mittlere Proportionale 
zu BA, AC', und da -4C die Fallzeit 
für AC ist, so wird A E die Fallzeit für AB sein. Da 
ferner CE die mittlere Proportionale zu DA, AC (denn DA 
ist gleich BC], so wird CE oder EF die Fallzeit für AD 
sein ; folglich ist der Rest AF die Fallzeit für D 5 ; q. e. p. 

Corollar. 

Daraus folgt, dass, wenn die Fallzeit einer Strecke von der 
Ruhe aus gleich dieser Strecke gesetzt wird ; die Fallzeit längs 

4* 





Fig. 74. 



52 



Galileo Galilei. 



derselben Strecken nach Zurücklegung eines darüber ange- 
fügten Stückes gleich sein wird dem üeberschuss der mittleren 
Proportionale zur Summe beider und der ursprünglichen Strecke 
über der mittleren Proportionale zu beiden einzelnen Stücken. 
Denn, es sei die Fallzeit für AB (Fig. 75), von der Ruhe 
A an , gleich AB] man füge AS hinzu, so wird die Fallzeit 
für AB, nach Durchlaufung von SA, gleich sein dem üeber- 
schuss der mittleren Proportionalen zu SB^ BA über der zu 
BA, AS. 



Probi VIL Propos. XX. 

»Eine beliebige Strecke sei gegeben, und in derselben ein 
Theil , nach dem Ruhepunkte hin gelegen ; ein anderer Theil 
gegen das Ende hin soll bestimmt werden, der in derselben Zeit 
zurückgelegt wird, wie die erste Theilstrecke.« 

Es sei CB (Fig. 76) die Senkrechte, und CD der gegebene 

Theil, nach der Ruhelage hin. Ein anderes 
Stück, das bis B reicht, zu finden, mit der- 
selben Fallzeit wie die für CD. Man bilde 
die mittlere Proportionale zu B C, CD und 
trage, derselben gleich, BA ah; zu J5(7, CA 
sei die dritte Proportionale gleich CE [BC : 
CA= CA : CE). Ich behaupte, EB sei 
diejenige Strecke, welche, von C aus, in der- 
selben Zeit durchlaufen wird, wie CD selbst. 
Wenn nämlich die Fallzeit für CB gleich 
CB, so wird BA (die mittlere Proportionale 
zu BC, CD) die Fallzeit für CD sein. Und 
da CA die mittlere Proportionale zu BCj 
CE, so wird CA die Fallzeit für CE sem. 
Aber B C ist die Zeit für CB; folglich ist der 
Rest BA, die Fallzeit für den Rest EB nach dem Fall von C 
aus; allein dasselbe BA war die Fallzeit für CD; folglich wer- 
den CD und EB in gleichen Zeiten durchlaufen, von der 
Ruhe in C aus, was verlangt war. 



A 



tC 

D 
E 

-A 



^B 



iß 



Fig. 75. Fig. 76. 



Theorem XIV. Propos. XXI. 

»Wenn in der Senkrechten der Fall von der Ruhelage aus 
geschieht , und es wird ein von Anfang an bezeichnetes Stück 
in gewisser Zeit durchlaufen, während nach demselben eine 



Unterredungen nnd mathematische Demonstrationen etc. 53 

Bewegung in einer beliebig geneigten Ebene erfolgt: so ist die 
Strecke, die in solch geneigter Ebene in derselben Zeit zurück- 
gelegt wird , wie das Stück in der Senkrechten , mehr als das 
Doppelte und weniger als das Dreifache der, senkrechten 
Strecke. « — 

Unterhalb des Horizontes A JE (Fig. 77) sei die Senkrechte 
AB gegeben ; der Fall beginne in A und man wähle ein Stück 
AC\ alsdann folge beliebig geneigt CG, längs welches der 
Fall bei C fortgesetzt werde. Ich behaupte, die bei solcher Be- 
wegung in gleicher Zeit wie durch A C zurückgelegte Strecke 
CG sei mehr als das Doppelte und weniger als das Dreifache 
der Strecke AC, Man 
trage Ci^ gleich A C ab, 
verlängere die Ebene 
GC bis zum Horizonte 
in E, so verhalte sich 
CE zu EF, wie FE zu 
EG. Wenn nun die Fall- 
zeit für A C gleich A C 
gesetzt wird, so ist EC 
die Fallzeit für E C und 
CF oder CA die Fall- 
zeit für CG. Es muss da- 
her nachgewiesen wer- 
den, dass die Strecke CG mehr als das Doppelte und weniger als 
das Dreifache von CA sei. Es ist nämlich CE zu EF, wie FE 
zu EGy folglich auch wie Ci^zu FG. Aber EC ist kleiner als 
EFj daher ist auch CF kleiner als FG und G C grösser als 
das Doppelte von FC oder AC. Da andererseits FE kleiner 
als das Doppelte von EC (denn EC ist grösser als CA oder 
CF) , so ist auch GF kleiner als das Doppelte von FC, und 
GC kleiner als das Dreifache von Ci^oder CA. q. e. d. 

Man konnte auch allgemeiner den Satz aufstellen : denn was 
für die Senkrechte gilt und für eine geneigte Ebene, gilt ebenso, 
wenn nach der Bewegung in einer irgendwie geneigten Ebene 
eine stärker geneigte durchlaufen wird; wie solches in der 
anderen Figur ersichtlich ist; der Beweis bleibt derselbe. 




Fig. 77. 



Probi. VIII. Propos. XXIL 

»Zwei ungleiche Zeitgrössen seien gegeben und der Weg, 
der in der kürzeren von beiden von der Ruhe aus durchlaufen 



54 



Galileo Galilei. 



wird : es soll durch den obersten Punkt eine geneigte Ebene so 
gelegt werden, dass sie bis zum Horizonte reicht, und ihre Länge 
in dem längeren Zeitbetrage zurückgelegt wird.« 

Die gegebenen Zeitgrössen seien die grössere Ay die kleinere 
B (Fig. 78); die senkrecht von der Ruhe aus durchlaufene 
Strecke sei CD. Man soll von C aus bis zum Horizonte eine 
geneigte Ebene so bestimmen, dass ihre Länge in der Zeit A 
durchmessen wird. Wie JB zu A^ so verhalte sich CD zu einer 
Linie, der CX gleich gemacht ist, welch letztere vom Punkte C 




J M TT R 



. ^B 

Fig. 78. 




Fig. 79. 



nach dem Horizonte geneigt angebracht sei : offenbar wird C X 
die verlangte Ebene sein. Denn es ist bewiesen, dass die Fall- 
zeiten längs der geneigten Ebene und längs ihrer Höhe sich ver- 
halten wie die Länge zur Höhe. Die Fallzeiten für CX und für 
CD verhalten sich somit wie CX zu CD, also wie die Zeiten 
A zu B; aber B ist die Fallzeit für CD ; folglich A jene, in 
welcher die Länge der Ebene durchmessen wird. 



Probi. IX. Propos. XXIIL 

»Die senkrechte, von der Ruhelage aus in gegebener Zeit 
durchlaufene Strecke sei gegeben : durch den untersten Punkt 
der letzteren soll eine geneigte Ebene so gelegt werden, dass 
nach dem Fall durch die senkrechte Strecke in derselben Zeit 
eine gegebene Strecke längs der geneigten durchmessen werde : 
doch muss letztere Strecke mehr als das Doppelte und weniger 
als das Dreifache der senkrechten Fallstrecke betragen.« 

In der Senkrechten AS (Fig. 79) werde in der Zeit -4 C die 
Strecke A C durchlaufen, von A aus : es sei ferner JB grösser 
als 2xAC und kleiner als 3 X ^ C. Man soll von C aus eine 
geneigte Ebene so legen, dass ein Körper, nach dem Falle durch 
A (7, in derselben Zeit A C einen Weg gleich JB durchmisst. 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 55 

Es seien RN^ NM gleich A C; und wie der Rest JM zu MN 
so verhalte sich AC zm einer anderen Strecke CJE, die von C> 
aus bis zum Horizonte in E reiche. Man verlängere dieselbe 
gegen O hin und trage CF^ FG, GO an, gleich BN, NM. 
MJ, Ich behaupte, die Fallzeit für CO, nach dem Falle durch 
A C, sei gleich der Fallzeit für A C, von A aus. Da nämlich 
OG zu GFj wie FC zu CE, so ist durch Zusammensetzung 
OjFzu FG oder FC, wie FE zu EC, und wie eines der Vor- 
derglieder zu einem der entsprechenden Hinterglieder, so ver- 
halten sich die Summen zu den Summen, also OE zu EF wie 
FE zu EC, Folglich ist EF die mittlere Proportionale zuOE 
und E C Wenn nun A C die Fallzeit für A C ist, so ist CE 
diejenige für EC\ EFaher ist die Fallzeit für die ganze Strecke 
EG, und der Rest CF für den Rest CO; aber CF ist gleich 
CA\ folglich ist das Verlangte ausgeführt; denn CA ist die 
Fallzeit für A C von A aus, CF dagegen (welches gleich CA 
ist) ist die Fallzeit für (70, nach dem Falle durch EC oder 
durch AC\ q. e. p. Es muss indess bemerkt werden, dass das- 
selbe statthat, wenn die vorangehende Bewegung nicht in der 
Senkrechten, sondern in einer geneigten Ebene vor sich geht, 
wie in der Fig. 80, wo die erste Bewegung längs ^ aS' unterhalb 
des Horizontes A E geschieht; im Uebrigen ist der Beweis der- 
-selbe. 

Scholium. 

Bei aufmerksamer Betrachtung erkennt man, dass, je weniger 
die gegebene Linie JM abweicht von ^AC, um so näher die 
geneigte Ebene CO in die Richtung des Lothes fällt, in welchem 
in der Zeit A C schliesslich der volle Weg 3 AC durchlaufen 
wird. Denn je mehr JM dem dreifachen Betrage von A C sich 
nähert, um so näher wird JM gleich MN Und da JM zu MN 
sich verhält, wie AC zu CE (nach der Construction) , so wird 
CE etwas grösser als CA werden, und mithin wird der Punkt 
E ganz nahe bei A liegen und CO mit CS einen sehr spitzen 
Winkel einschliessen , sodass sie beinahe sich decken. Wenn 
aber andererseits JM nur wenig grösser als 2 AC, so wird JM 
sehr klein sein : daher auch A C klein gegen CE ausMlt, welch 
letzteres sehr lang wird, und fast mit einer durch C gehenden 
Horizontalen sich deckt. Hieraus erkennen wir, dass, wenn in 
Fig. 80 nach dem Fall durch die geneigte Strecke AC ein Bruch 
in O längs CT statthat, in der Fallzeit gleich ^O eine Strecke 
gleich 2 AC durchlaufen wird. Die Schlussfolgerung ist ähnlich 



56 



Galileo Galilei. 



der obigen: denn da OE zu jBFsich verhält, wie FE zu EC, 
so bemisst FC àie Fallzeit für CO. Ist aber eine horizontale 
Strecke T Cgieich 2 CAy so halbire man sie in V; ihre Ver- 
längerung nach X hin wird unendlich sein, denn der Schnitt- 
punkt auf A E verlangt, dass die Unendliche TX zur Unend- 
lichen VX sich ebenso verhalte, wie die Unendliche VX zur 
Unendlichen X C. 

Ebendasselbe hätten wir in anderer Weise erschliessen kön- 
nen, indem wir dem in der ersten Proposition vorliegenden Ge- 



j M N R 





Fig. 80. 



dankengange folgen. Denn nehmen wir ein Dreieck ABC, in 
welchem die der Basis BC parallelen Linien (Fig. 81) uns die 
den wachsenden Zeiten entsprechenden Geschwindigkeitsgrade 
darstellen, so sind dieselben unendlich ihrer Zahl nach, wie die 
Punkte der Geraden AC. entsprechend den Momenten zu irgend 
welchen Zeiten, und füllen das Dreieck aus, wenn wir annehmen, 
dass die Bewegung um eine ebenso lange Zeit fortgesetzt werde 
wie zuvor, aber nicht mehr beschleunigt, sondern gleichförmig, 
mit einem Werthe, entsprechend dem durch B C dargestellten 
Maximum. Aus diesen letzten Geschwindigkeiten würde ein 
Parallelogranmi ADBC gebildet werden ; dieses aber ist das 
Doppelte vom Dreieck ABC Daher ist die mit gleichförmiger 
Geschwindigkeit zurückgelegte Strecke gleich dem Doppelten 
der bei beschleunigter Bewegung durch das Dreieck ABC dar- 
gestellten. Aber in einer Horizontalebene ist die Bewegung eine 
gleichförmige, da weder eine Beschleunigung noch eine Ver- 
zögerung verursacht wird, mithin wird eine Strecke CD, die in 
einer Zeit AC zurückgelegt wird, das Doppelte der Strecke AC 
betragen, denn bei beschleunigter Bewegung wird die Bewegung 
den Parallelen des Dreiecks entsprechen, bei jener gleichförmigen 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 57 

dagegen den Parallelen des Parallelogramms^ welche, unendlich 
an Zahl, das Doppelte betragen jener Parallelen des Dreiecks. 

Indess ist zu beachten, dass der Geschwindigkeitswerth, den 
der Körper aufweist, in ihm selbst unzerstörbar enthalten ist 
(impresso) , während äussere Ursachen der Beschleunigung oder 
Verzögerung hinzukommen, was man nur auf horizontalen Ebenen 
bemerkt) denn bei absteigenden nimmt man Beschleunigung wahr, 
bei aufsteigenden Verzögerung. Hieraus folgt, dass die Be- 
wegung in der Horizontalen eine unaufhörliche sei: denn wenn 
sie sich stets gleich bleibt, wird sie nicht geschwächt oder auf- 
gehoben, geschweige denn vermehrt. Und ferner, da die beim 
freien Fall erlangte Geschwindigkeit unzerstörbar und unauf- 
hörlich ihm eigen ist, so erhellt, dass, wenn nach dem Fall längs 
einer geneigten Ebene eine Ablenkung nach einer ansteigenden 
Ebene statthat, in dieser letzteren die Ursache einer Verzögerung 
auftritt, denn in eben solch einer Ebene findet auch natürliche 
Beschleunigung statt ; deshalb tritt eine Vereinigung entgegen- 
gesetzter Impulse ein, indem der beim Fallen erlangte Ge- 
schwindigkeitswerth, der den Körper unaufhörlich fortbewegen 
würde, sich zu dem durch den Fall erzeugten hinzugesellt. Es 
scheint daher verständlich, wenn wir die neuauftretenden Ur- 
sachen untersuchen, und nachdem der Körper längs der geneig- 
ten Ebene gefallen ist, gezwungen wird, anzusteigen, annehmen, 
dass er die beim Fall erlangte Maximalgeschwindigkeit auch 
beim Anstieg behalte, dass er aber hierbei der natürlichen Ver- 
zögerung unterliege in dem Betrage, wie er bei natürlicher Be- 
schleunigung von der Ruhelage aus ihm ertheilt würde. Um 
dieses leichter einzusehen, 

iiene nebenstehende Zeich- c F A 

aung. Es sei der Fall längs 
4er geneigten Ebene AB 
JFig. 82) geschehen, und die 
Fortsetzung gehe in der an- 
steigenden B C vor sich ; Fig. 82. 
zunächst seien die Ebenen 

einander gleich, unter gleichen Winkeln zum Horizonte GH ge- 
neigt. Nun ist es bekannt, dass der Körper von der Ruhe in 
A aus längs AB Geschwindigkeiten erlangt, proportional der 
Zeit, der Werth in B wird der grösste sein, und würde unab- 
änderlich dem Körper innewohnen, wenn neue Ursachen der 
Beschleunigung oder Verzögerung fehlten; der Beschleunigung, 
wenn der Körper noch weiter fiele, der Verzögerung, wenn 




58 Galileo Galilei. 

er längs B C anstiege ; längs der Horizontalen GH würde also 
die in B erlangte Geschwindigkeit ohne Ende beharren. Der 
Betrag derselben ist ein solcher, dass in einer Zeit, die gleich 
ist der Fallzeit längs AB^ längs der Horizontalen eine Strecke 
gleich 2 AB zurückgelegt würde. Nun aber nehmen wir an, 
dass der Körper mit ebendieser Geschwindigkeit längs B C sich 
bewegte, sodass in derselben soeben genannten Zeit eine Strecke 
gleich 2BC zurückgelegt würde. In Wirklichkeit aber sehen 
wir ihn dabei sofort ansteigen, er unterliegt ähnlichen Einflüssen, 
wie beim Falle längs AB, denn beim Falle längs CB würde er 
dieselben Geschwindigkeiten erlangen und in denselben Zeiten 
dieselben Wege zurücklegen, wie längs AB: woraus erhellt, 
dass durch Summation (mixtioj der gleichförmigen aufsteigenden 
und der beschleunigt absteigenden Bewegung der Körper längs 
BC den Punkt C erreichen wird in Folge zweier Geschwindig- 
keitswerthe, die einander gleich sind. Nimmt man beiderseits 
Punkte DE gleichweit von B, so ist die Fallzeit längs DB 
gleich der Anstiegzeit längs BE. Denn, wenn Di^ parallel BC 
gezogen wird, so wissen wir, dass nach dem Fall längs AD der 
Anstieg längs Z>i^ geschieht. Wenn aber in D der Körper sich 
horizontal längs Z>j& fortbewegt, so ist die Geschwindigkeit in 
E dieselbe wie in Z>, folglich steigt der Körper von E bis C 
Hieraus erkennen wir zuversichtlich, dass, wenn der Fall längs 
irgend einer geneigten Ebene statthat und alsdann ein Anstieg 
eintritt, der Körper stets in Folge der erlangten Geschwindig- 
keit bis zu derselben Höhe oder Erhebung über den Horizont 

sich bewegen wird. Fällt er 
längs AB (Fig. 83), so steigt er 
längs BC bis (7, d. h. bis zur 
Horizontalen -4 CA ; nicht nui, 
wenn beide Ebenen gleich ge- 
neigt sind, sondern auch, wenn 
B sie ungleiche Winkel bilden, wie 

Fig. 83. BD. Denn die Geschwindig- 

keitsgrade sind dieselben bei jed- 
weder Neigung bei gleicher Höhe. Wenn EB, BD gleich ge- 
neigt sind, so vermag der Fall längs EB den Körper bis D zu 
bewegen. Ob nun der Körper längs AB oder EB fällt, die 
Geschwindigkeit in B ist ein und dieselbe, mithin steigt der 
Körper bis Z>, sowohl nach dem Fall längs AB, wie längs BE. 
Die Zeit des Anstieges längs BD ist grösser, als die längs jBC, 
wie auch die Fallzeit für EB grösser ist, als die für ^^: denn 




Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 59 

es war schon bewiesen, dass diese Fallzeiten sich wie die Längen 
der entsprechenden Ebenen verhalten. Wir müssen noch unter- 
suchen das Yerhältniss der in gleichen Zeiten längs Ebenen 
verschiedener Neigung und gleicher Höhe zurückgelegten 
Strecken, also den Fall zwischen einander parallelen Horizon- 
talen, worauf sich das Folgende bezieht. 




Fig. 84. 



Theorem XV. Propos. XXIV. 

»Zwischen zwei einander parallelen Horizontalen sei eine 
Senkrechte gegeben, von deren unterstem Punkte eine Ebene 
errichtet sei. Nach dem Fall längs der Senkrechten ist die in 
derselben Fallzeit beim Anstieg zurückgelegte Strecke grösser 
als die Senkrechte und kleiner als das Doppelte derselben.« 

Zwischen den Horizontalen 
BC,HG (Fig. 84) sei die Senk- 
rechte AE und die Geneigte EB 
gezogen. Nach dem Fall durch 
AE geschehe ein Reflex in E nach 
J5 hin. Ich behaupte, die in der 
FaUzeit für A E längs EB zu- 
rückgelegte Strecke sei grösser, 
als A E und kleiner als 2AE. 

Es sei ED gleich AE, und wie EB zu BD, so verhalte sich 
DB zu BF. Es werde zuerst bewiesen, dass der Punkt F in 
der Fallzeit längs A E erreicht werde, dann, dass EF grösser 
sei als EAj und kleiner als 2EA. Es sei die Fallzeit längs 
A E gleich A E, alsdann ist die Fallzeit längs BE oder die 
Anstiegzeit längs EB gleich der Linie BE: und da. DB die 
mittlere Proportionale zwischen EB, BF, und da BE die Fall- 
zeit längs BE ist, so ist ^Z) die Fallzeit längs BF, und der 
Rest DE die Fallzeit längs des Restes FE. Aber ebenso gross 
ist die Fallzeit längs FE von der Ruhelage in B aus, und auch 
die Anstiegzeit längs E F, wenn der Körper in E mit der längs 
BE oder A E erlangten Geschwindigkeit ansteigt: mithin ist 
DE die Zeit, in welcher der Körper nach dem Fall von A längs 
AE, nach dem Reflex in B den Punkt F erreicht. Aber ED 
ist gleich AE. Und da EB zu BD, wie DB zu BF, so ver- 
hält sich auch EB zu BD, wie ED zu D F. Aber EB ist 
grösser slIsBD, folglich ist auch ED grösser als Di^und EF 
kleiner als 2 DE oder als 2AE; w. z. b. w. Ganz dasselbe 
gilt, wenn der an&ngliche Fall nicht in der Senkrechten, sondern 




60 Galileo Galilei. 

in einer Geneigten vor sich geht; der Beweis ist derselbe, so- 
lange nnr die Reflexebene weniger geneigt nnd mithin länger 
ist als die Fallebene. 

Theorem XVL Propos. XXV. 

»Wenn nach dem Fall längs einer geneigten Ebene die Be- 
wegung in der Horizontalen fortgesetzt wird, so verhält sich die 
Fallzeit längs der Geneigten, zur Zeit der Bewegung längs irgend 
einer Strecke in der Horizontalen, wie die doppelte Länge der 
geneigten zur horizontalen Strecke.« — 

Es sei CB (Fig. 85) die Horizon- 
tale, AB die Geneigte, und nach der 
-^ Bewegung längs AB folge die im Hori- 

^ zont, in welchem die Strecke B D be- 

^ ^ B liebig angenommen sei. Ich behaupte, 

Fig. 85. die Fallzeit für AB verhalte sich zu 

der für BD, wie 2 AB zu BD, Man 
nehme ^(7 gleich 2^jB, so ist bewiesen, dass die Fallzeit längs 
AB gleich ^ (7 sei : aber die Fallzeiten für B C und DB ver- 
halten sich wie die Linien CB und BD\ folglich verhält sich 
die Fallzeit für AB zur Zeit der Bewegung längs BD, wie 
2 AB zu BD, w. z. b. w. 

Probi X. Propos. XXVL 

»Eine Senkrechte zwischen zwei Horizontalen sei gegeben, 
desgleichen eine Strecke, grösser als die Länge der Senkrech- 
ten, aber kleiner als das Doppelte derselben ; es soll vom unter- 
sten Punkte der Senkrechten eine Ebene so geneigt werden, dass 
beim Aufstieg, nach dem Falle durch die Senkrechte der Kör- 
per eine der gegebenen gleiche Strecke zurücklege in derselben 
Zeit, in welcher er gefallen war.« 

Zwischen den Parallelen AO, BC (Fig. 86) sei die Senk- 
rechte AB; FE sei ferner grösser als BA und kleiner als 
2BA, Es soll von B aus eine Ebene so geneigt werden, dass 
der Körper nach dem Falle längs AB in derselben Fallzeit beim 
Ansteigen eine Strecke J5^jP zurücklegt. Man mache £D gleich 
AB, alsdann wird der Rest DF kleiner als ^-B sein, da die 
ganze Strecke FF kleiner als 2 AB war. Es sei ferner DJ 
gleich DF und wie FJ zu JD, so mache man DF zm FX, 
Von B ziehe man B gleich EX, Ich behaupte, B O sei jene 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 61 

Ebene, auf welcher nach dem Falle längs AB der Körper in 
derselben Zeit ansteigt nm eine Strecke gleich EF, Man mache 
den Strecken ED, Dl^ gleich BR, RS, Da nun EJ zu JD, 
wie DF zu FXy so ist auch ED zu DJ wie DX zu XF\ 
also wie ED zu DF, so auch DX zu Xi^und JBX zu XD, 
folglich wie BO ZM OR, so i2 zu OS. Wenn nun die Fall- 
zeit für AB gleich AB, so ist die für OB gleich OBrmàRO 





Fig. 86. 

die für 0S\ mithin der Rest BR gleich der Fallzeit für den 
Rest SB beim Fallen von O bis B. Aber die Fallzeit für SB, 
von der Ruhelage in O aus, ist gleich der Anstiegzeit von B bis 
S nach dem Fall durch AB\ folglich ist BO die bei B an- 
hebende Ebene, auf welcher nach dem Fall durch AB in der 
Zeit BR oder BA eine Strecke BS gleich der gegebenen EF 
zurückgelegt wird.^s) 



Theorem XVII. Propos. XXVII. 

»Wenn ein Körper längs zwei Ebenen verschiedener Neigung, 
aber gleicher Höhe herabfällt, so ist die Strecke, die im unteren 
Theile der längeren Ebene in derselben Zeit durchlaufen wird, 
wie di« ganze kürzere Ebene, gleich der Summe zweier Strecken, 
deren eine die kürzere Ebene selbst, 
die andere ein Betrag, der sich zur 
kürzeren Ebene verhält, wie die 
längere zum Ueberschuss der länge- 
ren über die kürzere Ebene.« 

Es sei ^C (Fig. 87) die längere, 
und AB die kürzere Ebene, deren 
beider Höhe gleich -42>; es werde Fig. 87. 

von C aus ein Stück CE gleich AB 
abgetragen; und wie CA zu ^£ (d. h. zum Ueberschuss der 




62 Galileo Galilei. 

längeren Ebene über der kürzeren), so verhalte sich CE zu EF. 
Ich behaupte , die Strecke FC werde nach einem Fall von A 
aus in derselben Zeit durchlaufen wie AB. Weil nämlich CA 
zu AE, wie das Stück CE zu EF, so ist der Rest E A zum 
Rest AF, wie das Ganze CA zum Ganzen AE, Folglich sind 
die drei Strecken CA, AE, Miteinander folgweise proportional, 
[continue proportionales, d. h. CA zu AE wie AE zu AF.] 
Wenn nun die Fallzeit für AB gleich AB ist, so ist diejenige 
für A C gleich AC, die für AF aber ist gleich A E und die 
Fallzeit für den Rest FC ist gleich E C\ aber E C ist gleich 
AB\ w. z. b. w. — 

Theor&m XVIII. Propos. XXVIII. 

»Die Horizontale AG (Fig. 88) berühre einen Kreis; vom 
Berührungspunkte aus ziehe man den senkrechten Durchmesser 
AB und zwei Sehnen wie AE, EB. Es soll das Verhältniss 
der Fallzeit durch AB zu der durch A E und EB bestimmt 

werden.« Man verlängere BE bis zur 
Tangente in G, und halbire den Winkel 
BAEj indem man -4i^ zieht. Ich be- 
haupte, die Fallzeit längs AB verhalte 
sich zu der längs AEB, wie A E zu 
A E F. Da nämlich der Winkel FAB 
gleich ist dem Winkel FAE, der Win- 
kel E AG aber gleich dem Winkel 
A BF, so wird der gesammte Winkel 
GAF gleich FAB sammt ABF, mit- 
hin auch gleich GFA sein; folglich ist 
die Linie GF gleich der Linie GA. 
Und weil das Rechteck BG, EG gleich dem Quadrate von GA, 
so ist es auch gleich dem Quadrate von GF, und die drei Linien 
BG, GF, GE bilden eine Proportion {BG zuGF wie GF 
zu GE). Wenn nun die Fallzeit längs A E gleich A E ist, so 
ist diejenige für GE gleich GE-, GF ist die Fallzeit für die 
ganze Strecke GB, und ^jP diejenige für EB nach dem Falle 
von G, oder von A aus längs A E. Mithin verhält sich die Fall- 
zeit längs A E oder längs AB zu der längs AEB, wie A E 
zu AEF, was zu bestimmen war. 

Kürzer folgendermaassen : Man schneide 6? jF gleich GA 
ab ; GjPist die mittlere Proportionale zwischen BG, GE. Das 
üebrige wie vorhin. 




UnterreduDgen und mathematische Demonstrationen etc. 63 

Probi. XL Propos. XXIX, 

» Es sei eine horizontale Strecke gegeben^ von deren einem 
Ende aus eine Senkrechte errichtet sei, von welcher ein Stück 
gleich der halben horizontalen Strecke aufgetragen sei. Ein 
aus solcher Höhe fallender und alsdann in die Horizontale ab- 
gelenkter Körper wird diese beiden Strecken in kürzerer Zeit 
durchlaufen, als irgend eine andere senkrechte, mitsammt der- 
selben sich gleichbleibenden horizontalen Strecke. a 

In einer Horizontalen sei eine Strecke BC (Fig. 89) gegeben. 
In der Senkrechten, im Punkte B errichtet, sei BA gleich \BC 
abgetragen. Ich be- 
haupte, die Fallzeit längs ?■ 
beiden Strecken AB, j^ 
B C sei die kürzeste un- N - 
ter allen, die möglich 
sind bei derselben hori- 
zontalen Strecke BC P ^ i 



P B 



und irgend welchen gros- -^ 

seren oder kleineren -^ >. 

senkrechten Strecken, als ^ 

AB. Es sei diese Strecke 
grösser, wie in der ersten 
Figur, oder kleiner, wie — 2- 

in der zweiten, gleich Fig. 89. 

EB. Es soll gezeigt 

werden, dass die Fallzeit für BB, B C stets grösser sei als die- 
jenige ftüTAB, BC. Es sei die Fallzeit längs AB gleich AB] 
so ist dieses zugleich die Zeit der Bewegung in der Horizontalen 
B C, dsk B C gleich 2ABj und die Zeit längs beiden Strecken 
AB C wird gleich 2BA sein. Es sei ferner B O die mittlere 
Proportionale zu EB, BA; alsdann ist BO die Fallzeit für 
EB. Es sei ferner die horizontale Strecke BD gleich 2BE; 
so ist die Bewegungszeit für diese Strecke nach dem Falle längs 
EB auch gleich BO. Wie nun DB zu BC, oder wie EB zu 
BA, so mache man OB zu BN. Da nun in der Horizontalen 
die Bewegung eine gleichförmige ist, und da 0-B die Fallzeit 
längs B D ist nach dem Falle von E aus, so wird NB die Fall- 
zeit für BC sein nach einem Falle aus derselben Höhe BE. 
Hieraus folgt, dass OB sammt ^iV die Fallzeit durch EBC 
darstelle, und da 2-4 J? die Fallzeit durch AB CM, so erübrigt 
zu beweisen, dass OB sammt BN grösser sei als 2 AB, Da 
aber OB die mittlere Proportionale zuEB, BA ist, so verhält 



64 Galileo Galilei. 

sich EB zu BA, wie das Quadrat von OB zm BA\ und da 
EB zu BÄ^ wie OB zu BN, so wird auch OjB zu £iV gleich 
dem Quadrate des Verhältnisses OB zu BA sein; aber das 
Verhältniss OB zu BN kann zusammengesetzt werden aus 
den Verhältnissen OB zu B A und AB zu BN] folglich ist 
AB zu jBiV gleich dem Verhältniss OB zu BA, Mithin sind 
BOj BAj BN drei folgweise Proportionale [BO zu BA wie 
BA zu BN). Folglich sind OB und BN zusammen grösser 
als 2BAj woraus das Theorem folgt. 29) 

Theorem XIX. Propos, XXX. 

»Fällt man eine Senkrechte aus irgend einem Punkte einer 
Horizontalen, und soll durch einen beliebigen anderen Punkt 
derselben Horizontalen eine geneigte Ebene bis zur Senkrechten 
so gelegt werden, dass ein Körper in kürzester Zeit von der 
Horizontalen bis zur Senkrechten hinabfällt, so ist solch eine 
Ebene der Art geneigt, dass der von der Senkrechten abge- 
schnittene Theil ebenso gross ist, wie die Distanz der beiden 
willkürlich angenommenen Punkte in der Horizontalen.« 

Es sei BD (Fig. 90) das aus B gefällte 
Loth, die Horizontale sei A C. Man nehme 
C beliebig an, und nehme BE gleich B (7, 
verbinde Cmit E. Ich behaupte, dass unter 
allen durch C gehenden Ebenen CE die- 
jenige sei, längs welcher die Fallzeit bis zur 
Senkrechten die kürzeste sei. Man nehme 
CF, CG unter geringerer und stärkerer 
Neigung an, ziehe mit dem Radius B C einen 
Kreis und errichte bei C die Tangente JK 
senkrecht zum Horizonte. Ferner ziehe man 
EK parallel FC, bis zum Schnitt mit der 
Tangente in JT, wobei der Kreis in L getroffen werde. Es ist 
bekannt, dass die Fallzeit für LE gleich der für CE sei, aber 
diejenige für KE ist grösser als die für LE] mithin ist auch 
die Fallzeit für KE grösser als die für CE ; nun ist die Fall- 
zeit für KE gleich der für CF, da diese Strecken ganz gleich 
lang und gleich geneigt sind; ähnlich sind auch CG und JE 
einander gleich und gleich geneigt, sodass deren Fallzeiten die- 
selben sind, während diejenige für HE geringer ist als die für 
JEj da die Strecke kürzer ist; mithin ist auch die Fallzeit für 
CE (welche gleich der für HE ist) kürzer als die für JE, wo- 
raus das Theorem folgt. 




Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 65 



Theorem XX. Propos. XXXI. 

»Wenn über einer Horizontalen eine gerade Linie irgendwie 
geneigt liegt, so ist eine durch einen beliebigen Punkt der Hori- 
zontalen gelegte Ebene, längs welcher ein Körper in kürzester 
Zeit von einem Punkte jener Linie den Horizont erreicht, die- 
jenige, welche den Winkel zwischen denjenigen beiden Senk- 
rechten halbirt, die durch den genannten Punkt gezogen werden 
können, von welchen eine senkrecht zum Horizont, die andere 
senkrecht zur gegebenen Linie errichtet ist.cf 

Es sei AB (Fig. 91) die Horizontale, CD die beliebig ge- 
neigte Linie. Im Horizonte sei der Punkt A beliebig angenom- 
men, von welchem aus ^(7 senkrecht zu AB und A E senk- 
recht zu CD gezogen werde. Den 
Winkel CAE halbire die Linie AF, 
Ich behaupte, dass von allen Ebenen, 
die durch irgend welche Punkte von 
CD nach dem Punkte A hin gelegt 
werden können, FA diejenige sei, 
längs welcher der Fall bis A die 
kürzeste Zeit in Anspruch nimmt. 
Man ziehe FG parallei AE^ alsdann 
sind GFA, FAE als Wechselwinkel 
einander gleich ; aber EAFhi gleich 
FAG, mithin sind die Dreiecksseiten 
FGj GA einander gleich. Wenn 

man also von G aus mit dem Radius GA einen Kreis beschreibt, 
so wird dieser durch F hindurchgehen und die Horizontale und 
die Gerade in A und jP berühren; denn GFCi^t ein Rechter, 
da GjF parallel ^jE gezogen wurde. Hieraus folgt, dass alle 
anderen nach der Geraden von A aus gezogenen Linien über 
die Peripherie des Kreises hinaus sich erstrecken, woraus dann 
weiter folgt, dass die entsprechenden Fallzeiten länger seien, 
als für FAj w. z. b. w. 




Hülfssatz. 

«Wenn zwei Kreise sich von innen berühren, während der 
innere Kreis von einer beliebigen Geraden berührt wird, welche 
den äusseren Kreis schneidet, so werden die drei Liüien , die 
vom Contactpunkte der Kreise nach den drei Punkten der Be- 
rührenden,, nämlich nach dem Berührungspunkte des inneren 

Ostwald's Klassiker. 24. ^ 




66 • Galileo Galilei. 

und nach den Schnittpunkten mit dem äusseren Kreise, gezogen 
werden können, mit einander gleiche Winkel einschliessen.« 

Im Punkte A (Fig. 92) berühren sich zwei Kreise, deren 
Mittelpunkte B und C seien; der innere Kreis werde von einer 
sonst beliebigen Geraden FG \m Punkte H berührt, während 
der grössere in F und G geschnitten werde. Man ziehe AF^ 
AH, AG, Ich behaupte, die von diesen eingeschlossenen 

Winkel FAH, G AH seien einander 
gleich. Man verlängere AH bis zur 
Peripherie in J, und ziehe aus beiden 
Centren die Linien BH und CJ, des- 
gleichen verbinde man B mit C und 
verlängere bis zum Contactpunkt Aj 
sowie andererseits bis zu den Periphe- 
rien in O und N. Da die Winkel 
JON, HBO einander gleich sind, 
da jeder von ihnen gleich 2JAIJ ist, 
so müssen BH und CJ einander 
Fiff. 92. parallel sein. Da aber BH vom Cen- 

trnm aus nach dem Berührungspunkte 
gezogen , senkrecht steht auf FG, so steht auch CJ senkrecht 
zu FG, folglich ist der Bogen FJ gleich dem Bogen JG, mithin 
ist auch der Winkel i^^/ gleich dem Winkel JA 6r, w. z. b. w. 



Theorem XXL Propos. XXXH, 

»Nimmt man im Horizonte zwei Punkte an und legt eine 
beliebige Ebene durch den einen von ihnen nach der Seite des 
anderen hin, verbindet den anderen Punkt mit einem Punkte 
der Geneigten, der ebenso weit vom Anfangspunkte der letzteren 
absteht, wie die beiden Punkte im Horizonte, so wird der Fall 
längs dieser Ebene rascher vor sich gehen, als längs irgend 
welchen anderen Ebenen , die von demselben Punkte aus nach 
der Geraden gezogen werden können. Längs anderen Ebenen, 
die um gleiche Winkel von jener abweichen, sind die Fallzeiten 
einander gleich.« 

Im Horizonte liegen zwei Punkte AB (Fig. 93). Durch B 
lege man die geneigte Linie B C, auf welcher von B aus das 
Stück BD gleich BA abgeschnitten werde. Man verbinde A 
mit D. Ich behaupte, die Fallzeit für A D sei kürzer als die 
längs anderen Ebenen von A bis zur Geraden B C, Aus den 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 67 

Punkten A und D ziehe man AEy DE senkrecht zn BA und 
B D. Der Schnittpunkt sei E, Weil nun im gleichschenkligen 
Dreieck ^5 2> die Winkel BAD, BD A einander gleich sind, 
so werden auch die zum Rechten nöthigen Ergänzungswinkel 
DAE, EDA einander 
gleich sein ; mithin wird ein 3 
um E mit E A beschriebener 
Kreis durch D hindurch- 
gehen und die Geraden BA, 
B D in den Punkten A, D 
berühren. Da nun A der 
obere Endpunkt der Senk- 
rechten A E ist, so ist die 
Fallzeit f^r AD kürzer, als 
für jede andere von A nach 
BCühev die Kreisperipherie 
hinausreichende Ebene; was 
zunächst zu beweisen war. 

Verlängert man die Senkrechte A E und nimmt irgend einen 
Punkt F als Centrum eines mit dem Radius FA zu beschreiben- 
den Kreises AGC an , der die berührende Linie in G und C 
schneidet, verbindet man ferner A mit G und (7, so bilden diese 
letzteren mit der Halbirenden AD gleiche Winkel, wie früher 
bewiesen war, während die Fallzeiten längs beiden Strecken 
AG, .beieinander gleich sind, da sie Sehnen eines Kreises sind. 




Fig. 93. 



Probi. XII. Propos. XXXIII. 

»Es seien eine Senkrechte und eine Geneigte gegeben, beide 
von gleicher Höhe , mit gleichem obersten Punkte. Es soll in 
der Senkrechten oberhalb des gemein- 
samen Punktes der Ort angegeben wer- 
den, von welchem aus ein Körper fallen 
müsste, um nach dem Fall aus demsel- 
ben längs der geneigten Strecke ebenso 
lange zu fallen, wie längs der ursprüng- 
lich gegebenen senkrechten Strecke von 
der Ruhelage in deren oberstem Punkte 
aus.<( 

Die Senkrechte und die Geneigte 
gleicher Höhe seien AB, ^C(Fig. 94). 




Fig. 94. 



68 Galileo Galilei. 

Es soll in BA oberhalb A ein Punkt gefunden werden, von dem 
aus ein Körper erst senkrecht fallend dann die Strecke AC in 
derselben Zeit durchlaufen würde, in welcher er die Senkrechte 
AB von der Ruhelage in A aus durchmisst. Man construii'e 
DCE senkrecht zu ACj schneide CD gleich AB ab und ziehe 
AD: alsdann wird der Winkel ADC grösser sein, als der 
Winkel CAD (denn CA ist grösser als ABj oder als CD). 
Man trage den Winkel DAE gleich ADE bei ^ an und er- 
richte senkrecht zu A E die Gerade EF, der die geneigte, ge- 
hörig verlängerte Ebene in F begegne. Von A aus schneide 
man AJ und AG gleich CF ah, und ziehe durch G eine dem 
Horizont parallele Gerade GH. Ich behaupte, H sei der ge- 
suchte Punkt. 

Die Fallzeit längs der Senkrechten AB sei AB, so ist die- 
jenige für AC, von der Ruhelage in A aus, gleich AC. Da 
nun im rechtwinkligen Dreieck AEF vom rechten Winkel E 
aus EC senkrecht steht zur Basis AF, so ist A E die mittlere 
Proportionale zu FA, A C und CE die mittlere Proportionale 
zu AC, CF oàer zu CA, AJ. Da nun die Fallzeit für AC, 
von A aus, gleich ^C ist, so ist A E diejenige für die ganze 
Strecke AF, EC aber diejenige für AJ. Da nun im gleich- 
schenkligen Dreieck AED die Seiten AE, ED einander 
gleich sind, so ist ED die Fallzeit für AF undEC die FaU- 
zeit für AJ. Mithin ist CD oder AB die Fallzeit für JF 
von der Ruhelage A aus, d. h. mit anderen Worten: AB ist 
die Fallzeit für AC von G oder von H aus, welches ver- 
langt war. 

Probi. XIII. Propos. XXXIV. 

»Eine geneigte Ebene und eine Senkrechte von ein und dem- 
selben höchsten Punkte aus seien gegeben. Es soll ein höherer 
Punkt der Senkrechten bestimmt werden, von dem aus ein Kör- 
per herabfällend und alsdann in die geneigte Ebene sich fort- 
bewegend, diesen Weg in derselben Zeit zurücklegt, wie die ge- 
neigte Ebene allein vom obersten Punkte aus.« 

Die geneigte Ebene und die Senkrechte seien AB, AC 
(Fig. 95) mit dem gemeinsamen Anfange A. In der Senkrechten 
oberhalb A soll ein Punkt gefunden werden, von dem aus ein 
Körper zuerst senkrecht, dann längs der Geneigten AB sich 
fortbewegend, diese Bahn in derselben Zeit durchläuft, wie die 
geneigte Ebene allein vom Punkte A 'aus. 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 69 

Man ziehe die horizontale Linie BC und trage AN gleich 
^(7 ab; dann mache man AL zu ZC, wie AB zu BNj nehme 
alsdann ^J^ gleich AL, In der Verlängerung der Senkrechten 
trage man ein Stück CE an, sodass CE die dritte Proportionale 
zu A C, BJ. Ich behaupte, CE sei die geforderte Strecke, so 
zwar, dass, wenn man AX gleich CE am oberen Ende der 
Senkrechten anfügt, der Körper von X aus die Bahn XAB in 
derselben Zeit durcheilt, wie die Ebene AB von A aus. Man 
ziehe die Horizontale XR parallel B (7, die der Ebene BA in 
R begegne, verlängere AB bis i>, ziehe ED parallel (7jB, 
beschreibe über AD als Durchmesser einen Halbkreis und er- 
richte in B eine Senkrechte zm DA bis zur Kreisperipherie. 
Offenbar ist FB die mittlere Proportionale zu AB, BDj und 




Fig. 95. 



die Verbindungsgerade FA die mittlere Proportionale zu DA, 
AB. Man trage BS gleich BJ ab und FH gleich FB. Nun ist 
AB zu BDj wie AC zu CE, und BF ist die mittlere Proportionale 
zu ABj BDj sowie -B/ diejenige zu AC, CE; daher verhält sich 
BA zu ACy wie FB zu BS. Da nun BA zu AC oder BA zu 
ANy wie FB zu Ä/S', so ist auch BF zu FS, wie AB zu ÄiVoder 
auch wie AL zu X(7. Daher ist das Rechteck aus FB, CL gleich 
dem Rechteck SiUsAL,SF; allein dieses letztere Rechteck ist der 
üeberschuss des Rechtecks AL, FB oder, was dasselbe ist, des 
Rechtecks AJ, BF Hher dem Rechteck AJ^ SB oder AJ, JB', 
andererseits ist das Rechteck FB, LC der üeberschuss des 
Rechtecks AC, BF über dem Rechteck AL, BF; aber die 
Rechtecke AC, BF und AB, BJ sind einander gleich (da 
B A zu AC sich verhält, wie FB zu BJ], folglich ist der 



70 Galileo Galilei. 

üeberschuss des Rechtecks AB, BJ über dem Rechteck AJ, 
BF oder AJy jPH^ gleich dem üeberschuss des Rechtecks AJ, 
FHÜbeT dem Rechteck AJ, JB\ mithin ist das Doppelte des 
Rechtecks A J, FH gleich der Summe der beiden Rechtecke 

AB, BJunà. AJ, JB: d. h. gleich dem Doppelten von AJ, 
JB mitsammt dem Quadrate von BJ. Fügt man das beiden 
gemeinsame Quadrat von A J hinzu, so wird das Doppelte vom 
Rechteck AJ, JB sammt den beiden Quadraten von AJ und 
JB, also einfach das Quadrat von AB, gleich sein dem Doppelten 
vom Rechteck AJ, FH, mitsammt 'dem Quadrat von AJ, Fügt 
man wiederum beiderseits das Quadrat von £i^ hinzu, so wer- 
den die beiden Quadrate von AB und BF, die zusammen gleich 
dem Quadrat von AF sind, gleich zwei Rechtecken AJ, FH. 
mitsammt den beiden Quadraten von AJ, FB oder von AJ, 
FH sein. Aber das Quadrat von AF ist gleich zwei Recht- 
ecken AH, HF mitsammt zwei Quadraten von AH und HF] 
folglich sind zwei Rechtecke A J, FH mitsammt den Quadraten 
von AJund i^^ gleich zwei Rechtecken AH, ÄjP mitsammt 
den Quadraten von AH und HF. Nach Fortnahme des ge- 
meinsamen Quadrates von HF bleiben zwei Rechtecke AJ, FH 
mitsammt dem Quadrat von A J gleich zwei Rechtecken A H, 
HF mitsammt dem Quadrat von AH. Da nun allen Recht- 
ecken die Seite i^-ff gemein ist, muss die Linie -4 JET gleich der 
Linie AJ sein. Denn wäre sie grösser oder kleiner, so müssten 
auch die Rechtecke FH, HA und das Quadrat von HA grös- 
ser oder kleiner sein als die Rechtecke FH, JA und das 
Quadrat von JA ; was nach dem Vorigen nicht stattfindet. 

Wenn nun die Fallzeit für AB gleich AB, so ist diejenige 
für A C gleich A C, während JB, die mittlere Proportionale zu 

AC, CE die Fallzeit für CE oder für XA, von X aus, sein 
wird; da nun zu DA, AB oder zu RB, BA die mittlere Pro- 
portionale gleich ^i^ist, während zu AB, BD oder zu RA, 
AB die mittlere Proportionale gleich BFi^i, dem FH gleich 
ist, so wird nach dem Vorhergehenden der üeberschuss AH 
die Fallzeit für AB , von R aus, sein, oder was dasselbe ist, 
von X aus; die Fallzeit für AB von A aus aber war gleich 
AB. Mithin ist die Fallzeit für XA gleich JB; für AB, von 
R oder von X aus, gleich AJ-, mithin ist die Fallzeit für 
XAB gleich AB, d. h. gleich der für AB von A aus, w. z. 

b. W.30) 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 7 1 




Fig. 96. 



Probi XIV. Propos. XXXV. 

»Eine gegen eine Senkrechte geneigte Ebene sei gegeben. 
In der letzteren soll der Ort bezeichnet werden, bis zu dem die 
geneigte Bahn in dersel- 
ben Zeit durchlaufen 
wird, wie längs der Senk- 
rechten mitsammt der 
geneigten Bahn.« 

Es sei die Senkrechte 
AB (Fig. 96) und die 
Geneigte BC. Es soll in 
B C der Punkt bestimmt 
werden, bis zu dem die 
geneigte Strecke in der- 
selben Zeit durchlaufen 
wird, wie die senkrechte 
Bahn A B mitsammt 
der geneigten Strecke. 
Man ziehe die Hori- 
zontale ADj die der geneigten Ebene in JE begegne; niian 
trage BF gleich BA ab und schlage um JS mit dem Badius EF 
den Kreis FJG ; dann verlängere man FF bis zur Peripherie 
in G und mache BH zu HF wie BG zu BF\ von H ziehe 
man eine Tangente an den Kreis an den Berührungspunkt «/. 
Darauf errichte man von B aus eine Senkrechte DKzm F0\ 
dieselbe schneide die Linie EJL im Punkte L ; endlich ziehe 
man LM senkrecht zu EL bis zum Schnittpunkte M mit der 
Geneigten B C, Ich behaupte, dass von B aus die Bahn BM 
in derselben Zeit durchlaufen werde, wie von A aus die Strecken 
AB, J5Jf zusammen. Man trage jEiV gleich EL ab. Da, GB 
zu ^jP wie BH zu HF, so ist auch GB zu BH wie BF zu 
FH und auch GH zu HB wie BH zn HF. Deshalb ist das 
Rechteck GH, ^JF gleich dem Quadrate von HB: aber das- 
selbe Rechteck ist auch gleich dem Quadrate von HJ, folglich 
ist BH gleich HJ. Da nun im Viereck JLBH die Seiten 
HB, HJ einander gleich sind und die Winkel ^ und /Rechte 
sind, so ist auch die Seite BL gleich der Seite LJ] aber EJ 
ist gleich EF, folglich ist die ganze Strecke LE oder NE gleich 
der Summe von LB und E F. Zieht man die gemeinsame 
Strecke EF ab, so bleibt der Rest FN gleich L B. Nun war 



72 



Galileo Galilei. 



FB gleich BA, folglich ist LB gleich der Summe von AB 
und BN. Sei nun wiederum die Fallzeit für AB gleich AB, 
so ist diejenige für EB gleich EB: die Fallzeit für EM aber 
ist ENy nämlich die mittlere Proportionale zu ME. EB; des- 
halb ist für den Rest BM die Fallzeit, nach EB oder AB, 
gleich BN. Da nun AB die Fallzeit für AB ist, so iat die- 
jenige längs beiden Strecken ABM gleich ABN Da ferner 
die Fallzeit für EB von E aus gleich £Ä ist, so wird diejenige 
für BM von B aus gleich der mittleren Proportionale zu B E, 
BM^Qm, also BL. Mithin ist die Fallzeit für ABM yon A 
aus gleich ABN\ während diejenige für BM allein, von B 
aus, gleich B L ist, denn es war bewiesen, dass BL gleich der 
Summe von AB und JSiVsei, w. z. b. w.3i) 

Kürzer folgendermaassen : JBC (Fi^. 97) sei die Geneigte^ 
BA die Senkrechte. Durch B errichte man eine Senkrechte zu 
EC nach beiden Seiten und mache BH gleich dem üeberschuss 
von BE über BA. Dann mache man den Winkel HEL gleich 
BHEj die Gerade EL schneide BKinL] von L aus errichte 
man eine Senkrechte zu EL, LM, welche BC in Jf schneide. 
Ich behaupte, BM sei die geforderte Strecke der geneigten 
Ebene. Da nämlich ML E ein Rechter ist, so wird BL die 
mittlere Proportionale zu MB, BE sein, sowie LE die mittlere 
Proportionale zu ME, EB. Man schneide JSiV^ gleich EL ab; 
alsdann sind die drei Linien NE, EL, LH einander gleich 
und HB wird gleich dem Üeberschuss von NE über BL sein. 

Aber dieselbe Linie HB ist auch 
der üeberschuss von NE über 
NB sammt BA, folglich ist BL 
gleich der Summe von NB und 
BA. Sei nun die Fallzeit für 
EB gleich EB, so ist BL die- 
jenige für BM von B aus; und 
B N wird auch die Fallzeit sein 
für BM nach EB oder nach dem 
Fall durch AB ; AB aber ist die 
Fallzeit für A B. Folglich ist die 
Fallzeit für ABM, nämlich ABN 
gleich der Fallzeit für BM&Hein 
von B aus, w. z. b. w. — 




Fig. 97. 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 73 



Hülfssatz. 

Es stehe D C (Fig. 98) senk- 
recht zum Durchmesser BA, und 
vom Endpunkte B ziehe man ir- 
gendwie BED oder BDEj und 
verbinde B mit F, Ich behaupte, 
FB sei die mittlere Proportionale 
zu DB, BF. Man ziehe FF und 
durch B eine Tangente BG, wel- 
che der Geraden CD parallel sein 
wird; daher die Winkel DBG 
und FDB einander gleich sein 
werden. Aber GBD ist auch 
gleich FFB, mithin sind die Dreiecke FB D und FFB ein- 
ander ähnlich; also verhält sich BD zu BF, wie FB zu BF. 




Fig. 98. 



Hülfssatz. 



B 



E G F 



Fig. 99. 



Es sei AC (Fig. 99) ^. 

grösser als die Linie DF, 

und das Verhältniss von • 

AB zu ^C sei grösser, 
als das Verhältniss von DF 

zu FF. Ich behaupte, AB sei grösser als DF. Da nämlich 
AB zu BC grösser als DF zu FF, so mache man DF 
zu FG (kleiner als FF) wie ^ J5 zu J5C, und da ^jB zu 5(7 
wie DE zu FG, so verhält sich, wenn man zusammensetzt und 
umkehrt, GD zu D E wie CA zu AB: aber CA ist grösser 
als GD, folglich ist BA grösser als DE. 



Hülfssatz. 

Es sei ACJB (Fig. 100) ein Quadrant und J[C parallel sei 
BE gezogen. Aus irgend einem Punkte dieser letzteren Linie 
werde ein Kreis BOFS beschrieben, der AB m B berühre 
und den Quadranten in / schneide. Man ziehe CB und C/und 
verlängere letzteres bis S. Ich behaupte, die Strecke CJ sei 
stets kürzer als CO. Man verbinde A mit /, so wird diese Ge- 



74 



Galileo Galilei. 



rade den Kreis BOE berühren. Denn wenn man DJ zieht, 
so wird DJ gleich DB sein. Da aber DB den Quadranten 
berührt, so wird auch DJ dasselbe thun, und zudem zum Radius 
^/senkrecht stehen. Daher berührt auch AJà^n Kreis BOE 
in J. Da nun der Winkel AJC grösser ist als der Winkel 
ABC, da er einen grösseren Bogen einschliesst, so wird auch 





der Winkel iS/iV grösser sein als der Winkel ABC\ daher ist 
der Bogen JES grösser als ^ O; und die Linie CS liegt näher 
zum Centrum als CB : daher ist C O grösser als CJj denn es 
verhält sich SC zu CB, wie O C zu CJ. 

Dasselbe findet erst recht statt, wenn BJC (Fig. 101) we- 
niger als einen Quadranten beträgt, denn die Senkrechte DB 
wird den Kreis CJB schneiden: daher auch, da DJ gleich 
DB ist, der Winkel DJ A ein stumpfer sein und AJN den 
Kreis BJE schneiden wird. Da nun der Winkel ABC kleiner 
ist als der Winkel AJC, welch letzterer gleich SJNi^i, dieser 
aber kleiner ist als derjenige, den SJ mit der Tangente in / 
bildet, so wird um so mehr der Bogen SEJ grösser als 50 
sein, woher das üebrige folgt. 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 75 



Theorem XXII. Propos. XXXVL 

»Wenn vom untersten Punkte eines Kreises eine Sehne ge- 
zogen wird, die weniger als einen Quadranten spannt, und wenn 
von den Endpunkten dieser Sehne zwei Linien nach irgend 
einem Punkte des zwischenliegenden Kreisbogens gezogen wer- 
den, so durchläuft ein Körper die beiden letztgenannten Strecken 
in kürzerer Zeit, als die ganze Sehne, und auch in kürzerer 
Zeit, als die untere der beiden Strecken allein. 

Vom untersten Punkte C (Fig. 102) erstrecke sich der Kreis 
CBDj kleiner als ein Quadrant, die Sehne CD bilde eine ge- 
neigte Ebene; von D und 
C lege man nach dem Pe- 
ripheriepunkte B zwei ge- 
neigte Ebenen, so behaupte 
ich, die Fallzeit längs DBC 
sei kleiner als die für D C 
und auch kleiner als die für 
B Cj von B aus. Durch D 
ziehe man die Horizontale 
MDA, der die verlängerte 
Linie OB in A begegne. 
Man ziehe D N, MC senk- T 
recht zum Horizont und BN 
senkrecht zu BD. lieber 
dem rechtwinkligen Dreieck DBN beschreibe man den Halb- 
kreis DFBNy der DC in JF schneide; ferner sei DO die mitt- 
lere Proportionale zu CD und D F und A V die mittlere Pro- 
portionale zu CA^ AB, Es sei nun PS die Fallzeit für die 
Strecke DC^ sowie die für BC (da bekanntlich diese gleich 
sind) ; alsdann mache man PR zu PS^ wie O D zu CD\ als- 
dann wird PR die Fallzeit für 2>jP, von D aus, sein; RS 
dagegen die Fallzeit für den Rest FC. Nun aber ist PS auch 
die Fallzeit für B C von B aus ; man mache SP zu PT, wie 
BC zu CD\ alsdann ist PTdie Fallzeit filr AC von A aus, 
da (7Z> die mittlere Proportionale ist zu A (7, CB^ nach frühe- 
ren Beweisen. Man mache ferner PT zu PG^ wie CA zu AV\ 
so ist PT die Fallzeit für ^J?; GT dagegen ist die übrig- 
bleibende Zeit für die Strecke BC. von A aus. Da aber DN 

4 

ein zum Horizont senkrechter Durchmesser des Kreises DFN 
ist, so werden DF uuà. DB in gleichen Zeiten durchlaufen. 




S H 

Fig. 102. 



76 Galileo Galilei. 

Kann also bewiesen werden, dass der Körper die Strecke B C 
nach dem Falle längs DB schneller durchmesse, als FC nach 
dem Falle durch DF, so ist das Theorem bewiesen. Nun durch- 
läuft der Körper die Strecke B C mit derselben Geschwindig- 
keit, ob er aus D längs DB oder ob er aus A längs AB her- 
kommt, da er in beiden Fällen gleiche Geschwindigkeiten erlangt. 
Mithin bleibt zu zeigen tlbrig, dass BC nach AB in kürzerer 
Zeit zurückgelegt werde, als jP(7nach DF. Wir sahen, dass 
die Fallzeit für BC^ nach AB, gleich GT sei, während die- 
jenige für FC, nach DF, gleich RS war. Also muss noch be- 
wiesen werden, dass RS grösser ist als GT, was folgender- 
maassen gelingt; es verhält sich SP zu PR, wie CD zu D O 
und RS zu aS'P wie O C zu CD, wie aber SP zu PT, so ver- 
hält sich DCzM CA, Da femer TPzuPG wie CA zu A V, 
so verhält sich auch PT zu TG wie ^ C zu CV, folglich ver- 
hält sich i2 aS zu G T wie O (7 zu e F". Nun ist aber O C grös- 
ser als CV, wie sogleich bewiesen werden soll, folglich ist die 
Zeit RS grösser als die Zeit GT, w. z. b. w. — Da (7P grös- 
ser ist als CB, FD aber kleiner als ^^; so ist das Yerhältniss 
CD zu Z>P grösser als das von CA zu AB\ aber wie CD zu 
DF, so verhalten sich die Quadrate von CO und OF, à2i DO 
die mittlere Proportionale zu CD und DP ist. Wie ferner CA 
zu AB, so verhalten sich die Quadrate von CV und VB. 
Folglich ist das Verhältniss von CO zu OP grösser als das von 
CV zu VB, Nach dem vorigen Hülfssatz folgt mithin, dass 
CO grösser sei als CV, — Ausserdem sieht man, dass die Fall- 
zeit für D C sich zu der für DBC verhalte, wie DOC zur 
Summe von D und Cr.32) 



Zusatz. 

Aus dem Vorhergehenden kann erschlossen werden, dass 
die schnellste Bewegung von einem Punkte zu einem anderen 
nicht längs der kürzesten Linie, der geraden, zu Stande komme, 
sondern längs des Kreisbogens. Denn den Quadranten BAEC 
(Fig. 103), dessen Seite BC senkrecht zum Horizont stehe, 
theile man in beliebig viele gleiche Theile AD, DE, EF, FG, 
G C ; dann verbinde man durch gerade Linien die Theilpunkte 
A, D, E, F, G mit C\ ferner ziehe man AD, DE, EF, FG, 
G C. Offenbar geschieht die Bewegung längs ADC schneller 
als längs A C oder längs D C von D aus : aber von A ans 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 77 



wird 2>C schneller durchlaufen, als beide Strecken ADC. durch 

zwei Strecken DEC, von A aus, schneller als durch CD allein. 

Folglich ist die Fallzeit für drei Strecken ADEC kürzer als 

für zwei ADC Aehnlich wird nach dem Falle durch ADE 

die Bewegung längs 

EFC rascher erfolgen, 

als längs FC allein. 

Mithin durch vier 

Strecken AD EFC 

rascher, als durch drei 

^BEC Und endlich 

durch zwei Strecken 

jP OC nach dem Falle 
durch ADEF rascher, 
als dnrch FC allein. 
Mithin durch fünf 
Strecken ADEFGC 
rascher, als durch vier 
ADEFC. Jenäheralso 
das eingeschriebene Po- 
lygon sich an die Peri- 
pherie anschliesst, um so rascher kommt die Bewegung von A 
nach C zu Stande. Was aber für den Quadranten bewiesen ist, 
gilt auch für kleinere Bögen; und das ist das Theorem. ^^) 




Fig. 103. 



Probi XV. Propos, XXXVII, 

»Eine Senkrechte und eine Geneigte gleicher Höhe seien ge- 
geben: es soll ein Stück der Geneigten bestimmt werden, an 
Länge gleich der Senkrechten, längs welcher die Bewegung in 
derselben Zeit erfolgt, wie in der Senkrechten.« 

Es sei AB (Fig. 104) die Senkrechte, AC die geneigte 
Ebene. Es soll auf letzterer eine Strecke gleich A B gefunden 
werden, welche von A aus in derselben Zeit durchlaufen werde, 
wie die Senkrechte AB, Man mache AD gleich AB\ den Rest 
D C halbire man in J, mache A E zu CJ, wie CJ zu AC und 
trage DG gleich AE ab. Offenbar wird alsdann EG gleich 
AD und gleich AB sein. Ich behaupte, EG sei die Strecke, 
die bei dem Falle von A aus in derselben Zeit durchlaufen werde, 
wie die Senkrechte AB, Denn es verhält sich AC zu CJ wie 
CJ zu A E oder wie JD zu D G, folglich auch CA zu AJ 




78 Galileo Galilei. 

wie DJ zu /G. Da nun CA zu AJ wie CJ zu JGj so ist 
auch der üeberschuss von CA über CJ, d. h. JA^ zum üeber- 
schuss von AJiXhev JGj d. h. AG, wie CA zu AJ. Mithin 
ist AJ die mittlere Proportionale zu CA, AG, und CJ diejenige 

zu CA, AU, Wenn nun die 
A Fallzeit für AB gleich AB, 
so ist A C diejenige für A C 
und CJ oder JD diejenige 
für AE, Da nun AJ die 
mittlere Proportionale ist zu 
CA, A G und CA die Fall- 
zeit für CAj so ist AJ die- 
Fig. 104. jenige für AG] und der 

Rest JC ist die Fallzeit für 
den Rest GC: es war aber DJ die Fallzeit für AJE, folglich 
sind DJ, JC die Fallzeiten für ^i; und CG; mithin ist der 
Rest DA die Fallzeit für EG und zugleich diejenige für AB, 
was verlangt war. 3^) 



Zusatz. 

Aus dem Vorhergehenden folgt, dass die geforderte Strecke 
zwischen einer oberen und unteren Strecke liegt, die in gleichen 
Zeiten durchlaufen werden. ^5) 



ProbL XVI. Propos. XXXVIII, 

» Zwei horizontale Ebenen seien von einer Senkrechten ge- 
schnitten; es soll in der letzteren ein Punkt gefunden werden, 
von welchem aus Körper zuerst senkrecht fallend, dann in die 
Horizontalen einlenkend, in diesen letzteren in gleichen Zeiten 
Strecken zurücklegen, die in einem gegebenen Verhältnisse zu 
einander stehen.« 

Die horizontalen Ebenen CD, BE (Fig. 105) seien von 
der Senkrechten -4 CjB geschnitten, und das gegebene Verhältniss 
sei das der kleineren Strecke iVzur grösseren FG. Es soll in 
der Senkrechten ein höherer Punkt bestimmt werden, von dem 
aus ein fallender und nach CD abgelenkter Körper in einer 
Zeit, die gleich seiner Fallzeit ist, eine horizontale Strecke zu- 
rücklegt, die sich zu derjenigen, die der andere Körper, nach- 



Unterred iiDgen und mathematische Demonstrationen etc. 79 




N 



F H 
Fig. 105. 



dem er von demselben Punkte aus in die andere Horizontale 

IB £ abgelenkt worden 

in einer Zeit, die gleich A 

ist seiner Fallzeit, in der 

anderen Horizontalen zu- 
rücklegt, verhält, wie N 

zu FG. Man mache GH 

gleich iV, und construire 

CL zu B C, wie FH zu 

HG. Ich behaupte, L 

sei der geforderte Punkt. 

Macht man nämlich CM 

gleich 2 CL und zieht 
LMj welches die Ebene 
JBE in O schneidet, so 
wird auch BO gleich 2BL sein. Da nun FHzvl HG wie BC zu 
CLj so ist auch HG oder iV zu GF, wie CL zu LB, d. h. 
wie CM zu B 0. Da nun CM gleich '2LC, so ist CM die 
Strecke, die der Körper von L aus, nach dem Fall durch LC, 
in der Horizontalen CD zurücklegt; ebenso ist B O die Strecke, 
die nach dem Falle durch LB in der Fallzeit für LB durch- 
laufen wird, da J?0 gleich 2BLj woraus die Lösung folgt. 

Sagr, Wahrlich, mir scheint, es muss unserem Akademiker 
zugestanden werden, dass er ohne Prahlerei sich das Verdienst 
zuschreiben konnte, eine neue Kenntniss über einen sehr alten 
Gegenstand erschlossen zu haben. Wie er mit Glück und Ge- 
schick ans einem einzigen, einfachen Princip eine Fülle von 
Theoremen gewinnt, das macht mich staunen ; und wie konnte 
das Gebiet unberührt bleiben von Arehimedes, ApolloHius, 
Euclid und noch vielen anderen Mathematikern und berühmten 
Philosophen, und doch sind über die Bewegung gewaltig dicke 
Bände in grosser Zahl geschrieben worden. 

Sah. Bei Euclid findet man ein Fragment über die Be- 
wegung, aber man entdeckt nicht den Weg, den er betreten, 
um die Verhältnisse der Beschleunigung und die Beziehungen 
bei verschiedenen Neigungen zu ergründen. Deshalb kann man 
wohl behaupten, dass erst jetzt die Thore geöffnet sind zu einer 
neuen Methode, die eine endlose Menge bemerkenswerther Un- 
tersuchungen ermöglicht, wie solche in der Zukunft andere Kräfte 
anstellen können. 

Sagr. Wahrlich, ich glaube, dass, sowie die wenigen Eigen- 
schaften des Kreises, die beispielsweise im dritten Buch der 



1 



so Galileo Galilei. 

Elemente des Euclid bewiesen werden , die Stütze bilden für 
zahlreiche andere , noch verborgene Beziehungen, gerade so 
die hier in dieser kurzen Abhandlung vorgeführten Sätze , 
wenn sie in die Hände anderer denkender Forscher gerathen, 
immer wieder neuen wunderbaren Erkenntnissen den Weg bah- 
nen werden ; und es wäre denkbar, dass in solcher Weise die 
würdevolle Behandlung des Gegenstandes allmählich auf alle 
Gebiete der Natur sich erstrecken dürfte. 

Der heutige Tag war lang und ziemlich mühevoll ; ich habe 
mehr Gefallen gefanden an den Sätzen, als an den Beweisen, 
denn um letztere mir gründlich anzueignen, werde ich einem 
jeden mehr als eine Stande widmen müssen; solches Studium 
behalte ich mir für die Mussezeit bevor und bitte Euch um das 
Buch, wenn wir das üebrige über den Wurf werden kennen ge- 
lernt haben, was, wenn es Euch so recht ist, an dem nächsten 
Tage geschehen könnte. 

Sah. Ich werde Euch zu Diensten stehen. 

Ende des dritten Tages. 



Vierter Tag. 

"Sah. Da kommt ja Herr Simplicio noch zu rechter Zeit. 
So wollen wir denn ohne weiteres zur Bewegung übergehen. 
Hier ist der Text unseres Autors : 

Ueber die Wurf bewegung. 

Wir haben bisher die gleichförmige Bewegung und die natür- 
lich beschleunigte, längs geneigten Ebenen, behandelt. Im 
Nachfolgenden wage ich es. einige Erscheinungen und einiges 
Wissenswerthe mit sicheren Beweisen vorzuführen über Körper 
mit zusammengesetzter Bewegung, einer gleichförmigen nämlich 
und einer natürlich beschleunigten; denn solcher Art ist die 
Wurfbewegung und so lässt sie sich erzeugt denken. 

Wenn ein Körper ohne allen Widerstand sich horizontal 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. gl 

he^regt, so ist ans allem Vorhergehenden, ansftlhrlich Erörterten 
bekannt, dass diese Bewegung eine gleichförmige sei und unauf- 
hörlich fortbestehe auf einer unendlichen Ebene : ist letztere 
hingegen begrenzt und ist der Körper schwer, so wird derselbe, 
am Ende der Horizontalen angelangt, sich weiter bewegen, und 
zu seiner gleichförmigen unzerstörbaren Bewegung gesellt sich 
die durch die Schwere erzeugte, so dass eine zusammengesetzte 
Bewegung entsteht, die ich Wurfbewegung (projectio) nenne 
und die aus der gleichförmig horizontalen und aus der gleich- 
förmig beschleunigten zusammengesetzt ist. Hierttber wollen 
YTÌT einige Betrachtungen anstellen. 



Theorem L Propos. I. 

Ein gleichförmig horizontaler und zugleich gleichförmig be- 
schleunigter Bewegung unterworfener Körper beschreibt eine 
Halbparabel. 

Sagr, Wir müssen, Herr Salviati^ um meinet- und wohl, 
wie ich glaube, Herrn Simplicio'^ willen, ein wenig Halt machen, 
da ich nicht so tief in die Geometrie eingedrungen bin, dass ich 
den Apollonius beherrsche, der, so viel ich weiss, über diese 
Parabeln und über die anderen Kegelschnitte geschrieben hat, 
und ohne deren Kenntniss wohl kaum die folgenden Lehrsätze 
verständlich sein dürften. Da schon gleich in dem ersten schönen 
Theorem der Autor uns die Wurflinie als Parabel vorführen will, 
so scheint mir, dass wir zunächst über diese Linien handeln 
sollten, um dieselben gründlich zu kennen, und wenn auch nicht 
alle von Apollonius bewiesenen Eigenschaften, so doch wenig- 
stens diejenigen zu erörtern, die im Nachfolgenden als bekannt 
vorausgesetzt werden. 

Sah. Sie sind gar zu bescheiden, wenn Sie nochmals durch- 
nehmen wollen , was Sie kürzlich als Ihnen völlig bekannt be- 
zeichnet haben. Ich erinnere Sie daran, dass in unseren Unter- 
redungen über die Festigkeit wir einen Satz des Apollonius 
brauchten, der uns keine Schwierigkeiten bereitete. 

Sagr. Es kann sein, dass ich ihn noch kannte und ihn für 
jenen Zweck gelten liess, so weit es nothwendig erschien; hier 
aber, wo wir viele Sätze über solche Linien kennen lernen sollen, 
müssen wir mit der Zeit und Anstrengung nicht gar zu sehr 
geizen (non bisogna, come si dice, bevere grosso, buttando via 
il tempo e la fatica) . 

Ostwald's Klassiker. 24. 6 



82 



Galileo Galilei. 



Simpl. Und was mich betrifft, — wenn auch Herr Sagredo 
gut gerüstet ist, — mir steigen wiederum die frtlheren Schranken 
auf: denn wenn auch unsere Philosophen diesen Gegenstand in 
der Lehre vom Wurf behandelt haben, so erinnere ich mich 
doch nicht, dass sie jene Curven beschrieben hätten, sie be- 
zeichnen sie vielmehr nur sehr allgemein als krumme Linien, 
ausgenommen den senkrechten Fall. Und ferner^ wenn das 
Wenige an Geometrie, das ich dann und wann während unserer 
Unterredungen aus dem Euclid erlernt habe, nicht zum Ver- 
ständniss des Folgenden hinreicht, so würde ich die Theoreme 
wohl gläubig annehmen, aber nicht völlig erfassen können. 

Sah. Ihr werdet dann Dank wissen unserem Autor, der» 
als er mir einen Einblick in seine Studie gestattete, da ich da- 
mals die Bücher des Apollonius nicht zur Hand hatte, zwei 
Haupteigenschaften jener Parabel ohne irgend welche Voraus- 
setzungen erklärte, Eigenschaften, auf die wir uns in vorliegen- 
der Abhandlung stützen werden, die auch von Apollonius gut 
bewiesen sind, aber unter vielen anderen, die kennen zu lernen 
uns viel Zeit kosten würde; ich aber hoffe unseren Weg zu 
kürzen, wenn ich die erste Eigenschaft sofort aus der einfachen 
Erzeugung der Parabel herleite, und darauf unmittelbar den 
Beweis für die zweite anschliesse. Zunächst also die erste 
Eigenschaft: Man denke sich einen geraden Kegel mit der 

kreisförmigen Basis JBjfiTC (Fig. 106) 
und mit dem Gipfel i. Eine Ebene 
parallel der Seite L K schneide den 
Kegel und erzeuge den Parabel- 
schnitt BACj dessen Basis 5 (7 den 
Durchmesser JK des Kreises JBKC 
rechtwinklig schneidet, und es sei die 
Parabelaxe parallel der Seite LK. 
Man nehme einen beliebigen Punkt 
F der Curve BFA und ziehe FE 
parallel zu jB Z>. Ich behaupte, das 
Quadrat von BD verhalte sich zum 
Quadrate von FE wie die Axe 
DA zum Stück AE, Durch 
den Punkt E denke man sich 
eine Ebene parallel dem Kreise 
JBKC gelegt, so wird dieselbe den Kegel in einem Kreise 
schneiden, dessen Durchmesser GEH sein wird. Da nun zum 
Durchmesser JK des Kreises JBKC die Gerade BD senkrecht 




Fig. 106. 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. S3 



steht, so ist das Quadrat von BD gleich dem Rechteck JDy 
DK, Desgleichen wird im oberen durch GFH gedachten 
Kreise das Quadrat von FE gleich sein dem Rechteck G E, 
EH. Folglich verhalten sich die Quadrate von BD^ FE wie 
die Rechtecke JD, DKma GE, EH. Da aber ED parallel 
itKj so ist die Linie -B -ff gleich DK, da beide einander pa- 
rallel sind; ferner werden die Rechtecke JDj DK uni GE^ 
EH sich verhalten wie JD zu GE, d. h. wie DA zu AE, 
Also verhalten sich die Rechtecke /Z>, DKnnà GE,EH oder 
die Quadrate von BD und FE wie die Axe DA zum Stück 
AE, w. z. b. w. 

Der zweite Satz, dessen wir bedürfen, ist der folgende : Ver- 
zeichnen wir die Parabel und verlängern ihre Axe CA (Fig. 
107) nach aussen nach D hin, ziehen dann durch den beliebigen 
Punkte eine Linie J9 (7 parallel der Parabelbasis, und schneiden 
i>^ ab gleich CA, alsdann, behaupte ich, wird eine Gerade, 
die D und B verbindet, nicht die Parabel schneiden, sondern 
ausserhalb bleiben , so dass sie dieselbe im Punkte B nur be- 
rührt. Denn angenommen, es sei möglich, dass diese Gerade 
die Parabel oberhalb oder dass ihre Verlängerung unterhalb sie 
treffe, so nehme man einen Punkt G und ziehe die Gerade FGE. 
Da hun das Quadrat von FE grösser ist als das Quadrat von 
GE, so ist das Verhältniss der Quadrate von FE und B C 
grösser als das der Quadrate von GE 
und BC. Da nun nach dem vorigen 
Satze die Quadrate von FE und BC sich 
verhalten wie E A zu AC, so ist das 
Verhältniss E A zu AC grösser als das 
der Quadrate von GE und BC, also 
auch als das der Quadrate von ED und 
D C (da im Dreieck DGE sich GE zur 
Parallelen BC verhält, wie ED zu DC). 
Aber E A zu AC oder AD, wie vier 
Rechtecke EA, AD zu vier Qua- 
draten von AD, d. h. zum Quadrate 
von CD (welches gleich vier Qua- 
draten von A D) , folglich haben vier 
Rechtecke EA, AD zum Quadrate 
von CD ein grösseres Verhältniss, als die Quadrate von ED 
und DC\ mithin wären vier Rechtecke EA, AD grös- 
ser als das Quadrat von ED, was unrichtig ist, da sie viel- 
mehr kleiner sind; denn die Theile EA, AD der Linie ED 

6* 




Fig. 107. 



84 



Galileo Galilei. 



sind ungleich. Ans Allem folgt, dass DB die Parabel berühre 
in B nnd nicht schneide, w. z. b. w. 

Simpl, Ihr geht in Euren Beweisen gar vornehm vor ; so 
viel mir scheint, setzt Ihr immer voraus, dass alle ^w6?/ief sehen 
Sätze mir eben so geläufig seien, wie seine Axiome, was ab^r 
keineswegs zutrifft. Soeben ist mir entgangen, warum vier Recht- 
ecke EA, AD kleiner sind als das Quadrat von ED^ wenn 
die Theile EA^ AD der Linie ED ungleich sind. Ich zweifle 
noch an der Richtigkeit der Behauptung. 

Sah, Wahrhaftig, alle geschulten (non vulgari) Mathema- 
tiker pflegen anzunehmen, dass dem Leser wenigstens die Ele- 
mente des Euclid völlig geläufig seien; Euch zu dienen wird 
genügen daran zu erinnern, dass, wenn eine Linie in zwei 
gleiche Theile getheilt wird und abermals in ungleiche Theile, 
das Rechteck aus letzteren kleiner ist als das aus den gleichen 
Theilen gebildete (d. h. als das Quadrat der Hälfte) um so viel, 
als das Quadrat der Strecke zwischen beiden Theilpunkten be- 
trägt, woraus folgt, dass das Quadrat der ganzen Strecke, wel- 
ches vier Quadraten der halben gleich ist, grösser ist als vier 
Rechtecke aus den ungleichen Theilen. Die bewiesenen zwei 
Sätze aus den Elementen der Kegelschnitte müssen wir im Ge- 
dächtniss haben, wenn wir die Theoreme der folgenden Ab- 
handlung verstehen wollen, denn auf diese allein fusst der 
Autor. Jetzt können wir auf unseren Text zurückkommen, wo 
im ersten Theorem behauptet wird, die aus der gleichförmigen 
horizontalen und aus der natürlich beschleunigten Bewegung 
zusammengesetzte Linie sei eine Halbparabel. 

Man denke sich eine 
_. Horizontale oder eine hori- 
zontale Ebene ^jB (Fig. 108), 
längs welcher ein Körper 
sich gleichförmig bewege. 
Am Ende derselben fehlt 
die Stütze, und der Körper 
in P^olge seiner Schwere un- 
terliegteinerBewegunglängs 
der Senkrechten BN. Man 
denke sich AB nach E hin 
fortgesetzt , und theile gewisse 
gleiche Strecken B C, CD^ 
DE ab. Von den Punkten B, (7, D, E ziehe man Linien parallel 
BN in gleichen Abständen. In der ersten von C aus nehme man 



E 


D C 




B 






j 


^ — - 







P. 


^ 




G 


TT 






T, 










N 



Fig. 108. 



Unterredungen nnd mathematÌBche Demonstrationen etc. 85 

eine beliebige Strecke CJy in der folgenden das vierfache DF^ 
dann das nennfache EH^ u. s. f. Stücke, die den Quadraten 
entsprechen. Wenn der Körper von B gleichförmig nach C 
gelangte, so denken wir uns das durch den Fall bedingte Stück 
CJ angefügt; der Körper wird in der Zeit BC voi Punkte J 
sich befinden. Weiter würde in der Zeit DB^ gleich 2BC^ die 
Fallstrecke gleich 4 CJ sein, denn in der vorigen Abhandlung 
ist bewiesen, dass die bei gleichfc^rmig beschleunigter Bewegung 
zurückgelegten Strecken sich wie die Quadrate der Zeiten ver- 
halten. Aehnlich wird E Hin der Zeit BE durchlaufen, gleich 
9 CJ^ da EH, DF, CJ sich verhalten wie die Quadrate der 
Linien EB, DB, CB, Zieht man von 7, F, H Gerade JO, 
FG, HL parallel EB, so werden HL, FG, JO je den 
Strecken EB, DB, CB gleich sein, so wie auch BO, BG, 
BL den Strecken CJ, DF, EH, Nun verhalten sich die 
Quadrate von HL und FG wie die Strecken LB, BG, und 
die Quadrate von FG, JO wie GB, BO, Folglich liegen die 
Punkte J, Fy H in einer Halbparabel. Aehnlich wird bei An- 
nahme irgend welcher anderer beliebiger Strecken und ent- 
sprechender Zeitgrössen bewiesen, dass die in ähnlicher Weise 
bestimmten Orte stets in einer und derselben Parabel liegen, 
womit das Theorem bewiesen ist. 

Sah, Diese Schlussfolgerung gewinnt man durch Umkeh- 
rung des ersten der oben betrachteten Hülfssätze. Beschreibt 
man nämlich durch die Punkte B und H eine Parabel, so wür- 
den sonst die Punkte F, J nicht auf derselben , sondern inner- 
halb oder ausserhalb liegen, und mithin wäre FG kleiner oder 
grösser als die bis zur Parabel reichende Linie, und die Qua- 
drate von HL und FG würden ein grösseres oder kleineres 
Verhältniss haben, als die Linien LB und BG, während das 
Quadrat von HL wohl dieses selbe Verhältniss zum Quadrat 
von FG hat; mithin liegt F in der Parabel, und ähnlich alle 
anderen Punkte. 

Sagr. Wahrlich, diese Betrachtung ist neu, geistvoll und 
schlagend ; sie stützt sich auf eine Annahme, auf diese nämlich, 
dass die Transversalbewegung sich gleichförmig erhalte, und 
dass eben so gleichzeitig die natürlich beschleunigte Bewegung 
sich behaupte, proportional den Quadraten der Zeiten, und dass 
solche Bewegungen sich zwar mengen, aber nicht stören, ändern 
und hindern, so dass schliesslich bei fortgesetzter Bewegung die 
Wurflinie nicht entarte; ein mir kaum fassliches Verhalten. 
Denn da die Axe unserer Parabel, längs welcher die Be- 



86 Galileo Galilei. 

schleunigung statthat, senkreclit zum Horizonte steht, so reicht 
sie his zum Mittelpunkte der Erde. Die Parabel aber entfernt 
sich immer mehr von ihrer Axe, und es könnte kein Körper den 
Mittelpunkt der Erde erreichen ; und wenn er es thäte, wie doch, 
zu sein scheint, so müsste die Wurflinie gänzlich von der Para- 
bel abweichen. 

SimpL Zu dieser Schwierigkeit muss ich noch andere hin- 
zufügen: erstens nehmen wir an, dass die horizontale Ebene, 
die weder ab- noch ansteigt, durch eine gerade Linie dargestellt 
werde, als ob die Theile einer solchen überall gleich weit vom 
Centrum abstünden, was denn doch^ nicht der Fall ist, da wir 
vom Anfangspunkte nach beiden Seiten Theile finden, die immer 
mehr abweichen und gar ansteigen. Hieraus folgt, dass auf 
solcher Ebene die Bewegung nicht gleichförmig sein könne ; sie 
wird vielmehr auf keiner noch so kurzen Strecke sich gleich 
bleiben, sondern stets sich vermindern. Ausserdem halte ich es 
für unmöglich , den Widerstand des Mediums zu umgehen ; so 
dass auch die Beständigkeit der Transversalbewegung und die 
Gesetze der Beschleunigung beim freien Fall nicht zur Geltung 
kommen können. Auf Grund dieser Bedenken halte ich es för 
sehr unwahrscheinlich, dass die bewiesenen Sätze, bei all den 
ungültigen Voraussetzungen, in praktischen Versuchen sich be- 
währen. 

Sah. All die vorgebrachten Schwierigkeiten und Einwürfe 
sind so wohlbegründet, dass man sie nicht hinwegräumen ki^nn; 
ich gestehe sie zu, und ich glaube, unser Autor würde dasselbe 
thun. Ja, ich gebe noch ferner zu , dass unsere abstrakt ge- 
zogenen Schlüsse in Wirklichkeit sich anders darstellen und 
dermaassen falsch sein werden, dass weder die Transversal- 
bewegung gleichförmig, noch die beschleunigte Bewegung in 
dem angenommenen Verhältniss zu Stande komme, ja dass auch 
die Wurflinie keine Parabel sei. Nun aber verlange ich, dass 
Sie, meine Herren, unserm Autor nicht das verwehren und be- 
streiten, was andere bedeutende Männer angenommen haben, 
trotzdem es nicht richtig war. Auch kann die Autorität des 
Archimedes Jedermann beruhigen. Er hat in seiner Mechanik 
bei der ersten Inhaltsbestimmung der Parabel als wahres Princip 
angenommen, dass der Wagebalken eine gerade Linie sei, deren 
Punkte alle gleich weit vom gemeinsamen Centrum aller schweren 
Körper seien, und dass die Richtungen, nach welchen die Körper 
fallen, alle einander parallel seien. Solche Licenz wird gebilligt, 
weil unsere Apparate und die angewandten Strecken sehr klein 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. g7 

sind im Vergleich zu der bedeutenden Entfemnng vom Mittel- 
punkte der Erdkugel, so dass wir einen sehr kleinen Bogentheil 
eines grössten Kreises als gerade, und zwei Senkrechte an den 
Enden dieses Bogens als einander parallel annehmen können. 
Wollten wir im Versuche solche kleine Grössen berücksichtigen, 
so mllssten wir die Architekten tadeln, welche mit ihrem Senk- 
loth die höchsten Thürme zwischen parallelen Linien zu errich- 
ten annehmen. Auch können wir sagen, dass Archimedes und 
Andere ebenso in ihren Betrachtungen angenommen haben, dass 
sie unendlich weit vom Centrum entfeiiit seien ; in diesem Falle 
sind die Voraussetzungen richtig und die Beweise stichhaltig. 
Wollen wir aber in endlichen Entfernungen Versuche anstellen, 
und sehr grosse Werthe annehmen, so mttssen wir vom wahren 
Erwiesenen das abziehen, was wegen der nicht unendlichen Ent- 
femnng zu bertlcksichtigen ist, wenn auch die Entfernung immer 
noch sehr gross ist im Vergleich zu der Kleinheit unserer Vor- 
richtungen. Die grosse Abweichung ist beim Wurf der Ge- 
schosse zu erwarten, und zwar bei denen der Artillerie; die 
Wurfweite wird höchstens vier Meilen betragen, während wir 
ungefähr eben so viel Tausend von Meilen vom Erdcentrum ent- 
fernt sind ; und wenn jene auf der Oberfläche der Erde abge- 
messen werden, so wird die parabolische Linie nur wenig ver- 
ändert sein, aber in derThat sich so umwandeln, dass sie durch 
das Centrum der Erde hindurchginge. In Betreff des Wider- 
standes des Mediums gestehe ich zu, dass dessen störender Ein- 
fluss bemerklicher sein wird, und wegen seiner mannigfach ver- 
schiedenen Beschaffenheit kaum unter feste Regeln gebracht 
werden kann ; so lange wir auch nur den Widerstand der Lufl; 
berücksichtigen, so wird dieser alle Bewegungen stören, auf un- 
endlich verschiedene Weise, da unendlich verschieden Gestalt, 
Gewicht und Geschwindigkeit der geworfenen Körper sich än- 
dern könnten. Wenn z. B. die Geschwindigkeit grösser ist, so 
wird auch der Einfluss der Luft wachsen, und das zwar um so 
mehr, je leichter die Körper sind, sodass, obwohl die Strecken 
bei senkrechtem Fall sich wie die Qaadrate der Zeiten verhalten 
sollten, dennoch selbst die allerschwersten Körper von bedeuten- 
der Höhe herab solchen Widerstand von der Luft erfahren, dass 
die Beschleunigung gänzlich aufhört und die Bewegung eine 
gleichförmige wird; letzteres tritt um so früher ein, und von 
um so geringeren Höhen, je leichter die Körper sind. Auch die 
Horizontalbewegung, die ohne allen Widerstand gleichförmig 
und beständig sein müsste, wird durch den Luftwiderstand 



88 Galileo Galilei. 

vernfindert und schliesslich vernichtet, und das zwar widerum um 
so schneller, je leichter der Körper ist. lieber alle die unend- 
lich verschiedenen Möglichkeiten hinsichtlich der Schwere, der 
Geschwindigkeit und der Gestalt kann keine Theorie gegeben 
werden. Üebrigens mnss selbst, um diesen Gegenstand wissen- 
schaftlich zu handhaben, zuerst von demselben abstrahirt wer- 
den, es müssen , abgesehen von Hindernissen , die bewiesenen 
Theoreme praktisch geprüft werden, innerhalb der Grenzen, die 
die Versuche uns selbst vorschreiben. Der Nutzen wird nicht 
gering sein, denn 8toff und Gestalt werden so gewählt werden 
können , dass der Widerstand möglichst gering sei, d. h. wir 
werden recht schwere und runde Körper wählen : dabei sollen 
die Strecken sowohl, als auch die Geschwindigkeiten nicht so 
exorbitant gross sein, dass wir sie nicht mehr genau zu messen 
vermöchten. Selbst bei Geschossen, deren wir uns bedienen, 
von schweren Substanzen und bei runder Gestalt, ja selbst bei 
weniger schweren Körpern von cylindrischer Gestalt, wie z. B. 
bei Pfeilen, die mit Schleudern oder mit der Armbrust abge- 
schossen werden, wird die Abweichung von der genauen Parabel 
ganz unmerklich sein. In unseren Experimenten wird die Klein- 
heit derselben eine solche sein, dass äussere Nebenwirkungen, 
unter denen die des Luftwiderstandes die bedeutendste ist, ganz 
unmerklich werden, und davon will ich Euch durch zwei Ver- 
suche überzeugen. Ich werde die Bewegungen in der Luft be- 
handeln, wie wir solche schon besprochen haben, bei welchen 
die Luft zweierlei Einwirkung ausübt. Erstlich werden die 
leichteren Körper stärker beeinflusst, als die sehr schweren. 
Dann übt die Luft bei grösserer Geschwindigkeit einen stärkeren 
Widerstand aus, als bei geringerer Geschwindigkeit eines und 
desselben Körpers. Hinsichtlich des ersten Umstandes lehrt der 
Versuch, dass zwei gleich grosse Stäbe, deren einer zehn bis 
zwölf mal schwerer als der andere ist (z. B. der eine aus Blei, 
der andere aus Eichenholz), aus einer Höhe von 150 oder 200 
Ellen mit kaum merklich verschiedener Geschwindigkeit an der 
Erde anlangen, woraus wir sicher schliessen, dass bei beiden 
Körpern der Luftwiderstand gering ist ; und wenn beide Stäbe 
gleichzeitig zu fallen beginnen, dabei aber der Bleistab wenig, 
der Holzstab stark verzögert wäre, der erstere beim Fallen 
merklich dem letzteren vorauseilen müsste, während er zugleich 
zehn mal schwerer ist; dieses aber tritt keineswegs ein, sein 
Vorauseilen wird nicht einmal den hundertsten Theil der ganzen 
Höhe betragen. Zwischen einen;, Blei- und einem Steinstabe, 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. S9 

der nur ein Drittel oder die Hälfte von jenem wöge, würde beim 
Aufprall auf die Erde kaum noch ein Unterschied zu beobachten 
sein. Da nun die Geschwindigkeit, die ein Bleistab beim Sturz 
ans einer Höhe von 200 Ellen erlangt (d. h. eine solche, dass 
bei fortgesetzter gleichförmiger Bewegung 400 Ellen in dersel- 
ben Fallzeit durchlaufen würden), recht bedeutend ist im Ver- 
gleich zur Geschwindigkeit, die wir mit dem Bogen oder anderen 
Vorrichtungen unseren Geschossen (ausgenommen die Feuer- 
ivv^affen) ertheilen, so können wir nicht weit fehlgehen, und kön- 
nen die Sätze, die wir ohne Beachtung des Widerstandes be- 
weisen, als absolut wahr gelten lassen. Hinsichtlich des zweit- 
erwähnten Punktes, demgemäss ein und derselbe Körper bei 
grosser und bei kleiner Geschwindigkeit nicht sehr verschiede- 
nen Widerstand erleidet, erfahren wir solches aus folgendem 
Versuche. An zwei gleich langen Fäden von 4 oder 5 Ellen 
Länge befestigen wir zwei Bleikugeln. Die eine erheben wir 
alsdann um einen Bogen von 80 Grad oder mehr, die andere 
um 4 oder 5 ; losgelassen beschreibt die eine sehr grosse Bögen 
von 160, 150, 140 Grad, die langsam kleiner werden; die an- 
dere, frei schwingend, vollführt kleine Bögen von 10, 8, 6 Grad, 
bei langsamer Abnahme derselben. Ich behaupte nun, die gros- 
sen Bögen von 180, 160 Grad werden in derselben Zeit durch- 
laufen, wie die kleinen von 10, 8 Grad. Offenbar ist die Ge- 
schwindigkeit der ersteren 16, 18 mal grösser, als die der 
zweiten; sodass, wenn erstere stärkeren Luftwiderstand erführe, 
als die zweite, die Schwingungen geringer an Zahl sein müssten 
bei den grossen Bögen von 180, 160 Grad, als bei den kleinen 
von 10, 8, 4, ja sogar von 2 und 1 Grad; dem aber wider- 
spricht der Versuch : denn wenn Beobachter die Schwingungen 
zählen, der eine die grossen, der andere die kleinen, so werden 
sie nicht bei der zehnten, ja auch nicht bei der hundertsten um 
eine Schwingung abweichen. Dieser Versuch bestätigt uns zu- 
gleich beide Sätze, dass nämlich grosse und kleine Schwingungen 
stets in gleichen Zeiten erfolgen, und dass der Widerstand der 
Luft bei grosser und kleiner Geschwindigkeit gleichen Einfluss 
ausübt, im Gegensatz zu dem, wie ^es uns zuerst erschien und 
was wir schlechthin glaubten. 

Sagr, Aber warum sollen wir nicht annehmen, dass die 
Luft diese und jene hemme, da doch beide langsamer werden 
und erlöschen ; daher müssen wir sagen, dass die Verzögerungen 
in gleichem Verhältnisse stattfinden. Aber wie? Wenn das eine 
Mal der Widerstand grösser ist, als das andere Mal, wovon 



90 Galileo Galilei. 

anders kann das abhängen, als dass dort eine grössere, hier 
eine kleinere Geschwindigkeit ertheilt worden ist? Und da das 
sich so verhält, so ist eben der Geschwindigkeitsbetrag die Ur- 
sache und zngleich das Maass des Widerstandes. Mithin werden 
alle Bewegungen, kleine und grosse, verzögert und gehemmt in 
eben demselben Yerhältniss; diese Erkenntniss scheint mir 
wichtig zu sein. 

Sah. Wir können aber auch in diesem Falle schliessen, 
dass die Abweichungen von den Sätzen, die wir, von äusseren 
Zufälligkeiten absehend, beweisen, nur geringfügig seien im 
Hinblick auf Bewegungen mit grosser Geschwindigkeit, über 
welche am meisten gehandelt werden soll, und auch in Hinsicht 
auf die Strecken, die sehr klein sind im Vergleich zum Halb- 
messer und zu den grössten Kreisen der Erdkugel. 

Simpl, Ich möchte gern wissen, warum Sie die Feuerge- 
schosse ausnehmen ; die mit Pulverkraft, glaube ich, unterliegen 
anderen Aenderungen und Hemmbissen , als die mit Armbrust 
oder Bogen geschleuderten. 

Salv. Mich veranlasst dazu die ungeheure, sozusagen über- 
natürliche Wucht solcher Geschosse; dass ich selbst ohne Ueber- 
treibung sagen möchte, dass die Geschwindigkeit, mit der eine 
Flinten- oder Kanonenkugel den Lauf verlässt, tlbernattlrlich 
genannt werden könnte. Denn wenn von bedeutender Höhe 
eine solche Kugel senkrecht herabfiele, so würde ihre Geschwin- 
digkeit in Folge des Luftwiderstandes nicht stets zunehmen ; es 
würde vielmehr das eintreten, was bei leichten Körpern schon 
bei geringen Fallhöhen eintritt, dass nämlich die Bewegung 
schliesslich gleichförmig wird ; das würde bei einigen Tausend 
Ellen Fallhöhe auch bei einer Eisen- oder Bleikugel eintreten, 
und diese letzte oder Endgeschwindigkeit (terminata velocità) 
kann man als die grösste annehmen, die solch ein Körper beim 
Fall durch die Luft zu erhalten vermag; und diese Geschwin- 
digkeit halte ich für geringer, als die durch das Pulver ertheilte. 
Darüber kann uns ein passender Versuch Gewissheit schaffen. 
Man schiesse aus einer Höhe von 100 oder mehr Ellen mit einer 
Armbrust einen Bleistab senkrecht hinab auf ein Steinpflaster; 
und mit derselben Armbrust schiesse man gegen dasselbe Ge- 
stein aus 1 oder 2 Ellen Höhe und beobachte alsdann, welcher 
von beiden Stäben stärker gewirkt habe. Wenn nämlich der aus 
der Höhe kommende Stab schwächer gewirkt hat als der andere, 
so hat sicherlich die Luft ihn gehemmt und die Geschwindigkeit 
vermindert, die vom Feuer ihm anfänglich ertheilt war; eine 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 91 

solche Geschwindigkeit anzunehmen hindert die Lnft ihn, und 
er würde sie nie erlangen, von welcher Höhe man ihn auch fal- 
len Hesse; wenn die vom Feuer ertheilte Geschwindigkeit nicht 
jene überträfe, die beim natürlichen Falle erlangt würde, so 
müsste der Aufprall unten eher stärker sein. Solchen Versuch 
habe ich nicht angestellt, aber ich bin geneigt, anzunehmen, 
da SS eine Kugel, von einer Armbrust oder Kanone^ aus noch so 
grosser Höhe abgeschossen, niemals den Stoss ausüben wird, 
der aus einer Entfernung von wenigen Ellen gegen eine Mauer 
ausgeübt wird, d. h. aus so geringer Entfernung, dass das kurz- 
dauernde Losreissen oder Zertheilen der Luft nicht hinreicht, 
die übernatürliche Wucht, die das Feuer erzeugt hat, aufzu- 
heben. Dieser übermässige Impuls solcher Kraftgeschosse kann 
die Wurflinie ändern; der Anfang der Parabel wird weniger 
geneigt sein, das Ende stärker gekrümmt. Dieses alles aber hat 
^ keine Bedeutung bei unserem Autor und dessen praktischen 
Versuchen ; bei letzteren ist das Wesentliche eine Tafel für die 
Geschosse, genannt Flugbahn oder Wurfapparat (Volata), auf 
welcher die Fallhöhen der Körper bei verschiedenen Neigungs- 
winkeln verzeichnet sind. Da der Stoss mit einem Mörser aus- 
geführt wird, so ist er nicht sehr stark und übernatürliche Im- 
pulse kommen nicht vor, sodass die Geschosse ihre Bahnen recht 
genau verzeichnen. 

Nun können wir zur Abhandlung zurtlckkehren. Der Autor 
wird uns einführen in die Behandlung und Untersuchung der 
Bahnen bei zusammengesetzten Bewegungen. Zunächst handelt 
er von zwei gleichförmigen Bewegungen, deren eine horizontal, 
während die andere vertical gerichtet ist. 

Theorein IL Propos. II. 

»Wenn ein Körper nach zwei Richtungen gleichförmig be- 
wegt wird , und zwar nach einer horizontalen und einer verti- 
calen, so ist die aus beiden zusammengesetzte 
Bewegung *in der Potenz' (potentia) gleich 
jenen beiden Momenten.« 

Ein Körper werde also nach zwei Rich- 
tungen bewegt; der senkrechten entspreche 
die Strecke AB (Fig. 109), der horizontalen, 
in derselben Zeit, die Strecke BC. Da nun Fig. 109. 

in gleichen Zeiten bei gleichförmiger Bewegung 
die Strecken AB^ £(? zurückgelegt werden, so verhalten sich 




r 



92 Galileo Galilei. 

auch die Bewegungsmomente wie AB, BC. Der Körper wird 
die Diagonalere beschreiben und sein Geschwindigkeitsmoment 
wird A C sein. Aber A C ist »in der Potenz« gleich AB^ BC, 
mithin ist das ans beiden zusammengesetzte Moment nun »in 
der Potenza gleich jenen beiden , wenn man sie als gleichzeitig 
erfasst. 

SimpL Ich bitte mir ein Bedenken zu benehmen; der so- 
eben behauptete Satz scheint einem solchen der vorigen Ab- 
handlung zu widersprechen ; dort wurde gesagt, die von A bis 
B erzeugte Geschwindigkeit sei gleich der von A bis C hervor- 
gerufenen, jetzt heisst es, die Geschwindigkeit in C sei grösser, 
als die in B. 

Sah. Die Sätze, Herr Simplicio, sind alle beide richtig, 
aber ganz verschieden von einander. Hier handelt es sich um 
einen einzigen Körper, der nur eine Bewegung ausführen kann, 
die aber aus zweien zusammengesetzt ist, die beide gleichförmig 
sind; dort ist die Kede von zwei Körpern, deren jeder gleich- 
förmig beschleunigt fällt, der eine längs der Senkrechten AB, 
der andere längs der Geneigten A C. In diesem letzteren Falle 
sind die Zeiten nicht gleich, da die Fallzeit für A C grösser ist, 
als die für ^ J9; aber gegenwärtig sind die Bewegungen längs 
AB, BC, r C gleichförmig und gleichzeitig. 

SimpL Verzeiht die Unterbrechung, ich bin beruhigt; fahren 
wir fort. 

Sah, Im Folgenden untersucht der Autor die Geschwindig- 
keit eines Körpers, der zwei Bewegungen ausführt, eine gleich- 
förmige horizontal, und eine gleichf£)rmig beschleunigte vertical, 
aus welchen die Bahn zusammengesetzt wird, und er beschreibt 
die parabolische Linie ; in jedem Punkte derselben versucht er 
die Geschwindigkeit zu bestimmen; zu diesem Zwecke zeigt der 
Autor uns den Weg oder die Methode, solche Geschwindig- 
keiten mittelst der Bahnlinie zu messen, auf welcher der Körper 
bei gleichförmiger Beschleunigung senkrecht hinabfällt. 

Theorem III. Propos. III, 

»Die Bewegung geschehe längs AB (Fig. 110) von A aus. 
Man nehme irgend einen Punkt C in der Senkrechten an, und 
es sei AC die Zeit oder das Maass der Zeit für den Fall längs 
A C, zugleich auch das Maass der Geschwindigkeit im Punkte 
C, die der Körper beim Falle durch AC erlangt hat. Man 
nehme femer in derselben Geraden einen anderen Punkt B, in 
welchem die Geschwindigkeit ermittelt werden soll in ihrem Ver- 






Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 93 



D 



B 



hältniss zum Werthe in (7, wofür AC das Maass sein sollte. 

Man mache ^a^ gleich der mittleren Proportionale zu BA, AC. 

Wir werden zeigen, dass die Geschwindigkeiten in B und C sich j 

verhalten wie die Linien SA und AC Man ziehe die Horizontale i 

CD gleich 2ACnnd jBE gleich 

2 AB. Aus früherem ist be- 

kannt; dass, wenn ein Körper 

durch A C fällt und alsdann in 

die Horizontale CD abgelenkt 

sich fortbewegt, er in dieser \S 

letzteren mit gleichförmiger 

Geschwindigkeit die Strecke e l 

CD in derselben Zeit durch- 
läuft wie AC; ähnlich wird Fig. HO. 
jB^ in derselben Zeit durch- 
eilt, wie AB. Aber die Fallzeit für AB ist gleich AS; folg- 
lich wird auch BE in derselben Zeit AS durchmessen. Es ver- 
halte sich nun EB zu BL, wie die Zeit SA zur Zeit AC. Da, 
die Bewegung längs EB gleichförmig ist, so wird die Strecke 
B L mit dem Geschwindigkeitswerthe in B in der Zeit A C zu- 
rückgelegt. Aber in eben dieser Zeit ^C wird die Strecke CD 
durchlaufen mit dem Geschwindigkeitswerthe in C. Die Ge- 
schwindigkeitswerthe aber verhalten sich wie die Strecken , die 
in gleichen Zeiten zurückgelegt werden ; mithin verhalten sich 
die Geschwindigkeiten in C und B wie DC zu BL. Da nun 
DC zu BE-wie ihre Hälften, d. h. wie CA zu AB, und da 
EB zu BL wie BA zu ASy so verhält sich CD zu BL wie 
CA zu AS; d. h. wie die Geschwindigkeit in C zu der in B, 
so verhält sich CA zu AS oder so verhält sich die Fallzeit für 
CA zu der für A B. Daraus erhellt die Methode, die Geschwin- 
digkeiten zu messen auf einer Linie des senkrechten Falles; 
hierbei ist angenommen, die Geschwindigkeiten wüchsen pro- 
portional der Zeit. 

Ehe wir fortfahren , ist zu erwähnen , dass , da von der aus 
gleichförmiger horizontaler und beschleunigter verticaler zusam- 
mengesetzten Bewegung gesprochen werden soll (denn aus die- 
sen setzt sich die Bahnlinie, die Parabel zusammen), wir ein 
allgemeines Maass festsetzen müssen, mit dem alle Geschwindig- 
keiten, Impulse oder Momente ausgemessen werden sollen. Da 
es für gleichförmige Bewegung unzählig viele Geschwindig- 
keitswerthe giebt, von welchen nicht beliebige zufällige, son- 
dern einer von den unzähligen mit den durch gleichförmige 




94 . Galileo Galilei. 

Beschleunigung erlangten combinirt und auf einander bezogen 
werden sollen, so konnte ich keinen einfacheren Weg ersinnen 
als den, eine andere Grösse von gleicher Art anzunehmen. Um 
deutlicher mich auszudrücken , sei die Gerade A C (Fig. 111) 
senkrecht zu CB ; ^ C sei die Höhe, CB die Weite (amplitudo) 

der Halbparabel AB, die durch Zusam- 
mensetzung zweier Bewegungen entsteht, 
deren eine in dem senkrechten Fall, von 
A aus, durch ACy besteht, während die 
andere die gleichförmige Transversalbe- 
wegung längs der Horizontalen AD ist. 
Die in C längs A C erlangte Geschwindig- 
keit wird durch die Länge von A C ge- 
messen, denn bei gleicher Höhe wird stets 
Fig. 111. ein und dieselbe Geschwindigkeit erzeugt; 

in der Horizontalen dagegen können un- 
zählig viele Geschwindigkeitswerthe angenommen werden; um 
aus allen diesen denjenigen, den ich wähle, zu bezeichnen und 
wie mit dem Finger auf ihn hinweisen zu können , will ich die 
Senkrechte CA nach oben verlängern und mit der Verlängerung 
A E andeuten , dass der Körper , von E aus fallend , in A die- 
jenige Geschwindigkeit erlangt hat, mit welcher er sich längs 
der Horizontalen AD fortbewegen soll; dieser Geschwindig- 
keitswerth ist ein solcher , dass in der Zeit eines Falles längs 
E A in der Horizontalen eine Strecke gleich 2EA durchlaufen 
würde. Solches vorauszuschicken war nothwendig. 

Ausserdem merke man, dass die Horizontale CB die Am- 
plitude der Parabel genannt werden soll. Die Höhe A C der- 
selben Parabel heisst ihre Axe. 

Die Linie EA, durch deren Durchmessung beim Fall die 
horizontale Geschwindigkeit bestimmt wird, nenne ich die 
j>Sublimität(( (sublimitas).^^j 

Nach diesen Erörterungen und Festsetzungen wende ich 
mich zu den Beweisen. 

Sagr, Haltet ein, ich bitte, denn ich glaube, hier ist es am 
Platz, darauf hinzuweisen, wie schön der Gedanke des Autors 
übereinstimmt mit der Methode des Plato, die gleichförmigen 
Bewegungen beim Umlauf der himmlischen Körper zu bestim- 
men; er hatte von ungefähr erkannt, dass ein Körper von der 
Ruhe bis zu einer gewissen Geschwindigkeit, in welcher er be- 
harren sollte, nicht gelangen könne, ohne alle die geringeren 
Geschwindigkeitswerthe vorher anzunehmen, er meinte, Gott 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 95 

habe nach der Schöpfung der himmlischen Körper, um ihnen 
diejenigen Geschwindigkeiten zn ertheilen, mit welchen sie 
gleichförmig in kreisförmigen Bahnen sich ewig fortbewegen 
sollten, von der Ruhe ans durch gewisse Strecken natürlich be- 
schleunigt, ^e geradlinig fortschreiten lassen, ähnlich wie wir die 
Körper von der Ruhe aus sich beschleunigt fortbewegen sehen. 
Er fQgt noch hinzu , dass , nachdem der ihm wohlgefällige Ge- 
schwindigkeitswerth erlangt war, er die geradlinige in eine 
kreisförmige Bewegung umwandelte; diese allein sei geeignet, 
gleichförmig fortzubestehen, da die Umläufe statthaben ohne 
Entfernung oder Annäherung an ein gewisses Ende oder Ziel. 
Dieser Einfall ist des Plato würdig; und er ist um so höher zu 
schätzen, als beim Anblick des wirklichen Vorganges der wahre 
Grund, den er nicht berührt, der aber von unserem Autor auf- 
gedeckt und in seiner wahren Gestalt mit Wegräumung alles 
poetischen Scheines dargestellt wird, verhüllt erscheint. Auch 
glaube ich, dass auf Grund der recht genauen Kenntniss der 
Grösse der Bahnen der Planeten, ihrer Entfernungen vom 
Centrum , um welches sie sich herumbewegen , sowie ihrer Ge- 
schwindigkeiten unser Autor (dem Plato'% Gedanke nicht un- 
bekannt gewesen sein dürfte) recht oft versucht haben wird, eine 
Höhe (sublimita) zu bestimmen, von der, aus der Ruhelage, die 
Planeten in gewissen Strecken geradlinig und gleichförmig be- 
schleunigt sich bewegen mtlssten , um alsdann , umgewandelt in 
gleichförmige Bewegung, die bestimmten Bahngrössen und Um- 
laufszeiten zu erhalten. 

Salv, Ich erinnere mich des wohl, dass er mir mittheilte, 
er habe einmal eine Schätzung versucht und dabei gute Ueber- 
einstimmung mit den Beobachtungen gefunden ; aber er hat da- 
von nicht weiter sprechen wollen, um bei den zahlreichen neuen 
Gesichtspunkten, die er aufdeckt und die vielfach Missachtung 
erfahren haben, nicht wiederum Funken anzufachen. Wer aber 
einen derartigen Wunsch hegt, kann auf Grund der Lehren der 
vorliegenden Abhandlung sich selbst Genüge schaffen. Kommen 
wir nun auf unseren Gegenstand zurück. 

Probi. I. Propos, IV. 

In den einzelnen Punkten einer gegebenen Wurfparabel die 
Geschwindigkeiten zu bestimmen. 

Es sei BEC (Fig. 112) die Halbparabel, deren Amplitude 
CD, Höhe DB, welch letztere nach oben verlängert der Pa- 
rabeltangente CA in A begegne, und es werde durch den 



96 



Galileo Galilei. 




Fig. 112. 



Scheitel B die Gerade £/ parallel dem Horizonte und CD ge- 
zogen. Wenn die Amplitude CD gleich ist der Gesammthöhe 
DA, so wird auch Ä/ gleich BA uod gleich BD sein. Wenn 
ferner die Fallzeit für A J?, von A aus, und auch die in B er- 
langte Geschwindigkeit ^jait AB be- 
messen wird , so wird D C (welches 
gleich 2 ÄJ^ist) die Strecke sein, die 
durch den längs AB ertheilten Im- 
puls nach Ablenkung in die Horizon- 
tale, in gleicher Zeit in dieser letz- 
teren durchlaufen wird. Aber in 
eben dieser Zeit wird BD, von B 
aus, zurückgelegt, folglich wird der 
von A aus durch AB gefallene Kör- 
per in gleicher Zeit in der Horizon- 
talen eine Strecke gleich 2) (7 durch- 
eilen. Hierzu gesellt sich die durch 
freien Fall zurückgelegte Höhe B />, und es wird die Parabel 
^ 6^ beschrieben. Im Endpunkte 6' ist die Bewegung zusammen- 
gesetzt aus dem gleichförmigen transversalen Momente AB und 
aus dem beim Fall durch BD in D oder C erzeugten, welche 
beide Momente einander gleich sind. Wenn nun AB das Maass 
des einen, nämlich des gleichförmig transversalen ist, so wird 
BJ, welches gleich BD ist, das Maass des anderen in D oder 
C erlangten sein. Mithin ist die Gerade JA die Grösse des aus 
beiden zusammengesetzten Momentes ; folglich wird diese auch 
das Maass der ganzen Geschwindigkeit sein, die der geworfene 
Körper in C erlangt nach der Bewegung durch BC. Nimmt 
man nun in der Parabel einen beliebigen Punkt jE^ an , so wird 
zur Bestimmung der Geschwindigkeit eine Horizontale EF ge- 
zogen und BG als mittlere Proportionale zu BD^ BF con- 
struirt. Da AB oder BD Fallzeit und Geschwindigkeitsmaass 
sind für BD von B aus, so wird BG Fallzeit und Geschwin- 
digkeit für B F, von B aus, sein. Macht man nun B O gleich 
B Gj so wird die Verbindungslinie und Diagonale A O die Ge- 
schwindigkeit im Punkte F sein, denn AB ist als bestimmendes 
Zeitmaass augenommen, und die Geschwindigkeit in B wird nach 
der Ablenkung in die Horizontale sich weiterhin gleich bleiben; 
B O dagegen misst die Geschwindigkeit in F oder JB, von B 
aus, nach dem Falle längs BF. AB und BO werden aber 
durch AG dargestellt, was verlangt war. 

Saffr. Die Zusammensetzung verschiedener Impulse und 



UnterreduDgen und mathematische Demonstrationen etc. 97 

ihrer Werthe, und die Betrachtung des Resultates dieser Ver- 
einigung ist mir derart neu , dass ich in nicht geringem Grade 
verwirrt bin. Ich rede nicht von der Zusammensetzung zweier 
gleichförmiger Bewegungen, selbst wenn sie von einander ver- 
schieden sind, da ich aus beiden stets eine Resultirende con- 
struiren kann; mich verwirrt nur die Zusammensetzung einer 
gleichförmigen horizontalen und einer beschleunigten senkrech- 
ten Bewegung. Daher bitte ich, die Frage etwas gründlicher zu 
behandeln. 

Simpl. Ich bedarf dessen meinerseits um so mehr , als ich 
noch nicht ganz in dem Grade überzeugt bin, wie solches zur 
Begründung alles Uebrigen, zur Erkenntniss fundamentaler Sätze 
nöthig erscheint. Ja ich will bekennen, dass selbst bei der Zn- 
sammensetzung zweier gleichförmiger Bewegungen, einer hori- 
zontalen und einer verticalen, ich jene Resultante besser ver- 
stehen möchte. Herr Salviati wird unsere Bedenken jetzt 
würdigen. 

Sah, Euere Bedenken sind verständig, und da ich längere 
Zeit über dieselben nachgedacht habe, will ich versuchen, Euch 
dem Yerständniss näher zu führen. Indess müsst Ihr gestatten, 
dass ich dabei auf die bisher behandelten Fragen mehrfach zu- 
rückkomme. 

Ob nun die Geschwindigkeiten gleichförmige oder durch Be- 
schleunigung entstandene seien, wir müssen stets zunächst ein 
Maass festsetzen, nach welchem sowohl jene Geschwindigkeiten, 
wie die Zeiten ausgedrückt werden. In Betreff des Zeitmaasses 
sind bekanntlich Stunden, Minuten und Secunden angenommen 
worden. ^*^) Ebenso wie für die Zeit müssen wir für die Ge- 
schwindigkeiten ein allgemein verständliches und angenommene9 
Maass haben, d. h. es muss fast überall dasselbe sein. Zu sol- 
chem Zweck hat der Autor die Beschleunigung freifallender 
Körper zu Grunde gelegt, weil überall auf der Erde die Ge- 
schwindigkeiten in gleicher Weise wachsen. Welche Geschwin- 
digkeit z. B. ein einpfündiger Bleistab bei senkrechtem Falle aus 
gewisser Höhe von der Ruhe aus erlangt, ebendenselben Werth 
wird man stets und überall erhalten, daher ist diese Erscheinung 
sehr geeignet, die Grösse des Impulses beim Fall darzustellen. 
Es erübrigt alsdann noch , eine Methode zu ersinnen , um auch 
die gleichförmige Geschwindigkeit so auszudrücken, dass ein 
jeder Andere sich denselben Werth vorstellen kann ; so dass 
nicht etwa der Eine einen grösseren, der Andere einen kleine- 
ren sich denke, und dass auch bei der Zusammensetzung der 

Ostwald's Klassiker. 24. 7 



98 Galileo Galilei. 

gleichfönnigeii und beschleunigten Bewegung von verschiedenen 
Personen dieselben Impulse vorgestellt werden. Zu diesem 
Zwecke ersann unser Autor das geeignetste Mittel, indem er auf 
die nattlrlich beschleunigte Bewegung zurückging, durch welche 
jedwedes Moment erzeugt werden kann, welches, wenn die Be- 
wegung in geeigneter Weise umgewandelt wird, den Werth bei- 
behält, so zwar, dass in gleicher Zeit, wie der Fall durch eine 
gegebene Strecke, der doppelte Weg zurückgelegt wird. Da 
dieses der Hauptpunkt in der behandelten Frage ist, so wird es 
nützlich sein, ein bestimmtes Beispiel zu erläutern. Wenn wir 
uns die Geschwindigkeit durch den Fallraum von einer Elle dar- 
stellen, und nun andere Geschwindigkeiten oder Widerstände 
ausdrücken wollen, und wenn z. B. die Fallzeit vier Secunden 
betragen hatte, so dürfen wir nicht, um die Geschwindigkeit bei 
grösserer oder kleinerer Fallhöhe anzugeben, das Verh&ltniss 
dieser letzteren Strecke zum Fall durch eine Elle als Maass des 
Impulses im zweiten Falle ansehen, in der Meinung, dass z. B. 
bei vierfacher Fallhöhe die vierfache Geschwindigkeit erzeugt 
sei; denn dieses wäre falsch. Es wächst ja die Geschwindigkeit 
nicht proportional der Fallstrecke bei beschleunigter Bewegung, 
sondern proportional der Fallzeit, und proportional dem Quadrate 
der letzteren wachsen die Fallstrecken, wie schon erwiesen 
ward. Wenn wir andererseits in einer geraden Linie eine ge- 
wisse Strecke als Maass der Geschwindigkeit angenommen hät- 
ten, und ebenso als Maass der Zeit und des in derselben durch- 
laufenen Weges (welche drei Grössen häufig der Einfachheit 
wegen durch ein und dieselbe Grösse dargestellt werden), so 
würden wir, um Zeit und Geschwindigkeit zu bestim- 
' A men, die derselbe Körper bei anderer Strecke erlangt 
hätte, nicht unmittelbar diese letztere als Maass an- 
sehen, sondern die mittlere Proportionale aus den beiden 
^ Strecken. Nehmen wir ein Beispiel vor. In der Senk- 
rechten AC (Fig. 113) falle ein Körper natürlich be- 
^ schleunigt längs AB: die Fallzeit können wir durch 
irgendwelche Strecke darstellen; der Kürze wegen 
wählen wir A B selbst ; ebenso drücke ich die erlangte 
Geschwindigkeit durch dasselbe AB aus, sodass für 
Fiff. 113. ^^^ ^^ betrachtenden Weglängen AB das Maass sei. 
Halten wir fest, dass nach unserer willkürlichen An- 
nahme die eine Linie A B drei ganz verschieden geartete Grös- 
sen misst, nämlich Strecken, Zeiten und Impulse, und soll nun 
bestimmt werden die Fallzeit von A bis C für die bestimmte 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 99 



r 

■ Fallstrecke AC im Verhältniss zu der Fallzeit und zum Impulse 
I längs AB, so wird beides gefunden, indem man AD als mitt- 
lere Proportionale zu ACj AB bildet; d. h. es würden die 
Fallzeiten durch A C und A B sich verhalten , wie die Linien 
AZ>, AB und die in C und B erlangten Impulse werden sich 
ebenso wie AD zu AB verhalten, da die Geschwindigkeiten in 
demselben Verhältniss zunehmen, wie die Fallzeiten , eine Be- 
hauptung, die dem dritten Theorem zu Grunde gelegt ward. 

Was nun die Zusammensetzung betrifft, so hatten wir zuerst 
eine horizontale und eine senkrechte gleichförmige Bewegung, 
alsdann eine horizontal gleichförmige und eine vertical be- 
schleunigte. Wenn beide gleichförmig sind , so kommt die Be- 
wegung in der Diagonale zu Stande; wenn z. B. der Körper 
längs der Senkrechten AB (Fig. 109) 3 Geschwindigkeitsgrade 
besässe, dagegen senkrecht von B nach C hin 4 Grade, so wird 
bei der Zusammensetzung der Körper von A nach C gelangen 
längs der Diagonale AC, die nicht etwa gleich 7, d. h. der 
Summe von 3 und 4 ist, sondern gleich 5, welches »in der Po- 
tenz« gleich 3 und 4 ist; denn bildet man die Quadrate von 3 
und von 4, welche 9 und 16 betragen, so geben diese 25 als 
Quadrat von A C, welches gleich ist den Quadraten von A B 
und B C zusammen , und A C ist so gross wie die Seite eines 
Quadrates von 25, also die Wurzel daraus, mithin 5. Man halte 
also als sichere Regel fest, dass bei der Zusammensetzung einer 
horizontalen und einer verticalen Bewegung, die beide gleich- 
fbrmig sind, man aus beiden zwei Quadrate zu bilden und die- 
selben zu summiren, danach aber die Wurzel auszuziehen hat, 
welche den Werth der zusammengesetzten Bewegung ausdrückt. 
Wie in unserem Beispiel würde ein Körper, der mit 3 Grad 
senkrecht und mit 4 Grad horizontal gestossen würde, von beiden 
Stössen zugleich getroffen sich bewegen, als habe er einen Stoss 
von 5 Grad erhalten. Und diesen selben Werth hätte der Kör- 
per an allen Punkten der Diagonale A C, solange die Impulse 
weder wachsen noch abnehmen. 

Bei Zusammensetzung einer horizontal gleichförmigen und 
einer vertical beschleunigten Bewegung, wird die Diagonale, 
oder die durch beide Bewegungen entstandene Bahn keine ge- 
rade Linie sein , sondern eine Halbparabel , wie bewiesen war ; 
denn der Impuls wächst beständig, dank der senkrechten Be- 
schleunigung. Um die Geschwindigkeit in dieser parabolischen 
Diagonale zu bestimmen, muss zuerst der Werth der gleichför- 
mig horizontalen ermittelt werden, und dann der Impuls des 



7* 



100 



Galileo Galilei. 



Körpers im bezeichneten Punkte: solches kann nicht geschehen 
ohne Kenntniss der Fallzeit vor der Zusammensetzung der beiden 
Bewegungen; eine solche Beachtung der Zeit war bei der Be- 
handlung zweier gleichförmiger Bewegungen nicht nöthig: hier 
dagegen, wo die eine Geschwindigkeit vom äussersten Grade von 
Langsamkeit an beständig proportional der Zeit anwächst, hier 
muss die Zeit den Grad erlangter Geschwindigkeit anzeigen: 
schliesslich ist alsdann »in der Potenz« die wahre Geschwindig- 
keit gleich der der beiden Componenten. Auch hier nehmen 
wir lieber ein bestimmtes Beispiel : Senkrecht zum Horizonte, in 

^C(Fig. 114) sei die Fallstrecke 
AB angenommen, und AB sei 
zugleich die Fallzeit von A bis By 
sowie endlich auch das Maass für 
den in B erlangten Impuls. Zu- 
nächst ist klar , dass , wenn nach 
dem Fall durch AB der Körper 
nach BD horizontal abgelenkt 
wird, er in gleicher Zeit AB eine 
Strecke gleich 2 AB durchlaufen 
würde; so lang mache man BI>. 
Ferner schneide man B C gleich 
BA ab, ziehe die Gerade CE 
parallel und gleich B D, und con- 
struire darauf durch die Punkte 
BE die Parabel BEJ. Da nun in der Zeit AB mit der Ge- 
schwindigkeit AB die Horizontale BD oder CEj gleich 2 AB, 
und in derselben Zeit die Senkrechte B C durchlaufen und in C 
ein Impuls erzeugt wird, der gleich ist dem horizontalen, so 
wird der Körper in der Zeit AB durch die Parabel von B nach 
E gelangt sein mit einem Impulse, der aus jenen beiden, deren 
jeder gleich AB ist, zusammengesetzt ist. Da der eine horizon- 
tal, der andere vertical ist, so wird die Diagonale »in der Po- 
tenz« jenen beiden gleich sein, mithin (»in der Potenz«) gleich 
dem Doppelten einer jeden von ihnen. 37) Es sei nun J9jP gleich 
BA', ferner ziehe man die Diagonale AF; der Impuls in E 
wird grösser sein als der in B, nach dem Fall durch A B, d. b^ 
als die Geschwindigkeit BD im Verhältniss von ^i^ zu AB, 
Wenn aber stets BA für die Strecke AB Strecke, Zeit und 
Impuls misst, so ist die Strecke B O nicht gleich, sondern grös- 
ser als AB; man mache BG als mittlere Proportionale zu AB, 
B Oj alsdann wird B G Zeit und Geschwindigkeit in O, nach 




Fig. 114. 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 101 

dem Falle durch BO^ angeben; die horizontale Strecke mit dem 
Impulse AB nach der Fallzeit AB wäre gleich 2ABj und sie 
wird nach der ganzen Zeit BG Mm so viel grösser sein, als 
B G grösser ist sàa BA. Macht man nun LB gleich BG und 
zieht die Diagonale A L^ so haben wir den zusammengesetzten 
Impuls aus den beiden, deren einer gleichförmig horizontal längs 
A B, der andere in 0, oder in J durch senkrechten Fall durch 
Ä O in der Zeit BG erlangt wurde, während auch das Moment 
gleich BG war. Aehnlich findet man den Impuls am äussersten 
Ende der Parabel, wenn die Höhe der letzteren kleiner als die 
Sublimität AB wäre, indem stets zu beiden die mittlere Pro- 
portionale construirt würde ; diese letztere wäre, statt BFj hori- 
zontal aufzutragen, und dann wiederum eine Diagonale ^jFzu 
ziehen, um den Impuls am Ende der Parabel zu erhalten. 

Zu der bisher betrachteten Methode, die Impulse, Stösse oder 
Erschütterungen zu betrachten, müssen wir eine andere bemer- 
kenswerthe Betrachtung anschliessen, sofern nämlich, um die 
Kraft eines Geschosses und seine Energie (energia) zu bestim- 
men, es nicht genügt, seine Geschwindigkeit zu beachten, es 
muss ausserdem der Zustand des Getro£fenen und die Be- 
dingungen, unter welchen der Stoss erfolgt, berücksichtigt wer- 
ben ; in mehrfacher Hinsicht ist solches für die Wirksamkeit von 
grossem Interesse. Jedermann sieht ein, dass der gestossene 
Körper so viel vom Stossenden beeinflusst wird, als er dem Stoss 
sich widersetzt und demselben entgegenwirkt, ihn ganz oder 
theilweise aufhebend , und zwar : es wird der Schlag , wenn er 
einen Gegenstand trifft, der ohne Widerstand der Geschwindig- 
keit des Stossenden weicht , nichts hervorrufen. Wer da läuft, 
um mit seiner Lanze den Feind zu treffen, und einen mit gleicher 
Geschwindigkeit Fliehenden erreicht, der wird ihn nicht ver- 
wanden, sondern ohne Verletzung ihn nur berühren. 

Wenn aber der Stoss einen Gegenstand trifft, der nicht dem 
Stossenden ganz und gar weicht, sondern nur zum Theü, so 
wird der Stoss Schaden zufügen, aber nicht mit seinem vollen 
Impulse, sondern nur mit dem Ueberschnss der Geschwindig- 
keiten des stossenden u^d des gestossenen Körpers: so dass, 
wenn der stossende Körper mit 10 Grad Geschwindigkeit den 
anderen trifft, welch letzterer mit 4 Grad ausweicht, der Stoss 
6 Grad betragen wird. 

Endlich aber wird der Stoss ein vollkommener und aller- 
grösster sein, in Hinsicht auf den stossenden Körper, wenn der 
gestossene gar nicht ausweicht , sondern vollständig widersteht 



102 Galileo Galilei. 

und die Gesammtbewegung jenes aufhebt, wenn solches über- 
haupt vorkommen kann. Ich sagte in Hinsicht auf den stossen- 
den Körper, weil, wenn der Stoss in entgegengesetzter Richtung 
den letzteren träfe , der Schlag und die Begegnung um so viel 
heftiger wären, als die beiden entgegengesetzten Geschwindig- 
keiten vereinigt grösser sind, als die des stossenden allein. 
Ausserdem muss beachtet werden, dass das stärkere oder 
schwächere Ausweichen nicht nur von der geringeren oder grös- 
seren Härte der Materie abhängen wird, je nachdem Eisen, Blei 
oder Wolle etc. getroffen wird, sondern auch von der Lage des 
Körpers, der den Stoss empfängt; wird er senkrecht getroffen, 
so wirkt der Stoss am kräftigsten ; beim schiefen Stoss wird der 
Schlag schwächer sein, und das zwar um so mehr, je grösser 
die Neigung, denn bei solcher Lage des Körpers , mag derselbe 
noch so hart sein, kann nie der ganze Stoss wirken. Der stes- 
sendo Körper läuft weiter, indem er wenigstens zum Theil seine 
Bewegung über die Oberfläche des gestossenen fortsetzt. Wenn 
also oben von der Impulsgrösse am Ende der Parabel geredet 
wurde, so muss stets der senkrecht wirkende Stoss gedacht wer- 
den , also senkrecht zur Wurf linie oder zu deren Tangente am 
betrachteten Punkte : denn wenn dieser Impuls oder diese Be- 
wegung aus einer horizontalen und einer senkrechten zusammen- 
gesetzt ist, so wird der Stoss doch weder gegen eine verticale, 
noch gegen eine horizontale Ebene ihre maximale Wirkung aus- 
üben, da gegen beide ein schiefer Stoss erhalten würde. 

Sagr. Das Nachdenken über diese Stösse erinnert mich an 
ein Problem, oder besser an eine Frage der Mechanik, deren 
Beantwortung ich bei keinem Schriftsteller gefunden habe, ja 
nicht einmal eine Andeutung, die mich, wenn auch nur zum 
Theil , befriedigte. Mein Erstaunen bezieht sich darauf, woher 
die Energie und die ungeheuere Kraft stammen und wovon sie 
abhängen könne, die man beim Stosse auftreten sieht, wenn mit 
einem einfachen Hammerschlage von nur 8 oder 1 Pfund Ge- 
wicht wir solche Widerstände überwinden, die keinem ohne 
Stoss wirkenden und blos drückenden Gewicht nachgeben wür- 
den, wenn letzteres auch viele hundert, Pfund schwer wäre. Ich 
würde gern ein Mittel kennen , solche Stosskraft zu messen , da 
ich sie nicht für unendlich gross halte, sondern für eine solche, 
die einen bestimmten Werth hat, der sehr wohl mit anderen 
Druck-, Hebel-, Schrauben- oder anderen Kräften verglichen 
und gemessen werden darf, da letztere nach Belieben vergrös- 
sert werden können. 



ì 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 103 

Sah. Sie, mein Herr, sind es nicht allein, der diese Wir- 
kung bewundert und über die Ursache einer solch erstaunlichen 
Erscheinung im Unklaren sich befindet. Ich habe einige Zeit 
darüber nachgedacht, meine Verwirrung aber nahm zu, bis ich 
endlich, bei einer Begegnung mit unserem Akademiker, doppelt 
getröstet ward : erstlich erfuhr ich, dass auch er lange Zeit die- 
selbe Dunkelheit empfunden hatte, dann aber sagte er mir, dass 
er nach einem Opfer von vielen Tausend Stunden seines Lebens 
durch Nachsinnen und Forschen Einiges erkannt habe, was weit 
sich von unseren unmittelbaren Vorstellungen entfernt, und was 
er fand, war neu und wegen der Neuheit merkwürdig. Da ich 
nuQm^hr weiss, dass Sie, mein Herr, gern diese Gedanken, die 
weit von herrschenden Ansichten abliegen, kennen lernen wür- 
den, werde ich Eurem Anliegen jetzt zwar nicht nachkommen, 
aber ich verspreche Euch, nachdem wir die vorliegende Ab- 
handlung beendet haben werden, alle jene Gedankenflüge, oder 
sagen wir jene Wunderlichkeiten, zu erklären, so weit ich sie 
aus den Unterredungen mit dem Akademiker im Gedächtniss 
behalten habe. Einstweilen aber folgen wir unserem Autor. 

Probi. IL Propos. V, 

))In der verlängerten Axe einer gegebenen Parabel den höch- 
sten Punkt zu bestimmen, von dem aus ein fallender Körper 
diese Parabel beschreibt.« 




Fig. 115. 

Die Parabel AB (Fig. 1 1 5) sei gegeben mit der Amplitude HB. 
Auf der verlängerten Axe HC soll die »Sublimität« bestimmt 



104 Galileo Galilei. 

werden, d. h. der Punkt, von dem aus ein Körper bis A fallend 
und in die Horizontale abgelenkt mit einer solchen Geschwin- 
digkeit sich bewegen muss, dass er die Parabel A B beschreibt. 
Man ziehe die Horizontale ^ G parallel J5 jy, mache ^i^ gleich 
AH, ziehe die Gerade FB, welche die Parabel in B berühren 
und die Horizontale AG m G schneiden wird. Man construire 
zu FA^ AG die dritte Proportionale AC. 

{FA:AG = AG:AC) 

Ich behaupte , C sei der geforderte Punkt , von dem aus ein 
Körper fallen und mit dem in A erlangten Impulse horizontal 
sich fortbewegen muss, um, wenn die verticale Bewegung, von 
A an nach H, hinzukommt, die Parabel ^^ zu durchlaufen. 
Denn wenn CA die Fallzeit für CA und zugleich die in A er- 
langte Geschwindigkeit ist , so wird A G (die mittlere Propor- 
tionale zu CA, AF) Fallzeit und Geschwindigkeit für i^u4, von 
jFaus, oder von A bis H, sein. Da nun mit horizontaler Ge- 
schwindigkeit eine Strecke gleich 2 CA zurückgelegt wird und 
der Körper in gleicher Zeit AG die Strecke 2GA durchläuft, 
welches gleich BH ist (da bei gleichförmiger Bewegung die 
Strecken den Zeiten proportional sind) , und da in der vertioalen 
Richtung in derselben Zeit ^ 6r die Strecke AH durchmessen 
wird, so muss der Körper in ebenderselben Zeit die Amplitude 
HB und die Höhe ^iJ durchlaufen. Mithin wird die Parabel 
von der »Sublimität« Caus beschrieben, was gefordert war.^^) 

Zusatz. 

Hieraus folgt, dass die halbe Basis oder die halbe Amplitude 
der Halbparabel (welche gleich ist dem vierten Theile der Am- 
plitude der ganzen Parabel) , die mittlere Proportionale sei zur 
Höhe und zur Sublimität. 4^) 

Probi. HI, Propos. VI. 

»Wenn Sublimität und Höhe einer Halbparabel gegeben sind, 
so soll ihre Amplitude gefunden werden.« 

Zur Horizontalen DC (Fig. 116) sei die Gerade AC senk- 
recht; die Höhe CB sei gegeben, sowie die Sublimität BA. 
Es soll in der Horizontalen CD die Amplitude derjenigen Halb- 
parabel bestimmt werden, die von der Sublimität BA^ bei der 
Höhe BC, beschrieben wird. Man construire die mittlere 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 105 




B 



Proportionale zu Cß, BA, und nehme 
doppelt so gross CD an. Ich be- 
haupte, CD sei die geforderte Ampli- 
tude. Der Beweis folgt aus dem Vor- 
hergehenden. 

Theorem IV, Propos. VII, 

»Von Körpern, die Halbparabeln 
gleicher Amplitude beschreiben, wird 
derjenige, der eine Parabel durchläuft, 
deren Amplitude gleich der doppelten Höhe ist, einen geringeren 
Impuls haben, als irgend ein anderer der genannten Körper.« 

Bei der Halbparabel BD (Fig. 117) sei die Amplitude OD 
das Doppelte der Höhe CB^ und man mache auf der nach oben 
verlängerten Axe BA gleich der Höhe BC: man ziehe AD, 
welches die Parabel in D bertihren und die Horizontale BEm 
E schneiden wird, alsdann wird BE gleich BC oder gleich 



Fig. 116. 




Fig. 117. 

BA sein. Nun ist bekannt, dass die Parabel von einem Körper 
durchlaufen wird, dessen gleichförmig horizontale Bewegung 
aus dem Fall durch AB hervorgerufen ist, während er be- 
schleunigt in C, von B aus, anlangt. Daher wird der zusam- 
mengesetzte Impuls in D gleich der Diagonale AE sein, »in der 
Potenza gleich jenen beiden. Es sei nun GD irgend eine andere 



106 Galileo Galilei. 

Halbparabel mit derselben Amplitude (7i), aber mit der Höhe 
C G. welche kleiner oder grösser sei als B C\ dieselbe werde 
von HD bertihrt, welche die durch G gezogene Horizontale in 
K schneide; und wie HG zu GK, so verhalte sich KG zu 
GL. Nach dem Vorhergehenden wird von der Höhe GL ans 
die Halbparabel GD beschrieben. Zu AB, GL sei die mitt- 
lere Proportionale G M^ alsdann wird GM Zeit und Impuls in 
Gj von L aus, messen (denn AB ist als Maass der Zeit und der 
Geschwindigkeit angenommen). Es sei ferner zu J5C, CG die 
mittlere Proportionale gleich 6riV, so ist dieses Fallzeit und Im- 
puls in C, von G aus. Ziehen wir MNj so ist dieses der Impul» 
für die Halbparabel BD im Punkte D, Ich behaupte, MN sei 
grösser als AL. Denn GiVwar die mittlere Proportionale zu 
BC, CG, und da J5(7 gleich BL oder <xK ist (denn beide 
sind die Hälfte von DC), so ist CG zu GNwie NG zu GK, 
und wie CG oder HG zu GKy so verhalten sich die Quadrate 
von NG und GK] wie aber HG zu GK, so ist KG zu GL 
construirt worden, also verhalten sich die Quadrate von NG 
und GKy^ie KG zu GL, aber wie KG zu GL, so verhalten 
sich die Quadrate von KG und GM {dsL GM die mittlere Pro- 
portionale zu KGj GL]y ^folglich sind die drei Quadrate NG, 
GK, GM einander folgweise proportional (NG zu G^JK' wie 
GK zu GM). Das Quadrat aus der Summe der äusseren 
Glieder, welches gleich dem Quadrate von NM ist, wird grös- 
ser als das Doppelte vom Quadrate KG sein, d. h. als das Dop- 
pelte vom Quadrat von A JE: also ist das Quadrat von MN 
grösser als das Quadrat von AE, mithin die Linie il/iV grösser 
als EAj w. z. b. w.^^) 

Zusatz* 

»Es ist aus dem Vorhergehenden klar, dass umgekehrt der 
Impuls in D für den Lauf durch die Halbparabel DB kleiner 
sei, als der für irgend eine andere von grösserer oder geringerer 
Höhe als eben die Halbparabel DB, deren Tangente einen hal- 
ben rechten Winkel bildet mit dem Horizonte. Hieraus folgt, 
dass, wenn bei verschiedenen Neigungen vom Punkte D aus 
Körper geworfen werden, man den weitesten Wurf oder die 
grösste Amplitude der halben oder ganzen Parabel erhalten 
wird bei einer Neigung von einem halben Rechten. Die bei ge- 
ringerer oder grösserer Neigung erzielten Weiten werden kleiner 
ausfallen.« 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 107 

Sagr. Erstaunlich und entzückend ist die Macht zwingender 
Bevireise, und so sind die mathematischen allein geartet. Ich 
kannte schon nach Aussage der Bombenwerfer die Thatsache, 
dass von allen Kanonen- oder Mörserschttssen die unter einem 
halben Rechten abgeschossene Kugel am weitesten fliege; sie 
nennen es den sechsten Punkt des Winkelmaasses. Aber das 
Verständniss des inneren Zusammenhanges wiegt unendlich viel 
mehr, als die einfache Versicherung Anderer, und selbst mehr 
als der häufig wiederholte Versuch. 

Sah. Ihre Bemerkung ist sehr wahr: die Erkenntniss einer 
einzigen Thatsache nach ihren Ursachen eröffnet uns das Ver- 
ständniss anderer Erscheinungen, ohne Zurückgreifen auf die 
Erfahrung; so ist es gerade auch im vorliegenden Falle, wo wir 
durch Ueberlegung uns die Gewissheit verschafft haben, dass 
der weiteste Wurf unter einem halben Rechten erzielt werde; 
in Folge beweist uns der Autor etwas, was durch das Experi- 
ment vielleicht nicht beobachtet worden ist ; dass nämlich andere 
Schüsse gleich weit tragen, wenn die Neigungen gleich viel un- 
ter oder über einem halben Rechten betragen : so dass Kugeln, 
deren eine unter dem 7., die andere unter dem 5. Punkte abge- 
schossen werden, die gleiche Wurfweite im Horizonte haben, 
und ebenso die unter 8 und unter Punkt 4, 9 und 3 etc. Hier 
folgt der Beweis: 



Theorem V. Propos, VIII. 

»Die Parabelamplituden oder 
Wurfweiten von Körpern, die bei 
gleichen Impulsen unter Neigungs- 
winkeln abgesandt werden, die gleich 
viel vom selben Rechten abweichen, 
sind einander gleich.« 

Im rechtwinkligen Dreieck MCB 
(Fig. 118) sei die Horizontale BC 
gleich der Verticalen CM, so dass 
der Winkel MB C ein halber Rech- 
ter ist; man verlängere (7Jfbis D 
und trage oberhalb und unterhalb 
der Diagenale MB bei B zwei ein- 
ander gleiche Winkel MBB, MBD 
ab. Es soll bewiesen werden, dass 
die unter den Winkeln EBC, BBC 




Fig. 118. 



108 



Galileo Galilei. 



mit gleichen Impulsen abgeschossenen Körper Parabeln mit 
gleichen Amplituden beschreiben. Es ist der Aussenwinkel 
5 Jf Cgieich den inneren MDB, DBM, denen auch MBC 
gleichkommt. Nehmen wir statt DBM den Winkel MBU, so 
wird auch MBC den MBB, BDC gleich sein ; nach Abzug 
des gemeinsamen MBB bleibt der Rest BDC gleich dem Reste 
EBC Mithin sind DCB unäBCB einander ähnlich. Man 
halbire die Geraden DC und EC in H und in JP, ziehe HJ, 
FG parallel der Horizontalen CB, und construire, wie DH zu 
HJ, so JH zu HL\ alsdann wird das Dreieck JHL dem 
JHD ähnlich sein, welch letzteres wiederum EGF ähnlich 
ist. Da nun JH gleich GF (da beide gleich ^ J5 C) , so ist FE 
d. h. FC gleich HL\ fügt man beiden FH hinzu, so wird CH 
gleich FL. Denken wir uns die Halbparabel durch H und B, 
mit der Höhe HC, und der Sablimität HL, so wird die Ampli- 
tude CB sein, welches gleich 2 HJ ist, während HJ die mitt- 
lere Proportionale zu DH oder CH und HL ist; die Halb- 
parabel wird von DB berührt, da CH und HD einander gleich 
sind. Wird andererseits die Halbparabel durch FB beschrieben 
mit der Sublimität FL und der Höhe FC, deren mittlere Pro- 
portionale FG gleich \CB ist, so ist wiederum CB die Am- 
plitude: die Parabel wird von EB berührt, da EF, FC ein- 
ander gleich sind. Da nun DB C, EB C (die Wurfsteigungen) 

gleich weit vom halben Rechten abstehen , so ist der Satz be- 
wiesen, ^^j 



Theorem VI, Propos^IX, 

))Die Amplituden zweier Parabeln sind einander gleich, wenn 

die Höhen und Su- 
-^ blimitäten einander 
umgekehrt propor- 
tional sind.« 

Die Höhe der 
Parabel FH (Fig. 
119), nämlich GJ: 
verhalte sich zur 
Höhe CB der Pa- 
rabel BD, wie die 
Sublimität BA der 
letzteren zur Sublimität FE der erster en. Ich behaupte, die 
Amplituden HG, DC seien einander gleich. Da nämlich GF 




G D 



Fig. 119. 




Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 109 

zu CB wie BAzu FE^ so ist das Rechteck aus den äusseren 
Gliedern GFj FE gleich dem aus den inneren CB, BA\ mit- 
hin sind die diesen Rechtecken gleichen Quadrate einander 
gleich; aber dem Rechteck GFy FE ist das Quadrat von \GH 
gleich, und dem Rechteck CB, BA das Quadrat von \CD, 
mithin sind sowohl diese Quadrate als ihre Seiten , als auch das. 
Doppelte dieser Seiten einander gleich. Letzteres aber sind die 
Amplituden GH, CD, w. z. b. w.^s) 



.- Hülfssatz. 

Wird eine gerade Linie irgendwo getheilt, so ist die Summe 
der Quadrate aus den mittleren Proportionalen zur ganzen Linie 
und jedem der beiden Theile gleich dem Quadrate der ganzen. 
Linie. 

Es sei AD (Fig. 120) in C getheilt. 
Ich behaupte, die Quadrate der mittleren 
Proportionalen zm AD und AC sammt der 
zu AD, CD sei gleich dem Quadrate von 
AD, Beschreibt man nämlich einen Halb- 
kreis über AD als Durchmesser, errichtet 
in C eine Senkrechte CB und verbindet B mit A und D, so 
ist BA die mittlere Proportionale zu DA, AC und DB die- 
jenige zu ^Z>, DC] da nun die Summe der Quadrate von BA, 
DB gleich ist dem Quadrate von AD (àsi ABD ein Rechter 
ist), so folgt der Satz. 




Fig. 120. 



Theorem VII. Propos.] X. 

»Der Impuls in einem Endpunkte einer Halbparabel ist gleich 
der durch freien senkrechten, längs 
Sublimität und Höhe beschleunigten 
Fall erzeugten Geschwindigkeit.« 

Es »eìAB (Fig. 121) eine Halb- 
parabel mit der Sublimität DA und 
Höhe A C, die beide zusammen die 
Senkrechte DC bilden. Ich be- 
haupte, der Impuls in B sei gleich 
dem eines frei von D bis C fallenden 
Körpers in C. Es sei D C die Fall- 
zeit und Geschwindigkeit des letzte- 
ren. Man mache CF gleich der Fig. 121. 




F^4Jr 



no 



Galileo Galilei. 



mittleren Proportionale zu CD, DA. Es sei ferner CE aie 
mittlere Proportionale zu D C, CA ; alsdann ist CF Fallzeit 
und Geschwindigkeit längs DA von D aus und CE dasselbe 
für A C von A aus und die Diagonale EF ist das aus jenen zu- 
sammengesetzte Moment, mithin das von B in der Halbparabel. 
Da nun DC m A getheilt ist, und da C!F und CE die mittleren 
Proportionalen sind zu CD^ DA sowie CD, AC, so wird die 
Summe der Quadrate von CF, CE gleich sein dem Quadrate 
von der ganzen Strecke CD (nach dem vorigen Hülfssatze; . 
Aber diese Summe ist auch gleich dem Quadrate von EF, mit- 
hin ist EF gleich D C, folglich sind die Momente in B und in 
C einander gleich, w. z. b. w.^*) 

Zusatz. 

Daraus folgt, dass die Impulse aller Halbparabeln mit 
gleicher Summe von Sublimität und Höhe einander gleich sind. 



Probi. II, Propos. XL 

»Bei gegebener Geschwindigkeit und Amplitude einer Halb- 

« parabel ihre Höhe zu 
construiren.« 

Der gegebene Im- 
puls sei durch die 
Länge der Senkrech- 
ten AB (Fig. 122) 
definirt, die gegebene 
Amplitude sei BC. Es 
soll die Sublimität der 
Halbparabel gefunden 
werden, deren Impuls 
bei B gleich AB sei, 
während ihre Ampli- 
tude jBC beträgt. Aus 
Früherem folgt, dass 
^BCäie mittlere Pro- 
portionale zu Höhe 
Fig. 122. und Sublimität sei 

ebenderselben Halb- 
parabel, deren Impuls nach dem Vorhergehenden gleich dem 
eines durch AB von A aus fallenden Körpers sei. Folglich 




Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. Hl 

musa BA^o getheilt werden, dass das Rechteck aus seinen 
Theilen gleich sei dem Quadrate von BDj gleich ^B C. Hier- 
aus folgt, dass B D nicht grösser sX^^BA sein kann, denn das 
von den Theilen gebildete Rechteck ist, wenn letztere einander 
gleich sind, am grössten. Man halbire BA in E. Sollte nun 
BD gleich -B^ sein, so wäre die Aufgabe gelöst und die Höhe 
wäre BE^ die Sublimität E A (und zugleich erkennt man, dass 
die Amplitude einer unter einem halben Rechten ansteigenden 
Parabel die grösste von allen mit gleichen Impulsen erzeugten 
sei). Es sei aber BD kleiner als \AB, während AB ^o ab- 
zn theilen ist, dass das Rechteck aus den Abschnitten gleich dem 
Quadrat von BD sei. Man beschreibe über E A einen Halb- 
kreis, in dem -4 jP gleich BD angesetzt werde, ziehe FE und 
schneide EG gleich i/i^ab. Das Rechteck B G, GA mit dem 
Quadrate von E G zusammen wird gleich sein dem Quadrate 
von EAj dem auch die Summe der beiden Quadrate von AF, 
FE gleich sein wird. Nimmt man die Quadrate von G Ej FE 
fort (die beide einander gleich sind), so bleibt das Rechteck jB6r, 
GA gleich dem Quadrate von -^jFoder von BDj und BD ist 
die mittlere Proportionale zu B G, GA. Hieraus folgt, dass die 
Höhe einer Halbparabel mit der Amplitude BCunà dem Impulse 
AB gleich BG sei, die Sublimität dagegen GA, Nimmt man 
niedriger Ä/ gleich GA, so wird BJ die Höhe, JA aber die 
Sublimität der Halbparabel J C sein. Dem Beweise gemäss ist 
Letzteres gestattet. ^^) 

Probi. III. Propos, XII. 

»Es sollen durch Rechnung die Amplituden aller Halb- 
parabeln bestimmt und in eine Tabelle gebracht werden, die bei 
gleichen Impulsen von geworfenen Körpern beschrieben werden.« 

Aus dem Beweise folgt, dass dann von den Körpern Parabeln 
mit gleichem Impulse beschrieben werden, wenn die Summen 
von Sublimität und Höhe denselben Werth haben. Alle solche 
Summen liegen also in einer Senkrechten zwischen denselben 
Horizontalen. Der Horizontalen OB (Fig. 123) sei die Senk- 
rechte BA gleich und man ziehe die Diagonale AC. Der Winkel 
A OB ist also ein halber Rechter von 45 Grad. Man halbire 
die Senkrechte BA in Dj so wird DC diejenige Halbparabel 
sein, welcher die Sublimität A D und die Höhe D B angehört : 
der Impuls in C aber ist gleich der Endgeschwindigkeit in B 
nach dem Fall längs A B. Man ziehe A G parallel B C. Für 



\ 



112 



Galileo Galilei. 




Fig. 123. 



alle anderen Halbparabeln gleichen Impulses müssen die zusam- 
mengesetzten Sublimitäten nnd Höhen den Raum zwischen A G, 
ÄC ausfallen. Da ferner schon bewiesen ist, dass die Ampli- 
tuden derjenigen Halbparabeln, die gleich viel über oder unter 

45 Grad ansteigen, einander gleich 
seien, so wird die für grössere Nei- 
gungen ausgeführte Rechnung auch 
für kleinere benutzbar sein. Ausser- 
dem sollen 10 000 Theile angenom- 
men werden für die grösste bei 
45 Grad Anstieg beschriebene Para- 
bel, und so gross sei BA und die 
Amplitude BC angesetzt. Wir wäh- 
len die Zahl 10 000, weil wir unserer 
Rechnung die Tangententafel zu 
Grunde legen, und die genannte Zahl 
gleich der Tangente von 45 Grad 
gesetzt ist. 

Gehen wir ans Werk. Wir ziehen 
CE, so dass der Winkel ECB grös- 
ser ist als ACB (jedoch immer noch spitz), es soll die Halb- 
parabel construirt werden, die von EC berührt wird und deren 
Sublimität sammt Höhe gleich BA sei. Aus der Tafel der Tan- 
genten wird die zum Winkel BCE gehörige Tangente BE auf- 
geschlagen ; dieser Werth halbirt entspricht dem Punkte F. 
Dann bestimmt man die dritte Proportionale zu BF^ 5«/ (gleich 
\BC), welche durchaus grösser als FA sein wird; sie sei gleich 
FO [BF :BJ= BJ: FO), Die dem Dreieck ECB einge- 
schriebene Parabel mit der Tangente CE und Amplitude CB 
hat die Höhe BF, die berechnet worden ist, und die Sublimität 
FO. Aber BO überragt die Strecke zwischen den Parallelen 
AG^ CB, während wir in diesem Zwischenraum bleiben müssen, 
denn die gesuchte, wie die Parabel DC sollen von C aus mit 
gleichem Impulse beschrieben werden. Mithin ist eine andere^ 
der gefundenen ähnliche Halbparabel zu suchen (denn unter 
dem Winkel B CE können unzählige grössere und kleinere ein- 
ander ähnliche beschrieben werden), deren zusammengesetzte 
Sublimität und Höhe gleich BA sei. Es verhalte sich nun, wie 
OB zviBA, %o die Amplituden Ä C zu CR, und CR wird ge- 
funden sein als Amplitude einer unter dem Anstieg BCE be- 
schriebenen Halbparabel, deren vereinigte Sublimität und Höhe 
der Entfernung zwischen den Horizontalen GA, CB gleichkommt. 



r 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 113 

was verlangt war. Das Verfahren ist mithin das beschriebene. 
Also zusammengefasst : Man schlage die Tangente zum gegebe- 
nen Winkel BCE auf, halbire den Werth, nehme ^BC und 
bilde zu beiden die dritte Proportionale, welche FO heisse, und 
berechnet CR so, dass CR zn BC wie BA zu OB sei, so 
hat man CR, die Amplitude. Ein Beispiel: 

Es sei ECB gleich 50 Grad, die Tangente ist gleich 11918, 
davon die Hälfte, also jBjP gleich 5959; die Hälfte von 5C ist 
5000 ; die dritte Proportionale zu beiden ist 4195, welches zu 
iFaddirt 10 154 für jB O ergiebt. Wie nun OB zu BA, also 
wie 10154 zu 10 000, so sei BC, nämlich 10 000 (denn J?(7 ist 
gleich jB-4), zu der gesuchten RC, welche 9848 ergiebt, wäh- 
rend jB(7, die Maximalamplitude, gleich 10 000 ist. Die Ampli- 
tuden der ganzen Parabeln betragen das Doppelte, 19 696 und 
20 000. Eben so gross ist die ganze Amplitude für 40 Grad, da 
dieser Winkel eben so viel wie jener von 45 Grad abweicht. ^^j 

Sagr. Zu vollem Verständniss dieses Beweises fehlt mir die 
Erkenntniss, warum die dritte Proportionale zu BF, BJ (wie 
der Autor behauptet) durchaus grösser sei als FA. 

Sah, Das lässt sich, wie ich meine, folgendermaassen be- 
weisen : Das Quadrat der mittleren Proportionale zu zwei Linien 
ist gleich dem Rechtecke aus diesen beiden, daher ist das Quadrat 
von jB«7"oder BD gleich dem Rechteck aus der ersten FB und 
der anderen zu findenden Strecke; diese andere muss nothwen- 
dig grösser als FA sein, weil das Rechteck aus BF, FA kleiner 
ist als das Quadrat von BD, und zwar um das Quadrat von 
DFy wie Euclid bewiesen hat. Auch muss bemerkt werden, 
dass der Punkt jF, der die Tangente EB halbirt, häufig ober- 
halb ^ und nur einmal auf ^ liegen wird; in letzterem Falle 
ist es selbstverständlich, dass die dritte Proportionale zur halben 
Tangente und zu BJ (welche die Sublimität ergiebt) oberhalb 
A liegt. Der Autor aber hat den Fall gewählt, wo es nicht 
ofifenbar war, dass die genannte dritte Proportionale stets grös- 
ser als FA sei , so dass sie , über F angesetzt , stets über die 
Horizontale hinausreiche. Setzen wir nun fort: 

Es wird gut sein, mit Hülfe dieser Tabelle eine andere er- 
gänzend hinzuzufügen für die Höhen der mit gleichem Impulse 
beschriebenen Parabeln, nach folgender Construction: 



Ostwald's Klassiker. 24. g 



114 Galileo Galilei. 

Probi IV. Propos. XIIL 

»Aus den in nachfolgender Tabelle gegebenen Amplituden 
der Halbparabeln sollen mit Beibehaltung des Impulses, den 
irgend eine hat, für alle anderen die Höhen der einzelnen Halb- 
parabeln bestimmt werden. cc 

Es sei JS (7 (Fig. 124) die gegebene Am- 

A plitude. Der sich stets gleich bleibende Im- 

•F puls sei durch AB gemessen, die Summe 

nämlich von Höhe und Sublimität. Es soll 

die Höhe gefunden und bestimmt werden. 

Da BA so getheilt werden soll, dass 

*' das Rechteck aus seinen Theilen gleich 

dem Quadrate der halben Amplitude B C 

sei, so liege der Theilungspunkt in jF. Es 

werde ABj BCin D und / halbirt. Als- 

B dann ist das Quadrat von JB gleich dem 

Fig. 124. Rechteck BF^ FA^ während das Quadrat 

von DA gleich ist demselben Rechteck 
mitsammt dem Quadrate von FD. Wenn nun vom Quadrate 
von DA das Quadrat von ^t/ abgezogen wird, welch letzteres 
gleich dem Rechteck BF^ FA ist, so bleibt das Quadrat von 
FD nach ; fügt man zu dessen Seite FD die Strecke BD hinzu, 
so erhält man die Höhe BF. Man verfährt daher folgender- 
maassen: Vom Quadrat von \BA zieht man das Quadrat von 
^e/^ab; aus dem Reste nimmt man die Quadratwurzel, fügt die- 
selbe zu BD hinzu, und man hat die Höhe eingefunden. Ein 
Beispiel: Es soll die Höhe der Halbparabel von 55 Grad An- 
stieg gefunden werden. Aus der ersten Tabelle entnimmt man 
die Amplitude 9396, nimmt die Hälfte 4698, und bildet das 
Quadrat 22071204; das halbe Quadrat von BA ist stets gleich 
25 000 000 ; der üeberschuss über jene Zahl ist 2 928 796 ; da- 
raus die Quadratwurzel gleich 1710, angenähert. Fügt man 
dieses zu ^BA, nämlich 5000, hinzu, so hat man 6710, und so 
viel beträgt die Höhe BF. Noch eine dritte Tabelle zu er- 
läutern wird nicht überflüssig sein für die Höhen und Sublimi- 
täten von Halbparabeln gleicher Amplitude.'*'^) 

Sagr. Letztere möchte ich gerne ansehen, da ich aus der- 
selben den Unterschied der Impulse und Kräfte für gleiche 
Wurfweite der Geschosse erkennen kann, welcher je nach dem 
Anstieg sehr gross werden muss , so dass z.B., wenn man bei 
3 oder 4 Graden oder bei 87 oder 88 die Kugel abschiesst bis 
zur Wurfweite von 45° (in welch letzterem Fall der kleinste 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 115 

Impuls nöthig wird) , man einen immensen Mehrbetrag an Kraft 
finden würde. 

Salv. Sie haben vollkommen Recht, mein Herr, und Sie 
werden sehen , dass , um bei allen Anstiegen die Wirkung 2u 
verfolgen, man in grossen Schritten sich in die Unendlichkeit 
begeben muss. Hier folgen die Tabellen: 



I, Höhen der Halbparabeln mit versohiedenen Elevations- 
winkeln, »Anstieg«, bei gleichen Impulsen. 



Anstieg 


Höhe 


Anstieg 


Höhe 


Anstieg 


Höhe 


1 


3 


31 


2653 


61 


7649 


2 


13 


32 


2810 


62 


7796 


3 


28 


33 


2967 


63 


7939 


4 


50 


34 


3128 


64 


8078 


5 


76 


35 


3289 


65 


8214 


6 


108 


36 


3456 


66 


8346 


7 


150 


37 


3621 


67 


8474 


8 


194 


38 


3793 


68 


8597 


9 


245 


39 


3962 


69 


8715 


10 


302 


40 


4132 


70 


8830 


11 


365 


41 


4302 


71 


8940 


12 


432 


42 


4477 


72 


9045 


13 


506 


43 


4654 


73 


9144 


14 


585 


44 


4827 


74 


9240 


15 


670 


45 


5000 


75 


9330 


16 


760 


46 


5173 


76 


9415 


17 


855 


47 


5346 


77 


9493 


18 


955 


48 


5523 


78 


9567 


19 


1060 


49 


5698 


79 . 


9636 


20 


1170 


50 


5868 


80 


9698 


21 


1285 


51 


6038 


81 


9755 


22 


1402 


52 


6207 


82 


9806 


23 


1527 


53 


6379 


83 


9851 


24 


1655 


54 


6546 


84 


9890 


25 


1786 


55 


6710 


85 


9924 


26 


1922 


56 


6873 


86 


9951 


27 


2061 


57 


7033 


87 


9972 


28 


2204 


58 


7190 


88 


9987 


29 


2351 


59 


7348 


89 


9998 


30 


2499 


60 


7502 


90 


10000 



8* 



116 



Galileo Galllei. 



II. D Amplituden a der Halbparabeln bei verschiedenem 

Anstieg bei gleichem Impulse. 



An- 


Ampli- 


An- 


An- 


Ampli- 


An- 


An- 


Ampli- 


An- 


stieg 


tude 


stieg 


stieg 


tude 


stieg 


stieg 


tude 


stieg 


45 


10000 


45 


60 


8659 


30 


75 


5000 


15 


46 


9994 


44 


61 


8481 


29 


76 


4694 


14 


47 


9976 


43 


62 


8290 


28 


77 


4383 


13 


48 


9945 


42 


63 


8090 


27 


78 


4067 


12 


49 


9902 


41 


64 


7880 


26 


79 


3746 


11 


50 


9848 


40 


65 


7660 


25 


80 


3420 


10 


51 


9782 


39 


66 


7431 


24 


81 


3090 


9 


52 


9704 


^8 


67 


7191 


23 


82 


2756 


8 


53 


9612 


37 


68 


6944 


22 


83 


2419 


7 


54 


9511 


?6 


69 


6692 


21 


84 


2079 


6 


55 


9396 


35 


70 


6428 


20 


85 


1736 


5 


56 


9272 


34 


71 


6157 


19 


86 


1391 


4 


57 


9136 


33 


72 


5878 


18 


87 


1044 


3 


58 


8989 


32 


73 


5592 


17 


88 


698 


2 


59 


8829 


31 


74 


5300 


16 


89 


349 


1 



m. Höhen und Sublimitäten von Halbparabeln gleicher 
Amplitude, gleich 10000, bei verschiedenem Anstieg. 



An- 
stieg 


Höhe 


Subli- 
mität 


An- 
stieg 


Höhe 


Subli- 
mi tat 


An- 
stieg 


Höhe 


Subli- 
mität 


1 


87 


286533 


16 


1434 


17405 


31 


3008 


8336 


2 


175 


142450 


17 


1528 


16355 


32 


3124 


8002 


3 


262 


95802 


18 


1624 


15388 


33 


3247 


7699 


4 


349 


71531 


19 


1722 


14522 


34 


3372 


7413 


5 


437 


57142 


20 


1820 


13736 


35 


3500 


7141 


6 


525 


47573 


21 


1919 


13025 


36 


3638 


6882 


7 


614 


40716 


22 


2020 


12376 


37 


3768 


6635 


8 


702 


35587 


23 


2122 


11778 


38 


3906 


6395 


9 


19i 


31565 


24 


2226 


11230 


39 


4048 


6174 


JO 


881 


28356 


25 


2332 


10722 


40 


4196 


5959 


11 


972 


25720 


26 


2438 


10253 


41 


4346 


5752 


12 


1062 


23518 


27 


2547 


9814 


42 


4502 


5553 


13 


1154 


21701 


28 


2658 


9404 


43 


4662 


5362 


14 


1246 


20056 


29 


2772 


9020 


44 


4828 


5177 


15 


1339 


18660 


30 


2887 


8659 


45 


5000 


5000 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 117 



An- 
stieg 


Höhe 


Subii - 
mität 


An- 
stieg 


Höhe 


Subii 
mität 


An- 
stieg 


Höhe 


Subli- 
mität 


46 


5177 


4828 


61 


9020 


2772 


76 


20056 


1246 


47 


5362 


4662 


62 


9404 


2658 


77 


21701 


1154 


48 


5553 


4502 


63 


9814 


2547 


78 


23518 


1062 


49 


5752 


4346 


64 


10253 


2438 


79 


25720 


972 


50 


5959 


4196 


65 


10722 


2332 


80 


28356 


881 


51 


6174 


4048 


66 


11230 


2226 


81 


31565 


792 


52 


6395 


3906 


67 


11778 


2122 


82 


35587 


702 


53 


6635 


3768 


68 


12376 


2020 


83 


40716 


614 


54 


6882 


3632 


69 


13025 


1919 


84 


47573 


525 


55 


7141 


3500 


70 


13736 


1820 


85 


57142 


437 


56 


7413 


3372 


71 


14522 


1722 


86 


71531 


349 


57 


7699 


3247 


72 


15388 


1624 


87 


95802 


262 


58 


8002 


3124 


73 


16355 


1528 


88 


142450 


175 


59 


8336 


3008 


74 


17405 


1434 


89 


286533 


87 


60 


8659 


2887 


75 


18660 


1339 


90 


unendlich 






Probi V. Propos. XIV, 

»Die Höhen und Sublimi täten von Halbparabeln, die gleiche 
Amplituden ergeben, für verschiedene Anstiege zu finden.« 

Diese Aufgabe zu lösen ist leicht. Es sei die beständige 
Amplitude der Halbparabeln gleich 10 000; so werden die hal- 
ben Tangenten die Höhen bei verschiedenem Anstieg aus- 
drücken. Wenn z. B. eine Parabel 30 Grad Anstieg hat, und 
die Amplitude 10 000 beträgt, wird die Höhe gleich 2887 sein, 
denn so gross ist die halbe Tangente des genannten Winkels. 
Aus der Höhe wird die Sublimität folgendermaassen erhalten : 
Es ist bewiesen, dass die halbe Amplitude der Halbparabel die 
mittlere Proportionale sei zur Höhe und Sublimität ; da nur die 
Höhe bekannt ist, die halbe Amplitude aber stets 5000 betragen 
soll, so braucht man nur das Quadrat der letzteren Grösse durch 
die gegebene Höhe zu dividiren, der Quotient giebt die Subli- 
mität. Die Höhe war 2887, das Quadrat von 5000 ist 25 000 000 ; 
dieses durch 2887 getheilt giebt nahezu 8659 für die Subli- 
mität.48) 

Salv, Hier sieht man zunächst, wie sehr wahr die obige 
Bemerkung ist, dergemäss bei verschiedenem Anstieg, je mehr 
derselbe nach oben oder unten vom mittleren sich entfernt, einen 
um so grösseren Impuls verlangt, um dem Geschoss dieselbe 



118 Galileo Galilei. 

Wurfweite zu ertheilen. Denn der Impuls ist aus zwei Be- 
wegungenzusammengesetzt, der gleichförmigen horizontalen und 
der beschleunigten verticalen, und von ihm hängen Höhe und 
Sublimität ab; aus der vorliegenden Tabelle sieht man, dass bei 
45 Grad Anstieg die Summe beider am kleinsten ist; Höhe und 
Sublimität sind einander gleich und betragen eine jede 5000; 
ihre Summe ist gleich 10000. Bei anderer Steigung, von etwa 
50 Grad, ist die Höhe 5959, die Sublimität 4196, zusammen 
10 155. Und gerade so gross ist der Impuls bei 40 Grad, da 
dieser Anstieg um eben so viel wie jener von 45 abweicht. 
Zweitens müssen wir es bestätigen, dass überall paarweise die 
Impulse einander gleich sind bei gleichem Abstand der Anstiege 
vom mittleren, mit jenem wunderbaren Wechsel, dass Höhe und 
Sublimität beim höheren umgekehii; der Sublimität und Höhe 
beim niedrigeren Anstieg entsprechen, so dass, während bei 
50 Grad die Höhe 5959 und die Sublimität 4196 beträgt, um- 
gekehrt bei 40 Grad die Höhe 4196 und die Sublimität gleich 
5959 ist; dasselbe gilt überall ohne Ausnahme. Bei der Aus- 
rechnung sind die Brüche fortgelassen, da dieselben neben so 
grossen Zahlen keine Bedeutung haben. "^^) 

Sagr. Ich bemerke soeben, dass von den beiden Impulsen, 
dem horizontalen und dem verticalen, je höher der Wurf, um 
so kleiner der erstere und um so grösser der letztere sei. Da- 
gegen bei geringem Anstieg muss der horizontale Impuls stark 
sein bei geringer Höhe. Wenn ich nun auch vollkommen be- 
greife, dass bei 90 Grad Anstieg selbst alle Kräfte der Welt 
nicht genügen, um auch nur einen Zoll Weite zu erwirken, da 
das Geschoss eben dort niedersinkt, wo es fortgeschleudert ward, 
so könnte ich doch nicht mit derselben Zuversicht darauf bauen, 
dass auch beim Anstieg , also in der Horizontalen , eine end- 
liche Kraft nicht hinreichte , um irgend eine Wurfweite zu er- 
langen. Sollte selbst eine Feldschlange unfähig sein, eine Eisen- 
kugel horizontal, oder, wie man sagt, vom weissen Punkte aus, 
d. h. ohne jeden Anstieg, abzuschiessen? Mir scheint in diesem 
Falle ein Zweifel möglich : ich leugne nicht durchaus die That- 
sache, denn eine andere, nicht weniger merkwürdige Erfahrung 
macht mich stutzig, für welche ich zugleich den Erweis in der 
Hand habe. Ich meine die Unmöglichkeit , ein Seil vollkommen 
gerade auszuspannen , parallel dem Horizont ; es bleibt stets 
krumm und keine Kraft reicht hin, es gerade zu strecken. 

Sah. Also , Herr Sagredo , in letzterem Falle ist Ihr Er- 
staunen über den wunderbaren Effekt beseitigt, weil Ihr den 



Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 119 

^Erweis habt. Bei genauerer Betrachtung aber werden wir einige 
Analogie zwischen den beiden fraglichen Erscheinungen ent- 
decken. Die Krümmung der Linie beim horizontalen Wurf 
stammt von zwei Kräften her, deren eine (nämlich der Impuls 
des Geschosses) horizontal wirkt, während die andere (die 
Schwere) ihn senkrecht hinabtreibt. Beim Spannen des Seiles 
giebt es auch zwei Kräfte, die horizontale Spannkraft, und das 
Gewicht des Seiles, senkrecht zu jener hinab wirkend. Also 
liegen ähnliche Verhältnisse vor. Sprecht Ihr nun dem Gewicht 
des Seiles die Macht und Energie zu, jede noch so grosse Kraft 
zu überwinden , die dasselbe strecken soll , warum wollt Ihr sie 
leugnen beim Gewicht der Kugel? Aber noch mehr: wir em- 
pfinden Staunen und Freude, wenn das stark oder schwach ge- 
spannte Seil sich der parabolischen Form nähert und die Aehn- 
lichkeit so gross ist, dass, wenn Ihr auf einer Ebene eine Parabel 
zeichnet und sie dann umgekehrt betrachtet, d. h. mit dem Gipfel 
nach unten, die Basis parallel dem Horizonte, und wenn Ihr 
eine kleine Kette mit ihren Enden an diese Basis der Parabel 
anlegt, dass alsdann die Kette mehr oder weniger sich krümmen 
und der genannten Parabel sich anschliessen wird ; und zwar 
ist der Anschluss um so genauer, je weniger die Parabel ge- 
krümmt, d. h. je mehr sie gestreckt ist, so dass in Parabeln von 
45° Neigung die Kette fast ganz genau (quasi ad unguemj jene 
deckt. 

Sagr. Man könnte also mit solch einer Kette, die schön 
gleichförmig und fein gearbeitet ist, im Augenblicke viele Pa- 
rabeln auf einer Ebene abstecken. 

Sah. Gewiss und mit grossem Vortheil, wie ich Euch bald 
zeigen werde. 

Simpl, Ehe wir aber weiter gehen, möchte ich mich doch 
noch von der Richtigkeit der Behauptung überzeugen , die Ihr 
als völlig erwiesen hinstelltet, dass es nämlich unmöglich sei, 
selbst mit einer noch so grossen Kraft, ein Seil geradlinig hori- 
zontal zu spannen. 

Sagr. Ich hoffe des Beweises mich zu erinnern. Um ihn zu 
verstehen , Herr Simplicio , müsst Ihr zuvor zugeben , dass bei 
allen mechanischen Werkzeugen nicht nur versuchsweise , son- 
dern auch durch theoretische Beweise, feststeht, dass selbst die 
geringste Geschwindigkeit eines Körpers im Stande ist, jeden 
noch so grossen Widerstand eines Mediums zu überwinden ; letz- 
teres wird stets langsam bewegt, sobald die Geschwindigkeit 
des ersteren im Vergleich zu der des letzteren grösser ist, als 



} 



120 



Galileo Galilei. 



der Widerstand des zu bewegenden Körpers im Vergleich zur 
Kraft des bewegenden. 

SimpL Das ist mir sehr wohl bekannt ; es ist von Aristo- 
teles unter seinen mechanischen Problemen bewiesen; man sieht 
es deutlich beim Hebel, bei der Schnellwaage , wo das Laufge- 
wicht, das nur 4 Pfund wiegt, ein Gewicht von 400 Pfund hebt, 
wenn die Entfernung des Laufgewichtes vom Centrum der Waage 
mehr als 100 mal grösser ist als die Entfernung des Aufhänge- 
punktes des grossen Gewichtes von demselben Centrum: das 




Fig. 125. 

kommt daher^ dass bei den Schwingungen des Waagebalkens das 
Laufgewicht einen 100 mal grösseren Weg zurücklegt, als der- 
jenige ist, um welchen das grosse Gewicht emporsteigt. Mit an- 
deren Worten, das kleine Gewicht bewegt sich mit einer 100 mal 
so grossen Geschwindigkeit. 

Saffr. Das ist Alles vollkommen richtig , und Ihr zweifelt 
nicht daran, dass, so klein auch die Kraft des bewegenden Kör- 
pers sei, er doch einen jeden noch so grossen Widerstand über- 
winden kann, sobald das, was jenem an Kraft und Schwere ab- 
geht, durch Geschwindigkeit ersetzt wird. Gehen wir nun zum 
gespannten Seile über. Es sei AB (Fig. 125) eine durch zwei 



•Unterredungen und mathematische Demonstrationen etc. 1 21 

feste Punkte A und B gehende Linie. An beiden Enden mögen 
zwei sehr grosse Gewichte (7, D hängen, die mit grosser Kraft 
wirkend die Gerade vollkommen strecken, so lange die letztere 
ohne alle Schwere gedacht wird. Nun aber fügen wir hinzu und 
behaupten, dass, wenn in der Hälfte bei E ein noch so kleines 
Gewicht angehängt wird, wie etwa H, die Linie AB nachgeben 
und bis F sich senken wird, indem sie zugleich sich ausdehnt 
und die C, D veranlasst, empor zu steigen, was Ihr aus Folgen- 
dem erkennen könnt. Um A und B als Oentren beschreiben 
wir zwei Quadranten EFG^ ELM\ und da die beiden Halb- 
messer AJ, BL gleich den Strecken AE, EB sind, so werden 
FJ und FL die Verlängerungen sein, d. h. die Ueberschtisse 
von AFj FB über AE^ EB\ dieselben bestimmen die Hub- 
höhen der Gewichte (7, Z>, sobald H den Punkt F erreicht hat, 
was nur geschehen kann, wenn die Linie EF (d. h. die Senkung 
von H) im Verhältniss zu FJ (welches die Hubhöhen von ,C 
und D bedingt) grösser ist, als das Gewicht jener beiden (7, D 
im Verhältniss zu dem von H. Aber dieses muss stets sein, 
wenn man C, D mögliehst gross und H sehr klein wählt. Denn 
der Ueberschuss von C, D über jSTist nicht so gross, als dass 
er nicht durch den Ueberschuss der Tangente jBjPtlber das Se- 
cantenstück FJ dargestellt werden könnte. Letzteres erkennen 
wir folgendermaassen: es sei ein Kreis mit dem Durchmesser 
G/ gegeben, und wie sich die Gewichte C, D zu H verhalten, 
so sei BO zu einer anderen Geraden (7, welche grösser als Z> 
sei, so dass das Verhältniss BO zu D grösser als das von B O 
zu C sei; man construire zu OB, D die dritte Proportionale 
BE nnd mache, wie OE zu EB, so GJ zur Verlängerung JF\ 
von F aus ziehe man eine Tangente FN, Und weil OE zu 
EB wie GJ zu /i^ gemacht war, so verhält sich auch GF zu 
J^/ wie OB zu BE. Aber zu OB, BE ist die mittlere Pro- 
portionale gleich Z>, und diejenige zu GF, FJ gleich NF\ 
folglich verhält sich iVi^ zu jF/ wie OB zu D, und dieses Ver- 
hältniss ist grösser als das der Gewichte (7, D zu H, Es hat 
also die Senkung oder Geschwindigkeit von H zur Hebung oder 
Geschwindigkeit der Gewichte (7, D ein grösseres Verhältniss, 
als die Gevdchte C, D zum Gewichte H; folglich muss H sinken 
und die Linie AB wird die Horizontale verlassen. Was aber 
mit der gewichtlosen AB geschieht bei der kleinsten Belastung 
in E, wird auch mit einem schweren Seile geschehen ohne Hin- 
zufügung eines besonderen Gewichtes, wie wenn man das Ge- 
wicht des Seiles AB anbrächte. 



122 Galileo Galilei. Unterredungen etc. 

Simpl, Nun bin ich vollständig befriedigt, und Herr Sài- 
viati wird seinem Versprechen gemäss uns den Nutzen erläutern, 
den wir sonst noch von der Kette ziehen können. Danach wollte 
er uns noch die Gedanken unseres Autors über die Kraft des 
Stosses mittheilen. 

Sah. Für heute mag es genug sein, denn es ist spät ge- 
worden, und eine Stunde würde lange nicht hinreichen, den ge- 
nannten Stoff zu erschöpfen ; schieben wir deshalb die Erläute- 
rung dieser Frage auf bis zu gelegener Zeit. 

Sdgr, Ich muss Ihnen beistimmen, da ich aus mancher Un- 
terhaltung mit den vertrauten Freunden unseres Akademikers 
erkannt habe, dass diese Frage äusserst dunkel sei, und keinem 
von denen, die dieselbe früher behandelt haben, ist es gelungen, 
ihre finsteren Schlupfwinkel, die weit von den gewöhnlichen 
Vorstellungen der Menschen abliegen, zu ergründen; eine der 
wunderlichsten fällt mir soeben ein , dass die Stosskraft unbe- 
stimmt, wenn nicht unendlich gross sei. Wollen wir also ab- 
warten, wann es Herrn Sahiati gelegen ist. Einstweilen sagen 
Sie mir, was folgt jetzt auf die Abhandlung über den Wurf? 

Salv, Es sind das einige Lehrsätze über den Schwerpunkt 
fester Körper ; unser Akademiker hat in seinen jungen Jahren 
einiges entdeckt, was in dem von Federigo Comandino ähnlich 
behandelten Gebiete unvollkommen geblieben war. In den hier 
folgenden Sätzen glaubte er eine Ergänzung zum Buche des 
Comandino geben zu können und schloss dieselbe hier an auf 
den Rath des Herrn Marchese Cuid! Ubaldo del Monte, dem 
bedeutendsten Mathematiker seiner Zeit, wie aus seinen vielen 
Schriften hervorgeht. Diesem Herrn gab er auch eine Abschrift 
und hoffte später die Untersuchung auf Körper zu beziehen, die 
vom Comandino nicht behandelt waren; als er aber nachher 
denselben Gegenstand im Buche des Herrn Ltu)a Valerio, dem 
grossen Geometer, fand und sah, dass derselbe den ganzen Stoff 
lückenlos bearbeitet hatte, so Hess er die Sache fallen, obgleich me- 
thodisch er dieselbe ganz anders als Herr Valerio angefasst hatte. 

Sagr. So lasst mir denn inzwischen das Buch, damit ich in 
der Zwischenzeit bis zu unserer nächsten Zusammenkunft die 
Sätze durchsehen und mir aneignen kann. 

Sah. Ihrem Wunsche komme ich gerne nach und hoffe, 
dass Sie an der Lehre Gefallen finden werden. 

Ende des vierten Tages. 



' 



Anmerkungen, 



Der dem Leser hier vorliegende dritte und vierte Tag gehört 
zu den hervorragendsten Leistungen Galileis, In der Art der 
Abfassung dem ersten und zweiten Tage verwandt, finden wir 
liier ein streng geordnetes System der Fallgesetze vor. Der 
Text ist gebundener, und meist lateinisch geschrieben. Die Un- 
terredungen zwischen den drei Personen treten ab und zu ein, 
sind im Original italienisch abgefasst und bilden oft willkom- 
mene Ergänzungen zum streng gehaltenen Text. Nachstehend 
wollen wir auf die besonders interessanten Probleme und deren 
Lösungen aufmerksam machen, alle Haupttheoreme aber in mo- 
derner analytischer Form wiedergaben. Manche Aufgabe wäre 
werth, der Vergessenheit entzogen und in die Lehrbücher auf- 
genommen zu werden. Der Docent sowie der Schüler wird viel- 
fach Anregung finden, die Lehre vom Fall und von der Wurf- 
bewegung zu vertiefen. Erstaunlich erscheint einem die Leistung 
Galile^Sj wenn man bedenkt, dass auf diesem Gebiete schlechter- 
dings gar nichts vorlag, als irrige Ansichten auf Grund ganz un- 
berechtigter Autorität. Von dem dritten und vierten Tage spe- 
ciell sagt Lagrange: »es gehöre ein ausserordentliches 
Genie dazu, sie zu verfassen, man werde dieselben 
nie genug bewundern können«. 

Dritter Tag. 

1] Zu S. 5. Der aufgestellten Definition entsprechend, 
würden wir, die Strecken mit 5, die Zeiten mit t, die gleichför- 
mige Geschwindigkeit mit c bezeichnend, sagen: s = c - t. Die 
vier Axiome sind zu je zweien gepaart. Vorstehende Gleichung 
führt, wenn man für eine zweite Bewegung s' = c' * t' setzt, zu 
Axiom I und U, wenn c=^c' ist : 

Axiom I : s : s' = t : ^ 
Axiom II: t : f = 8 : s' 



124 Anmerkungen. 



dagegen zu Axiom III und IV, wenn t=^t ist 

Axiom ni: s : s' =^c \c' 
Axiom IV: c : c' = s : s\ 

2) Zu S. 6, Die beiden ersten Theoreme bringen keinen 
neuen Gedanken, sobald der Begriff der Proportion als gegeben 
angesehen wird. Lehrsatz III nimmt s = s' an, und beweist, 
dass c \ d -=^1! \t. Die Breite der Beweisftlhrung ist nichts als 
eine Euclidische Fessel. Im historischen Interesse beachte man 
deshalb die Unterredung in dem fünften Tage, der lediglieh dem 
Begriff der Proportion gewidmet ist. 

3) Zu S. 8. Der ganze Satz bringt nicht mehr als — = 

s 

et t 

-j ' rp' — Ebenso ist das folgende Theorem erledigt mit —, = 

-, • — und das sechste mit -r = — . — . 
sc est 

4) Zu S. 21. Wenn v=g -t^ so ist a = ^^- 

5) Zu S. 22. Wenn v=g -t, so ist ä = ^y • ^2. 

6) Zu S, 26, Wenn s^Xg-f^ und f' = i^ • ^'^ so ist 
5 : 5' = ^2 . ^'2^ mithin auch s^ ; 55' = p. • ^'2^ folglich t\i! =. 

s : Vs ' s' \ ein in neuerer Zeit vielleicht zu wenig beachteter 
Lehrsatz. 

7) Zu S. 27. Wenn t? = ^ sin a • t und t?' = ^ sin a • f, 
so ist V : v' = t : t' unabhängig von or, dem Neigungswinkel der 
Ebene. 

8) Zu S. 30. Da sin a = y und ji> == r sin cu = r • y, so 
iBt p : r = h: L 

h h 

9) Zu jS. 30. p = r ' -j, p' = r ' yy folglich p:p' = 1' : L 

10) Zu S. 31. Es ist V = V2' g • ä, wenn AO=h ge- 

V 

setzt wird, und ^ = — 

Ferner ist 

j ri 1 • 41 i ' t?2 sin a • 2gh , . 
AU = 4^g sm a ' t^ = ^g ^m a • — = ^ ^— = h sm a, 

welches zu beweisen Galilei unterlässt. Der im Text gegebene 
Gedankengang entspricht nur den Beziehungen : 



AnmerkuDgen. 1 25 

v' ^= g sìna ' t'] AB = ^g sin a f^; 

«?' = c^ sin aV ^ ' ^^ = y2a sin a - AB = V2g'AC= v, 

also ist in gleichem Horizonte bei jeglicher Neigung dieselbe 
Geschwindigkeit v = V2ff - h erreicht. 

11) Zu S. 31, Weil v=^g't und «?' = ^ sin a • ^', so 
ist, da v^=v' ist, < : ^' = sin a : \ = AC: AB. 

12) Zu S. 32. Es ist dieser Satz identisch mit dem vorigen, 
mit blosser Vertauschung der Glieder. Wir würden sagen: Da 
/ = ^g sin a • ^'2 und h = ^g - t\ so ist / sin a = ä = 

/ 7 

^g sin a2 ^'2^ mithin — == sin a = y , d. h. die Fallzeiten ver- 

halten sich wie die Fallstrecken (bei gleicher Höhe) . 

13) Zu S. 33. Auf Grund des vorigen Satzes folgt f : f 

= r : r. 

14) Zu S. 33. Der Bedingung gemäss ist l = ^g * -= -fi 

und auch l = y.^. t"^, mithin t:f = VF:Vh.— Galilei'^ 

Beweis setzt, in Formeln gekleidet, voraus: weil BJ"^-^ 

»n er- • , -B-D^ BD ._ BD i/BU 

BD • BE, so ist ^j^ = ^-g, mithin ^j = y ^j^, «• s. f. 

15) Zu S. 34. Wenn l = ^.^.fl und r = ^j-t'^, 
. , t l VK 

16) Zu S.35. l = y.j. p. oder P = y^h'fi 

und 

r2 = i^g.k' 'O 
aber 

P = 2'd'h und ^2 = 2 • c? • Ä', 
folglich 

1 7) Zu S. 36. /2 = ^.^ . /^ . fì^ y^{q vorhin, und wenn der 
Durchmesser rf genannt wird, d = \g't'2] aber Pr=zd*h, 
folglich t=t'. 



126 Anmerkung^B. 

18) Za S. 39. Wenn P=:|^ . Ä • ^ und 7"^ = ^ ■ h' - 1'^ 
und P:l"^ = h:h\ so ist t = t'. 

19) Zu S. 41. Längs den beiden Ebenen gelten 

und 

r = \gmLBCE'0. 

Nun enthält die etwas veirworrene Bedingung die Proportion 

l:T = Hin LCD : smBCJE, 
mithin ist 

t=t\ 

20) Zu S. 43. Allgemein ist v=^a-\- gt 
und 

ü' = a + ^sinof • ^. 
Da 

v = v , 
so folgt 

t = t* sin a 
oder 

t\t' — h:l 

21) ZuS. 43. Es ist 



und 
also 



h'=y- f\ 



-V 



2Ä 



und 



also 






Mithin 



t'-t=y-iy¥-yh). 

t:{t' — t) = V7i: Vh; — Vh = h : VT^K — h, 



q. e. d. 

22) ZuS. 45. Es seien die Strecken AB = s, AC=s\ 
FB = r, FD = r , die entsprechenden Fallzeiten t^ t\ r, t , 
so ist nach einem früheren Satze (s. Anm. 6) 



und 



ferner auch 



Mithin 



nnd 



also 



folglich 









Anmerkungen. 










t 


Vää' 










t' 


^ s' 










X 


Vrr 










x' 


r' ' 








i 


t' 


s s' 








— 


• 










% 


r' 


r r' 








x' 


— r 


r' — Vrr 










r 


r' 








m 


x' - 


— T 


r' — Vr • r' 








t' " 


s' 








t' 


— r 


r' Vrr' 






x' 




i 


Vs-s' ' 




t + 


Vs • s' + r' — 


Vr ■ r 




t 






Vs-s' 






t' 






s' 





1 



127 



nnd 

q. e. d. Bei diesem Theorem bietet die geometrische Betrach- 
tung des Textes mehr Anschaulichkeit. 

23) Zu S, 46, Analytisch ergiebt sich, wenn die senk- 
\ rechte Fallstrecke = a, die gesuchte = z ist, 



und 



folglich 






a2 
a; = — + 2a, 

X 



woraus 
folgt. 



X 



= a(l+y2) 



128 Anmerkungen. 

24) Zu S. 47. Aehnlioh wie in der vorigen Aufgabe wird 
der analytische Ansatz geben 

und 

WO h und a gegeben sind. Hieraus folgt 

a = h 2:r , 

a 



mithin 

X 



«2 



h + 2a 

Dieser Werth von x entspricht dem ersten Theile der Lösung, 
die Galilei giebt, da 

X : a = a: h -\-2a . 

Statt nun sogleich x^ gleich E A in der Figur, als AX in die 
Senkrechte zu übertragen, womit X gefanden wäre, setzt der 
Autor erst in der Geneigten AR^ welche y heissen mag, an, 
und macht 

a 

Die Parallele ^X bestimmt AX, welches x' heissen mag, so dass 

, h 
x=-.y; 

folglich wird 

entsprechend unserem Texte. — Der Beweis im letzteren stützt 
sich auf mehrere andere Zwischensätze. 

25) Zu S, 49. Es sei t die Fallzeit durch die oben hinzu- 
gefügte Strecke, f diejenige längs £C nach dem Falle durch 
AE, und f diejenige für EB, nach dem Falle durch AE^ fer- 
ner sei EC= l und EB = d gesetzt, so ist 

und 



AnmerkungeD. 1 29 

oder 

folglich 

t'2^2t't' + fi == ^2 ^2jf 't + fi, 

mithin, da rf>? ist, 

t' > t'\ 

26) Zu S. 50, Wenn AB = aj die Neigung = a und die 
gesuchte Strecke x heisst, so kann man setzen 

und 

x = \g9ìnat + gfi, 
folglich ist 

a: = a sin a + 2 a . 

Der im Text gegebenen Lösung gemäss ist, wenn man 

sin a 
setzt, 

ak ak '\- a 

ak-\- a ak + x^ 
woraus der obige Werth für x sieh ergiebt. 

27) Zu S. öl. Die analytische Lösung führt zu 

{x + a)^ — x^=b^, 

wo 

AB = b 

und die gegebene kleinere Zeitgrösse = a gesetzt ist. Hieraus 

folgt 

J2_a2 

X =: ■ , 

2a ' 

welches zu einer weitläufigeren Construction führt, die indess 
nicht uninteressant ist. — Galileis kurze und hübsche Lösung 
führte zur Aufgabe, den Punkt E als Mittelpunkt eines Kreises 
aufzusuchen, der in B von AB berührt wird, während der 
Ueberschuss der Sekante E A über den unbekannten Radius 
EB gegeben ist. Eine Senkrechte in dem Halbirungspunkte 
von A O giebt in E das gesuchte Centrum. 

Ostwald's Klassiker. 24. 9 






130 



Anmerkungen. 



28) Zu S. 61, Die im Text gegebenen Proportionen führen 
nach einer kurzen Rechnung zu 

XE_ AB 
AB~2AB — EF' 

Die unbekannte XE findet man also nach folgender Con- 
struction. — In Fig. 86' sei AB gegeben. Man verlängere 





Fig. 86'. 

nach oben und verdoppele, so dass BK gleich lAB^ nehme 
KL gleich dem gegebenen EF^ ziehe durch L eine Horizontale 
und schlage um B mit BA einen Kreis AM, Die Gerade BM 
verlängert ist die gesuchte Ebene, £/ gleich KL die verlangte 
Bahnstrecke. 

29) Zu S. 64, üebersichtlicher ist dem Texte entsprechend: 

OB^ = EB'BA, 

EB OB 



folglich 



aber 



folglich 



mithin 



BA BN ' 

OB _ OB^ 
BN~ BA^' 

OB OB BA 



BN BA BJSi 

BA ^ OB 
BN~ BA' 



7 1 



0B + BN':>2BA, 

30) Zu S. 70, Hier liegt eine der scharfsinnigsten Lösungen 
vor. Um das Verständniss des langen Beweises dem Leser zu 



Anmerkungen. 131 

erleichtern, fassen wir, der Construction entsprechend, den ge- 
suchten Werth von CE, wofür wir x setzen, in seiner Abhängig- 
keit von AB^ welches = c sèi, und von A C, welches wir ^^ a 
setzen wollen, zusammen. Der Construction gemäss ist 

aber 

AL AB 

LC~ BN' 

folglich auch 

AL AB AB 



AC AB + BN 2AB — AC' 

mithin 

/ AB' AC Y l ^-g \^ 

^^ r^ 2AB-ACÌ . V 2c-al i c^c-a)^ 

AC a a{2c—a)^ 

Diesem Ausdrucke entspricht die Construction ; auf analytischem 
Wege erhält man denselben Werth durch den Ansatz : 

^" a 



c-{-g 



*4(i'+'') 



c 
Wir haben hier RA = z gesetzt, welches =— a;ist. Eliminirt 

a 

man t und t\ so findet man zuerst 

welches eine ganz interessante Beziehung für das Verhältniss 
von t' (der Fallzeit längs c) zu t (der Fallzeit längs x) aufweist, 
es ist 

t' : t = AC:2BN, aber auch =AJ:JB, 

wie letzteres allein unser Autor beweist. — Eliminirt man t' 
und führt aus der zweiten Gleichung für t die Grösse z ein, so 
kommt 

9* 



132 Anmerkungen. 

\ 2c[c — a]f 



woraus 



mithin 



X = 



Ac^ {c — a)^ 
4 c2 [c — a)2 



a (2 c — af 

Gefunden aber hat Galilei die Lösung gewiss nur durch seine 
geniale Methode, die Fallzeiten durch Strecken darzustellen, da 
er den analytischen Ansatz nicht hat haben können. — Die 
oben mitgetheilte Beziehung 

t _ 2{c — a) 
f a 

zeigt, dass dieses Verhältniss einen um so kleineren Werth bei 
constantem a erhält, je steiler AB genommen wird. Je grösser 

die Neigung von c, um so grösser ist y. Indess ist t' in kleine 
Grenzen eingeschränkt und ist am grössten, wenn c mit a zu- 
sammenfällt, nämlich = 2 l/ — , dagegen nimmt auffallender 

Weise mit wachsendem c die Grösse t' ab und ist am kleinsten, 
wenn c unendlich lang, die geneigte Ebene in eine horizontale über- 
gegangen ist. Es hat dann den Werth y ^, mithin ist das 

Minimum von f gleich der Hälfte des Maximums. Der allge- 
meine Werth ist 

2c 
Zur Construction von x schreibe man 



a • X 



\ 2c — a I 



In Fig. 95' sei AC=^a, AB = c, Man verdoppele AB 
bis G, trage bei G und bei B die Strecken GK^s^a una BP 
= a ab, so sind die üeberschüsse 



Anmerkungen. 



133 



KA = 2c — a 
PA =c — a 

Mit AG schlage man einen 
Bogen bis N in der Horizon- 
talen, so i^t AN = 2c, Man 
ziehe KN nnd von P nach 
eine Parallele zu KNy so 
ist AO = k. Durch C und 
O schlage man einen Halb- 
kreis, dessen Mittelpunkt in 
^ Coder dessen Verlängerang 
liege, so schneidet der Kreis 
die Senkrechte im gesuchten 
Punkte Xj entsprechend dem 
vorstehenden Ausdrucke für Fig. 95'. 

XA==x. Von Interesse ist 
noch die Fallzeit durch die senkrechte Strecke XA; es ist 

— T/^i? 2c{c — a] l/2ä 
nnd setzt man den Maximalwerth von f gleich T, so war 

' 9 
dagegen die Hfllfsgrösse 




2c — a 



folglich wird ganz allgemein 



a 

d. h. wie AO VX ACy so verhält sich die Fallzeit längs XA 
zur Fallzeit längs AC^ von A aus. Addirt man t und t\ so 
kommt 

a 

wie a priori bekannt war, da die Fallzeiten längs AB und A C 
sich wie diese Strecken verhalten. Endlich ist noch 



t! = 



a 



Kt=^.t, 



CA 



134 



Anmerkungen. 



stets > , weil stets c^k ist» — üebrigens ist T auch 
schlechthin die Fallzeit für AC=a von A aus. 

31) Zu S,72. Unmittelbar an das vorige Problem sieh an- 
schliessend muss jetzt XA = x als gegeben betrachtet wer- 
den ; c und a sind gesucht. Da aber die Neigung n gegeben ist^ 
so kann man die letzte durch zwei Strecken AB' == c' und 
AC =^a' als gegeben betrachten. — ^ Dann ist 



_f {2c' — a'] >g\ 
« — \(c'_a').26?7*^• 



Zur Construction setzen wir 



alsdann ist 



sei ferner 



so wird 



A' = 



2 c' {c' — a') 

(2 c' — a') ' 






r= 



a 



k 



f > 



k" 

a= rry ' X , 




Fig. 96'. 



^ 



Anmerkungen. 1 35 

Also ganz ähnlich wie vorhin verfahre man mit c' und d 
(Fig. 96) und findet 0\ so dass ^0'=A'. Alsdann schlägt 
man einen Halbkreis durch O' O' ^ dessen Centrum in AO' liegt, 
und findet AY=Ti\ Verbindet man noch 0' mit dem gegebe- 
nen Punkte X und zieht YC parallel O'X, so ist G der ge- 
suchte Punkt, sofern eine Parallele zum Horizonte OB den End- 
punkt B der fraglichen Strecke ergiebt. 

32) Zu S. 76, Die Genialität Galihi^s leuchtet aus der 
Handhabung des vorliegenden Theorems in solchem Grade her- 
vor , dass wir den Leser dringend zum Studium der Aufgabe 
auffordern möchten. Man fasse dieselbe analytisch an; man 
wird grosse Mühe haben, während unseres Autors Methode be- 
wundernswerth dasteht. Die Analyse giebt für die Fallzeit längs 
DC (die wir f nennen wollen, während die für DB gleich t, 
und die für BCj von der Ruhe in Z> an, gleich t' sei), folgendes : 

' 9 
(welcher Werth auch für die Fallzeit B C von B aus gilt) 






g V2rh 



_ -i/r V2rH — y2rh 



g V2rK 

wo die Höhe von DB=^h^ die von BC=h! und h-^-K 
= H gesetzt ist. Indess ist hier der Beweis dafttr, dass t-^-t' 
stets <! f sei, äusserst umständlich, weil u durch r, h und N 
ausgedrückt werden mnss, während eine geometrische Construc- 
tion der drei Zeitgrössen leicht auszuführen ist. Freilich hat 
Galilei drei Hülfssätze voraufgehen lassen , die die Beweisftth- 
rung kürzer erscheinen lassen. 

33) Zu S\ 77, Man hat Galilei oft den Irrthum zuge- 
sprochen, als habe er den Kreisbogen für eine absolute Brachi- 
stochrone gehalten, und so in der That klingt der e r ste Satz, dem- 
gemäss »die schnellste Bewegung längs dem Kreisbogen statt- 
finde (r. Allein die Schiusaworte unseres Abschnittes sind 
völlig correct, denn es wird eben nur bewiesen, dass jeder Kreis* 
bogen in kürzerer Zeit durchlaufen wird, als irgend ein einge- 
schriebenes Polygon. 

34) Zu S. 78» Die unbekannte Strecke AE sei x^ AD=x\ 



136 Anmerknngen. 

V. 

AC=^lj AB^=ih gesetzt, femer die drei entsprechenden 
Fallzeiten t\ (\ t'[' nnd die für h sei t. Alsdann ist analytiscli: 



= 1/^ 



Da nun x' — x = h nnd f = t sein soll, so ist 

und wenn man t einsetzt, so wird 

also 

Die Construction dieses Werthes entspricht genau dem Gange, 
der im Text eingeschlagen ist. 

35) Zu S. 78. Aus 

t Ä 

f + f + t'" ~ 1 

findet man durch Einsetzen der Werthe von t^ t und f ^ dass 
t'" ss= i ist, in der That eine sehr bemerkenswerthe Beziehung. 

Vierter Tag. 

36) Zai S. 94. Es dürfte zweckmässig sein, das Fremd- 
wort Sublimität beizubehalten, statt dasselbe durch Erhabenheit 
u. a. zu ersetzen. Die erste Bedeutung von sublimis ist die des 
Erhabenseins oder des Emporragens. Da in der Geometrie bis- 
her das Wort Sublimität nirgends gebraucht worden ist^ so durfte 
es um so mehr für die wichtige von Galilei eingeführte Grösse 
eingeführt werden. 

37) Zu S. 97. Der Text heisst: quanto alla misura del 
tempo, abbiamo la comunemente ricevuta per tutto delle ore, 



Anmerkungen. 137 

minati primi e secondi. Nun heisst wörtlicli minuto eine kleine 
Zeitgrösse. Aus minuti primi sind spUter »Minuten«, aus minuti 
secondi sind »Secunden« geworden. 

38) Zu S. 100, Wir haben den Text möglichst wortgetreu 
wiedergegeben und deshalb die Bezeichnung potentia oder 
italienisch in potenza mit »in der Potenz« übersetzt, obwohl in 
der heutigen Algebra man nicht mehr so sich ausdrückt. Am 
auffälligsten ist hier an letzter Stelle der Ausdruck, da die 
Diagonale eines gleichseitigen rechtwinkligen Dreieckes gemeint 
ist; diese Diagonale, heisst es, sei »in der Potenz« gleich jenen 
beiden Seiten, folglich »in der Potenz« gleich dem Doppelten 
einer Seite. Verständlich wird der Ausdruck, wenn man die 
Diagonale = d, die Seiten mit x bezeichnet, da 

39] Zu S. 104. Analytisch wäre die gesuchte Sublimität 
x = ^gP-, Die gegebene Parabel sei y'^=ip -x, die a:-Axe 
senkrecht, der Coordinatenanfang im Gipfel. Die Fallzeit für 
AH sei t\ so ist 

mithin 



folglich 



^2 = 4 — , aber auch = — , 
9 9 



P 

x = -, 



eine viel allgemeinere Lösung, als im Text; letzterem zu ge- 
nügen wäre 

y"i'=px\ 
folglich 

welches genau Galilea ^ Construc- 
tion ist. Welche Parabel aber 
auch gegeben sei, die Sublimität 
ist stets gleich dem vierten Theile 
des Parameters. Solches erhellt 
sofort, wenn die Amplitude gleich 
der doppelten Höhe ist. Bei be- 
liebiger Amplitude und Höhe findet man die Sublimität durch 
Ermittelung des Parameters; das führt zu folgender Construction,« 




138 Anmerkungen. 

die etwas einfacher ist, als die im Texte. Man verlängere den 
Horizont, mache KH^=i lAH^ ziehe AK^ findet den Schnitt- 
punkt L^ die Horizontale Li^giebt den Brennpunkt^ und X.A 
= ^jPgiebt die Sublimität. 

40) Zu S. 104. Nach unserer Bezeichnung, da 

und Sublimität 

*-4> 



©'--- 



41) Zu S, J06, Der Satz ist leicht zu beweisen, wenn ana- 
lytische Ansätze gestattet werden. Wenn die Amplitude a, die 
Hohe hf Sublimität s genannt wird, so ist stets 

a^=rzp - h und ^ = ^ , 

4 

folglich 

Die horizontale Geschwindigkeit heisse u, die verticale t?. so ist 

u = V2 ' ff - s und V = V2 - ff ' hy 
mithin der Impuls 

also 



'-VH'+É)' 



welches ein Minimum wird, bei gegebenem a, wenn 
Wir gewinnen zugleich den Satz 



i=V2ff-{/i-\-s), 

gleich der durch h'\- s bei senkrechtem Fall erzeugten Ge- 
schwindigkeit, wie solches in der Propos. X bewiesen wird, im 
Uebrigen aber aus dem Satz der Constanz der Energien un- 
mittelbar erhellt. 



Anmerkungen. 139 

42) Zu S. 108, Der analytische Beweis dieses Satzes pflegt 
in allen Lehrbüchern gegeben zn werden. Bei der Steigung a 
und der Anfangsgeschwindigkeit i wird 

a: == i cos a ' t und y = e sin a • ^ -f- ^9^^i 
und eliminirt man t^ so kommt die Parabel 

Es wird femer x gleich der Wurfweite W, wenn y = ist, 
woraus 

W = — cos 2 a ^(7 a = — sin 2 a . 
9 . ^ 

Der Anblick dieses Ausdrucks giebt den Lehrsatz. 

43) Zu S. 109. Folgt aus 

— = s - h. 
4 

Es sei noch die Bemerkung gestattet, dass, wenn die Amplituden 
gegeben und die Höhen beliebig gewählt werden, beide Subli- 
mitäten bereits bestimmt sind, und richtig construirt, sich um- 
gekehrt wie die Höhen verhalten werden. 

44) Zu S. 110, S. Anmerkung 41. 

45) Zu S. 111. Wir hatten (Anm. 41) 

i^=2ff{h'^s), Ä=t=jT undÄ + 5 = Ä 
ist jetzt gegeben, also 



h-^--T = k und Ä2 — ÄÄ = — 



4h 4 ' 

folglich 

;=I*V(IF(I)'' 

genau der Ga?^7e^'schenConstruction entsprechend. Zugleich folgt 



s 



=*-.=!. i/(ir- (ff. 



Es sind also zwei Parabeln möglich. Die Brennpunkte derselben 
liegen gleich weit oberhalb und unterhalb der gegebenen Basis 
der Halbparabeln, und zwar um 



f 

/ 



i 



I 
1 

f 

» 
I 



140 . 

Anmerkungen. 



! 2 



von derselben entfernt Tn ^ r,. 

5?hen rig„ die ^Sheì'ten Ä^^-^ ^*"«» -ir der ö«/^- 



'^^- sin 2a 
»nd die Amplitude der Halbparabel 

« = i-sin2a; 
aber 9 

also ^^-^^ + ^, 



l^£---o.leiebde.Cdes.ppe.n 
-rknng /4 gegebte^'wertr"'''^" «"^«P^«it de. i„ ^. 

die Wurfweite ^'^ cos 2 ^ 

2 
^=-e'2co82atga 

ein, 80 kommt allgemein 



a; 



2' = -^(^--a:jtga. 
Im vorliegenden Faüe ist 

W 



x = 
2 



Anmerkangen. 



141 



und y wird gleich A, mithin 



W ^ tea 



wo a die Amplitade der Halbparabel ist. Für die Sublimität 
folgt alsdann 

wonach der Autor rechnen lehrt. 

49) Zu S. HS, Es verdient noch bemerkt zu werden, dass, 
wenn man 

in den Werth f^r s einsetzt, man 



a 

s = — 



1 



2 tga 



erhält, mithin wird nunmehr 



* + Ä = |(tga + ^), 



eine bemerkenswerthe Beziehung, die man folgender Weise 
schreiben kann. Es sei 

a = 45° + /?, 
so ist 

l-i^fl tga l + tsß' 

also 



tga = 



^ 2 11 — tg/S^l + tgÄ 



} 



Dieser Ausdruck bleibt derselbe, wenn für ß der Werth — ß 
gesetzt wird. Bei Anstiegwinkeln von ß Grad über und unter 
45^ wechseln die Werthe für s und h. 



Druck Tou Breitkopf Ss H&jtel in Leipzig, 



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In * 

Bansen, B., 
Cannizzarò 

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übeiL. .«. AAVi.auo5. vua A. v; ueitingeii. 

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Wilhelm Engelmann.